ZDF-Doku Einer Schweinerei auf der Spur: Schlachtbetrieb Tönnies oder eine Geschichte über Schwarzarbeit, Schmiergeld, Sozialbetrug

Tönnies ist Deutschlands größter Schlachtbetrieb für Schweine
Ist Deutschlands größter Schlachtbetrieb Tönnies ein echter Sauladen?
© Peter Endig / Picture Alliance
Deutschlands größter Schlachtbetrieb ist ein skandalumwittertes Unternehmen. Seit Jahren. Zwei investigative Reporter sind den Vorwürfen nun für die Doku "Das System Tönnies" nachgegangen. Ihre Funde sind brisant.

Schweinereien und die Firma Tönnies gehören zusammen. Schweinereien sind sogar das Geschäftsmodell des Unternehmens. Schließlich handelt es sich um Deutschlands größten Schlachtbetrieb. Schlagzeilen aber macht Tönnies eben nicht nur mit den Tieren, sondern mit noch ganz anderen, ja, Schweinereien. Schlechte Arbeitsbedingungen, Billiglöhne, Gammelunterkünfte – die Liste an Skandalen rund um den Fleischfabrikanten ist lang. Aber was ist dran an den Vorwürfen? Die ZDFzoom-Reporter Hannes Vogel und Tobias Zwior haben sich für die Dokumentation "Das System Tönnies" auf Spurensuche begeben, Whistleblower getroffen und dabei brisantes Material in die Hände bekommen.

Sommer 2020. Im Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück kommt es zu einem Corona-Ausbruch. Mehr als 1000 Mitarbeiter sind infiziert. Die Kontaktverfolgung aber ist schwierig. Es fehlen Daten. Chef Clemens Tönnies kommt in Erklärungsnot. Schnell steht der Verdacht im Raum, dass es sich bei den Mitarbeitern um illegal Beschäftigte aus dem Ausland handeln könnte. Der Landkreis kündigt eine Überprüfung an und Tönnies eine Revolution. Er wolle, sagte der Konzernchef damals, "die Branche verändern". Seither sind beinahe zwei Jahre vergangen. Was hat der Landkreis inzwischen herausgefunden? Eine Antwort darauf erhoffen sich die Reporter von Rheda-Wiedenbrücks Landrat, Sven-Georg Adenauer. Doch der winkt ab, verweigert die Auskunft. Eine Reaktion, die Fragen aufwirft.

Tönnies, ein skandalumwittertes Unternehmen

Vogel und Zwior beginnen selbst zu recherchieren. Sie reisen dafür nach Bulgarien, Zypern, an die deutsch-niederländische Grenze, sprechen mit Menschen aus dem Inneren und dem Umfeld des Tönnies-Konzerns und erhalten exklusive Einblicke in unzählige heikle Dokumente. Die Reporter stoßen dabei immer wieder auf mutmaßliche Unregelmäßigkeiten, finden massive Hinweise auf illegale Beschäftigung sowie Indizien, die auf systematischen Sozialversicherungsbetrug und Geldwäsche mindestens im Konzernumfeld hindeuten. Auch von Schmiergeldzahlungen berichten Informanten. Konfrontiert mit diesen Funden, weist der Schlachtbetrieb, wie gehabt, alle Vorwürfe von sich. Die Behauptung, dass Tönnies-Manager geschmiert worden seien, entbehre jeder Grundlage. Und so weiter.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Tönnies mit solchen Anschuldigungen auseinandersetzen muss. Bereits 2007 wurden an verschiedenen Tönnies-Standorten sowie in der Villa von Clemens Tönnies Razzien durchgeführt. Ermittelt wurde wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und Schmiergeldzahlungen. Hauptbelastungszeuge war ein ehemaliger Manager des Unternehmens, der später unter ungeklärten Umständen mit Gift im Blut starb. Das Verfahren wurde eingestellt.

Hinweise auf dubiose Machenschaften

Seit 2020 will Tönnies, erklärte Unternehmenssprecher Fabian Reinkemeier dem stern bereits Ende vergangenen Jahres, einiges zum Besseren verändert haben. So seien die Angestellten, sagte er, alle fest im Unternehmen angestellt, nicht bei Subunternehmen. Er räumte damals aber auch ein, dass es weiterhin eine Zusammenarbeit mit den ehemaligen Werkvertragsunternehmern gebe, die beim Anwerben neuer Mitarbeiter etwa im osteuropäischen Ausland helfen würden. Tönnies wolle das zwar mittelfristig selbst machen, doch noch sei man auf Experten auf diesem Gebiet angewiesen. Handelt es sich bei dem sogenannten Transformationsprozess im Hause Tönnies vielleicht doch nur um alten Wein in neuen Schläuchen?

Interview um Interview, Dokument um Dokument, Puzzleteil um Puzzleteil setzen Zwior und Hannes so ein Bild des wirtschaftlich erfolgreichsten Fleischproduzenten Deutschlands zusammen, das der Sender als "in Teilen dubios" bezeichnet. Worauf die Reporter bei ihrer investigativen Recherche gestoßen sind, ist in "Das System Tönnies" zu sehen. Die Dokumentation ist voraussichtlich bis zum 27. April 2024 in der ZDFmediathek abrufbar.

tpo

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos