"Es ist fast unmenschlich" 800 Schinken am Tag mit der Nase prüfen: Für Spaniens Schinken-Schnüffler ist Weihnachten Hochsaison

"Es ist fast unmenschlich": Der Schinken ist in Spanien an Weihnachten besonders wichtig
Der Schinken ist in Spanien an Weihnachten besonders wichtig
© Foto Studio Megg/ / Picture Alliance
Der perfekte Schinken ist nicht nur eine Frage des Geschmacks - sondern auch des Duftes. Ein Hersteller in Spanien verlässt sich deshalb ganz auf die Nase seiner professionellen Schinken-Schnüffler. Und treibt sie dadurch in der Weihnachtszeit an ihre Grenzen.

Ob Serrano, der feine Jamón Ibérico oder gar Cebo - in Spanien ist ein Festmahl ohne den heimischen Schinken kaum denkbar. Und zur Weihnachtszeit wird er noch wichtiger. Dann gehört er nicht nur auf jeden Tisch, sondern wird auch gerne verschenkt. Für einen ganz besonderen Berufsstand wird die Vorweihnachtszeit dadurch die härteste des Jahres: Die Schinken-Schnüffler kommen in der Adventszeit an ihre Grenzen.

Das berichtet Manuel Vega Domínguez in einem ausführlichen Stück des "Wall Street Journal. Vega ist der "Calador", der professionelle Schinken-Schnüffler des Gourmet-Schlachtbetriebes Cinco Jotas. 1989 begann der 53-Jährige dort als Bodenschrubber, arbeite sich über den Packbetrieb nach oben und ist seit 2004 oberster Qualitäts-Schnüffler. 

Schinken-Schnüffeln im Akkord

Nur mit seiner Nase kann Vega überprüfen, ob die gereiften Schinken den hohen Ansprüchen des Betriebes gerecht werden. Dazu sticht er an vier festen Stellen in den gereiften Schinken, an der Ferse, dem Hüftknochen und an zwei Stellen um das Hüftgelenk. Nur wenn der Duft dem exakten Profil von Holz, Umami und einer leichten Süße entspricht, stimmt die Qualität. 

In der Weihnachtszeit ist diese Prüfung eine echte Herausforderung: 800 Schicken schafft Vega am Tag. Das sind 3200 Schnüffler an einem einzigen Arbeitstag, 6,6 die Minute. Er sei "an der Grenze des menschlich Machbaren", erklärte der seit Wochen erschöpfte Vega der Zeitung. Wie sehr, das zeigt seine Antwort auf die Frage, ob er sich noch steigern könnte, wenn es nötig wäre. "Ich würde noch einen Weg finden, 801 zu schaffen", erklärt er trocken. "Vielleicht sind 802 möglich." Dann ist aber Schluss.

Schinken-Hochsaison

Wie wichtig das Weihnachtsgeschäft ist, zeigen die blanken Zahlen: Alleine in der Zeit vor den Feiertagen macht Cinco Jotas die Hälfte seines Jahresumsatzes. Für die Hochsaison holt sich das Unternehmen deshalb fünf weitere Schnüffel-Helfer in den Betrieb, die in Vollzeit Vega unterstützen. Im Alltag kommt er gut alleine zurecht. Im Februar komme er auf etwa 200 Schinken am Tag, schätzt er.

Die harte Schnüffelei verlangt von ihm viel. Sechs Orangen isst er am Tag, um sich nicht mit dem Coronavirus anzustecken und Gefahr zu laufen, seinen Geruchssinn zu verlieren. Abends schont er die Nase mit einem Tee aus einer speziellen, selbstgepflückten Minze. Seine Frau darf das Parfum nicht wechseln, um ihn nicht aus dem Takt zu bringen. Vor kurzem kämpfte er damit, dass sein neues Shampoo seinen Geruchssinn irritiert hatte. "Der Geruch des perfekten Schinken ist in mein Hirn eingebrannt", erklärt er. Es gehe nicht nur darum, schlechten oder fauligen Schinken zu erkennen. Auch eine Kaffeenote oder die falsche Süße würden zum Aussortieren führen.

Supernasen

Wer sich zum Schnüffler eignet, entscheidet Vegas Vorgesetzte, die Qualitäts-Chefin Cristina Sánchez Blanco. In einem speziellen Test werden die Kandidaten geprüft, müssen einzelne Tropfen von Gin, Alkohol oder Ammoniak aus Wasserbechern herausriechen. Nur sie selbst, Vega und der Vize-Qualitätschef haben ihren Angaben zufolge je perfekt abgeschnitten.

Auch Sánchez, die schon in vierter Generation für die Schlachterei arbeitet, hält sich an strenge Regeln, um den Geruchsinn zu schützen. Parfum oder Make-up sind im Betrieb tabu. Als in der Schwangerschaft ihr Geruchssinn noch schärfer war, wurde sie strenger als je zuvor, sagte sie dem "Journal". Sie könne schon beim Hereinkommen ihres Mannes erschnüffeln, was der an seinem Arbeitstag als Polizist so erlebt habe. Nur manchmal sei der Super-Geruch mehr Fluch als Segen. Als ihr Mann ihr zuletzt Parfum schenkte, wusste sie schon durch das Geschenkpapier, welches es war.

mma

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