Wohlfühlgerichte Schoki und Co retten uns aus den miesesten Stimmungslagen. Oder bilden wir uns das etwa nur ein?

Eine traurige Frau isst Eis
Das absolute Hollywood-Klischee: Geht's Frau schlecht, isst sie Eis. Oder hilft es etwa wirklich?
© Prostock-Studio / Getty Images
Manchmal muss es einfach eine Schüssel warme Suppe sein, die wärmt und auch die Seele liebkost. Manche Gerichte können das: liebkosen. Zumindest glauben wir das. So viel Einfluss haben sogenannte Wohlfühlgerichte wirklich auf unsere Stimmung.

Kennen Sie den Proust-Effekt? Er umschreibt das Phänomen, dass manche Gerichte, wenn wir sie riechen oder schmecken, in der Lage sind, uns in die Vergangenheit zu beamen. Sie haben die Zauberkraft, Erinnerungen zu wecken und das Herz zu wärmen. Benannt ist dieser Effekt nach Marcel Proust, der in seinem Roman "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" von einer solchen Erfahrung erzählt. Ausgelöst wird der Erinnerungsflash dort von dem französischen Gebäck Madeleine. Den Erzähler durchströme, heißt es dort, in diesem Moment "ein unerhörtes Glücksgefühl, das ganz für sich allein bestand und dessen Grund mir unbekannt blieb".

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Heute würde man Prousts Madeleines wohl Comfort Food nennen, was man mit Wohlfühl- oder Trostessen übersetzen kann und "sich auf Lebensmittel [bezieht], deren Verzehr Trost spendet oder ein Gefühl des Wohlbefindens vermittelt". So zumindest beschreibt es der Psychologe Charles Spence in seinem Artikel "Comfort food: A review". Gemein haben die Speisen laut Spence, dass sie eher süß und salzig als sauer und bitter schmecken – auch umami sei wichtig. 

Gibt es Essen, das unsere Stimmung verbessert?

Eine tolle Sache. Essen, dass unsere Laune hebt. Aber gibt es das wirklich oder bilden wir uns den positiven Einfluss am Ende nur ein? Fest steht, dass es kein universelles Wohlfühlessen gibt, das auf alle Menschen den gleichen Effekt hat. Denn was für uns Comfort Food ist, hat auch etwas mit unserer Biografie zu tun. In der Regel handele es sich laut Spence dabei oftmals um Speisen, die man als Kind besonders geliebt hat und mit denen man eine Person, einen Ort oder eine bestimmte Zeit verbindet, die man als positiv abgespeichert hat. Auch Sentimentalität spiele eine Rolle. In ihnen steckt das Versprechen von Sicherheit, von Heimat. So erklärt sich auch, dass wir, wenn wir eine kulinarische Umarmung nötig haben, eher zu traditionellen Gerichten greifen, die bei Muttern auf den Tisch kamen, als zu extravaganter Sterneküche.

Das der Name Comfort Food durchaus berechtigt ist, bestätigen mehrere Forschungen, wie auch eine kleine Online-Umfrage, an der 196 Frauen und 81 Männer teilnahmen. In dieser waren es allerdings vor allem Frauen, die angaben, dass sie das sogenannte Trostessen in erster Linie aus Einsamkeit, wegen Depression oder aus Schuldgefühlen konsumieren. Wohlfühlgerichte sind Liebe auf dem Teller. Sie ermöglichen eine kurze Flucht aus der Gegenwart in eine bessere Zeit. In ihnen steckt das Versprechen von Sicherheit und von Heimat. Genauer noch: Sie wecken Erinnerungen an Momente, in denen es uns gut ging und die wir in unserem emotionalen Gedächtnis als positive Erfahrung abgespeichert haben.

Wohlfühlgerichte sind nicht nur Traurigkeitskiller

Aber das ist nur die eine Wahrheit. Männer scheinen ganz anders zu ticken. Sie gaben an, sich mit Comfort Food zu belohnen. Dass sogenanntes Trostessen auch in Momenten der Freude auf den Tisch kommt, bestätigt eine weitere Studie. Deren Ergebnisse weisen ebenfalls daraufhin, dass Comfort Food in den meisten Fällen eben nicht bei Niedergeschlagenheit, sondern in freudiger Stimmung konsumiert wird. 74 Prozent der Teilnehmer:innen gaben an, diese Gerichte zu wählen, um etwas zu feiern oder um sich zu belohnen. Nur 39 Prozent berichteten, bei schlechter Stimmungslage oder Einsamkeit zu Wohlfühlgerichten zu greifen.

So betrachtet wird Comfort Food also nicht nur als ein Mittel verwendet, um dem Kummer etwas entgegen zu setzen, sondern auch um positive Emotionen zu verstärken. Nur wirkt es auch? Mit den Belegen ist es so eine Sache. Denn ob und wenn ja was am Trostessen tatsächlich tröstend wirkt, ist nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Abseits von emotionalen Triggern, werden aber eine Reihe weiterer Faktoren in der Forschung diskutiert, die tatsächlich eine Rolle bei der Steigerung des Wohlbefindens spielen könnten. Auch der Placebo-Effekt könnte eine Rolle spielen. Oder liegt es am Ende gar ganz einfach an den Inhaltsstoffen? 

Comfort Food: Auch das Mundgefühl spielt eine Rolle?

Jean-Francois Le Magnen beschrieb schon Mitte der 80er-Jahre in "Hunger", dass der Verzehr bestimmter Lebensmittel zur "Freisetzung von Spuren stimmungsaufhellender Opiate führen kann". So wird beispielsweise auch Schokolade und anderen süßen, kalorienreichen Lebensmitteln nachgesagt, dass sie möglicherweise einen positiven Effekt auf die Stimmung haben und unter anderem Serotonin freisetzen können, schreibt der Psychologe Spence. Dazu kommt, dass Zucker eine Art Rauschzustand auslösen kann. Dieser Effekt kommt allerdings mit einem Haken: die Wirkung lässt abrupt nach, was dann dazu führen kann, dass auf ein kurzes Up ein längeres Down folgt und es uns noch schlechter als vor dem Verzehr geht. 

Auch Warmes, das man in der Hand hält, wie eine Schale Suppe oder eine Tasse Tee, könnte beruhigend wirken. Und dann wäre da noch die Sache mit dem Mundgefühl, die Anneli Rufus in einem Artikel, der bei "The Leader" erschienen ist, aufgreift. "Die meisten von uns fühlen sich durch das Weiche, Süße, Glatte, Salzige und Salbungsvolle beruhigt", schreibt sie.  

Comfort Food ist eine vielschichtige Angelegenheit. Die Wirk-Mechanismen, die dabei ineinandergreifen, sind komplex. Das Wohlgefühl, das eine Speise auslöst, kann uns überraschen, wie von Proust beschrieben. Wir können unsere Stimmung möglicherweise aber auch durch die Wahl unserer Gerichte gezielt beeinflussen. Vieles ist noch unklar. Gesichert ist aber Folgendes: eine warme Schüssel Suppe oder ein Stück Schokolade sind niemals verkehrt. Obwohl, vielleicht ließe sich auch darüber noch streiten.

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