Begleiteter Freitod Lasst uns sterben

Von Oliver Link
Sie sind schwer krank. Sie haben unerträgliche Schmerzen und keine Hoffnung mehr. Ihre größte Angst - den letzten Weg nicht selbstbestimmt und in Würde gehen zu dürfen. Zwölf Menschen bekennen sich offen zu ihrer Entscheidung für den begleiteten Freitod und erklären, warum sie die Hilfe einer Schweizer Sterbehilfeorganisation wählen.

Strafbar oder nicht?

Die juristische Bewertung der Sterbehilfe ist in Deutschland unübersichtlich und kompliziert geregelt Die Sterbehilfe ist in Deutschland nicht durch ein eigenes Gesetz geregelt. Man unterscheidet zwischen strafbarer aktiver Sterbehilfe und den straflosen Varianten der Sterbehilfe. Diese sind: indirekte Sterbehilfe, passive Sterbehilfe und Beihilfe zur Selbsttötung.
  • Aktive Sterbehilfe: Gezielte Tötung eines Menschen mit dessen Einverständnis. Die aktive Sterbehilfe wird nach ¤ 216 Strafgesetzbuch bestraft (Tötung auf Verlangen)
  • Indirekte Sterbehilfe: Fachgerechte Behandlung von Schmerzen oder Symptomen unter Inkaufnahme der Lebensverkürzung. Der früher eintretende Tod ist dabei nicht das Ziel der Behandlung, er wird nur als unvermeidbare Nebenwirkung der Therapie in Kauf genommen. Voraussetzung ist das Einverständnis des Patienten.
  • Passive Sterbehilfe: Unterlassen bzw. Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen, etwa Abbruch von künstlicher Beatmung oder Einstellung künstlicher Ernährung. Die passive Sterbehilfe ist nur dann zulässig, wenn sie dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht. Diesen Willen können Patienten in einer Patientenverfügung niederlegen. Die indirekte und die passive Sterbehilfe sind nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs allein den Ärzten vorbehalten.
  • Beihilfe zur Selbsttötung: Weder die (versuchte) Selbsttötung noch die Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland strafbar. Abseits der "Krankenhausfälle", in denen indirekte bzw. passive Sterbehilfe relevant ist, geht es um die Frage: Wann liegt strafbare aktive Sterbehilfe vor, wann straflose Beihilfe zum Selbstmord? Beihilfe setzt voraus, dass der Sterbewillige ständig den aktiven Part hat, es "selbst tut". So muss er etwa das Gift selbst nehmen, darf es sich nicht einflößen oder sich eine Spritze geben lassen; der Helfer würde sonst zum strafbaren Täter einer Tötung auf Verlangen. Allerdings muss der Helfer einer Selbsttötung in Deutschland dennoch eine strafrechtliche Verfolgung fürchten - wegen unterlassener Hilfeleistung.

In der SCHWEIZ ist aktive Sterbehilfe strafbar, die Beihilfe zur Selbsttötung straflos. Der Helfer muss in der Schweiz keine Strafverfolgung wegen unterlassener Hilfeleistung fürchten.

Anders als in der Schweiz ist aber in Deutschland das von den Sterbehilfeorganisationen verwendete Mittel nicht legal zu beziehen. In der Schweiz ist es nach Vorlage eines ärztlichen Rezepts in der Apotheke erhältlich, auch wenn die verschriebene Dosis tödlich ist.

Anke Holiet, 43, IT-Administratorin, Öhningen am Bodensee

Eine kleine Erdgeschosswohnung, freundlich und licht, in einer Neubausiedlung im Südwesten, wo Deutschland heil und die Schweiz nah ist und die Menschen auf der Straße Fremden "Grüß Gott" sagen. Ihre Wohnungstür steht offen, eine der letzten warmen Stunden des Herbstes, 13 Tage vor ihrem Tod. Anke Holiet, 43 Jahre, gläubige Katholikin, wird das fünfte Gebot - "Du sollst nicht töten" - brechen, das ist ihr das Schlimmste. Der Krebs sitzt in ihrem Schädel. Sie will, dass ihre Geschichte, ihr Bild, erst nach ihrem Tod erscheint, das müssen Sie mir versprechen, sagt sie immer wieder.

Warum zeigen Sie sich, Frau Holiet?

Man soll ins Nachdenken kommen darüber, ob man nicht auch in Deutschland Möglichkeiten für Menschen wie mich finden kann, in Würde zu gehen. Inzwischen bin ich sicher, dass Gottes Liebe größer ist als das Gebot, das ich brechen werde; das Gebot zu brechen ist mein größter Konflikt. Vor dem Tod selbst habe ich keine Angst, sicherlich der Vorteil, wenn man an Gott glaubt.

Glaube heißt auch, Gottes Willen anzunehmen.

Ich habe mich so bemüht, es zu tragen und habe es getragen. Nachdem der Hirntumor festgestellt worden ist, habe ich trotz Chemotherapie gearbeitet, habe alles versucht. Ich hatte ein schweres Leben und bin kein leichtfertiger Mensch, ich bin jetzt an einem Punkt, wo ich einfach nicht mehr kann ...

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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... mit welchen Recht, Frau Holiet?

Ich weiß, dass ich mich schuldig mache. Aber in der Bibel steht auch, dass Gott uns liebt, und zwar bedingungslos, und wenn das so ist, dann wird er verstehen, dass ich diesen SchrittÉ ich kann einfach nicht mehr. Ich weiß ja, welches Ende das nimmt. Ich nehme es vorweg.

Ihre Stimme bricht, sie erzählt von rasenden Kopfschmerzen, Nächten, schmerzgekrümmt auf dem Fußboden ihres Badezimmers, erzählt davon, wie sie vor vier Jahren die ersten Schwindelanfälle bekam und glaubte, den Geruch von Waschmittel zu riechen, doch da war keins.

Gab es in Ihrer Familie Krebs?

Meine Oma hatte ...

Es entsteht wieder eine dieser langen Pausen, in der ihr die Wörter abhandenkommen. Dann schließt sie die Augen, konzentriert sich. Sie sagt:
Jetzt fehlt mir wieder das Wort, ... Blut ... Blut ... nein ... Leukämie!

Wenn Ihnen ein Wort abhandenkommt ...

... dann ist das mein Tumor. Ich habe das in letzter Zeit sehr oft, dass mir Worte fehlen oder ich nicht mehr weiß, was sie bedeuten. Ich merke, wie die Krankheit voranschreitet. Ich vergesse Wörter, vergesse Menschen, vergesse, wie man Dinge macht. Ich saß mal im Auto und habe vergessen, wie man fährt. Vor ein paar Tagen habe ich meine Einkäufe draußen im Blumenbeet gefunden und habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Das erschreckt mich. In meinem Kirchenchor hielt ich eine Frau, die ich seit Jahren kenne und mag, für eine neues Chormitglied, und alle dachten, ich würde einen Witz machen. In solchen Momenten schäme ich mich so unfassbar. Ich verliere langsam meinen Verstand, das ist das Schlimmste, was mir passieren kann, da hat Gott meine wunde Stelle getroffen.

Körperlichen Verfall könnten Sie hinnehmen?

Damit könnte ich leben. Aber nicht damit, zu verblöden. Es ist für mich ein unerträglicher Gedanke, mit 43 Jahren völligÉ ich bin bald nicht mehr ich. Ich beobachte mich selbst, als wäre ich eine andere Person. Würde ich diesen Schritt jetzt nicht gehen, macht bald etwas anderes etwas mit meinem Körper, und ich mache Dinge, die ich nicht verstehe. Das schockiert mich und macht mir Angst. Ich will nicht ohne Verstand sein. Ich will nicht nur optisch Mensch sein. Ich kann nicht in dieses Dunkel hinein, es geht einfach nicht, alles sträubt sich in mir bei der Vorstellung, irgendwann dämmernd dazuliegen, nicht mehr die zu sein, die ich bin. Gott wird mir das verzeihen.

Anke Holiet starb am 13. November in Zürich.

Stefan Guhl, 32, Steinenbronn bei Stuttgart

"Ich werde wissen, wenn es so weit ist"

Sein Vater öffnet die Tür, fester Händedruck, gerader Blick. Stefan ist im Wohnzimmer, sagt er. Stefan hat etwas von einem Mann in dem Körper eines Kindes. Verkürzte Beine, dünne Arme mit schmalen Handgelenken und kleine Hände. Stefan Guhl, 32 Jahre alt, Spinale Muskelatrophie. Seine Muskeln bekommen keine korrekten Informationen vom Gehirn, werden dadurch immer schwächer. Einen Tag nach dem Gespräch schickt er eine Mail: "ich schreibe manchmal in depri- phasen kleine texte. es wäre nett, wenn sie erwähnen könnten, dass man diese auf www.keinverlag.de, autorenname ste-fan8000, lesen kann. ich schreibe erst seit kurzem und wenn mehr leute meine sachen lesen und kritisieren, könnte ich bestimmt noch einiges lernen."

Warum wollen Sie sterben, Herr Guhl?

Weil es mir zu mühsam wird, das alles mitzumachen. Die Schmerzen im Nacken, wenn ich den Kopf nicht mehr halten kann É Wenn eigentlich auch sonst nichts mehr geht, selbst essen, selbst irgendwie irgendwas machen. Wenn man im Prinzip nur noch dasitzt oder liegt und eigentlich gar keine Freude mehr am Leben hat, dann, denke ich, ist ein Zeitpunkt gekommen, wo das Leben nur noch mühsam ist und es eigentlich in Ordnung ist, wenn es aufhören würde.

Wann werden Sie in die Schweiz reisen?

Das kann ich nicht genau sagen, noch ist dieser Zeitpunkt nicht gekommen, aber ich werde wissen, wenn es so weit ist.

Woran erkennen Sie diesen Zeitpunkt?

Ich bin einfach nicht bereit, neue Einschränkungen zu akzeptieren. Noch kann ich selbstständig atmen, kann aufrecht sitzen. Und wenn ich einen kleinen Schlauch in der Nase zum Atmen brauchen würde, wäre das auch noch tolerabel, solange ich noch auf sein könnte, am Computer sitzen, nicht liegen müsste. Ständig liegen wäre nicht mehr tolerabel für mich.

Was geht in Ihnen vor?

Ich habe immer wieder mal Angstattacken, ich habe einfach Angst vor der Zukunft, immer auch mal Depris, das beschäftigt mich sehr. Es ist eine Traurigkeit in mir, wenn ich so zurückdenke und weiß, dass ich die schöne Zeit hinter mir habe. Ich hoffe, dass meine Krankheit nicht rasant voranschreitet und ich vielleicht noch ein paar Jährchen habe.

Seit wann leiden Sie an Ihrer Krankheit?

Von Geburt an. Die Krankheit schreitet relativ langsam voran, aber ich merke, dass ich immer schwächer werde. Bis vor sechs Jahren noch konnte ich allein mit dem Rollstuhl fahren und mich selbst antreiben, bis ich in einen E-Rollstuhl wechseln musste. Auch mit dem Essen. Früher konnte ich das selbst, konnte selber mit dem Messer schneiden. Ich werde einfach immer weniger. Ich kann auch nicht mehr den ganzen Tag am Computer sitzen und schreiben, weil meine Finger zu schnell ermüden.

Haben Sie schon früher an Freitod gedacht?

Ja, oft. Und ich finde es eine Unverschämtheit, dass uns in Deutschland die Möglichkeit für ein würdiges Ende verwehrt wird. Das größte Problem ist, dass die meisten Selbstmordarten für mich nicht funktionieren, einfach weil die Kraft fehlt. Ich würde am ehesten in einen Fluss gehen, obwohl, bestimmt setzt der Rollstuhl genau dann aus, wenn ich den Kopf noch über Wasser habe.

Sie lachen.

Ja, ich seh mich gerade im Wasser sitzen.

Sind Sie einsam?

Ich habe ganz gut gelernt, mit mir selbst zurechtzukommen. Ich lese gern, schaue Filme, mache was am Computer, und vor allem spiele ich gern mit meiner Nichte Laura, neun ist die jetzt. Ab und zu schau ich mir normale Menschen an, was die für ein schönes Leben haben, die bauen eine Familie auf, die arbeiten. Ich war mal ein bisschen verliebt, aber ich habe das nie richtig zugelassen, weil ich wusste, dass es einfach nicht klappt.

Ist es schwer, diese Fragen zu beantworten?

Es geht schon, ich kann damit ganz gut umgehen. Selbst wenn jetzt die Frage käme, ob ich lieber nicht auf der Welt gewesen wäre, würde ich antworten.

Wie wäre die Antwort?

Lieber gar nicht auf der Welt.

Werner Volz, 72, Fotograf, Blumenberg

"Ihr kennt meine Nächte nicht"

Schon am Telefon hatte er sehr schwach geklungen. Wann er denn Zeit für ein Gespräch habe, vielleicht kommenden Montag? Moment, ich schaue in meinen Kalender, hatte er geantwortet. Ein Weilchen war es still, dann sagte er, besser sei es am Sonntag, am Montag sei er nämlich schon tot. Dann hörte man ihn leise in sich hineinlachen. Werner Volz, 72 Jahre, Krebs im ganzen Körper. Ein stiller, in sich gekehrter Herr aus dem Südbadischen. Er liegt in seinem Bett, von Krankheit gezeichnet. Im Nebenraum die beiden Töchter und seine Frau. Ist mir lieber, wir schließen die Tür, sagt er.

Wann fahren Sie morgen los nach Zürich?

So gegen neun, denk ich mal, ist ja nicht so weit. Ich bin froh, dass es endlich so weit ist. Jetzt wird ja alles gut.

Heute ist der letzte Tag Ihres Lebens ...

Es ist schon ein schwerer Schritt, und ich bewundere alle die, die den Mut haben, bis zum Letzten die Möglichkeiten der Medizin in Anspruch zu nehmen, mit all den enormen Nebenwirkungen. Nein, das möchte ich nicht, das ist mir zu ... Da bin zu feige.

Gehört nicht eher Mut zu einem Schritt, wie Sie ihn jetzt tun?

Ich laufe davon, ich hätte Chemo weitermachen können. Aber wozu? Jeder Arzt hat mir gesagt, dass es nicht heilbar ist. Ich habe Metastasen im Lendenwirbelbereich, in den Lymphknoten und in der Hirnhaut. Ich war sogar ein paar Tage gelähmt und hatte epileptische Anfälle.

Niemand kann Sie umstimmen? Ihre Frau nicht, die Töchter?

Nichts und niemand. Ich kann mich nicht für andere aufopfern. Wenn eine gewisse Zeit vergangen ist, werden sie sehen, dass es richtig war. Ich mache das ja auch für sie. Ich weiß nicht, wie lange sie das durchhalten würden. Noch bin ich ja kein so schwerer Fall geworden, noch müssen sie mir ja nicht die Scheiße aus dem Arsch holen, wenn ich das mal brutal sagen darf.

Tun Sie es hauptsächlich für Ihre Familie, weil Sie sie entlasten wollen?

Nein. Der Grund, warum ich das mache, ist, dass das Leben, das ich noch habe, nicht lebenswert in meinem Sinne ist. Auch wenn draußen, wie heute, die Sonne scheint, auch wenn ich hier gut versorgt bin. Aber das reicht nicht. Und irgendwann müsste ich dann wieder ins Krankenhaus, und da endet es dann unschön. Da habe ich so einen Schiss vor. Und dann kommt wieder meine Feigheit. Vergangenes Jahr ist mein Bruder gestorben, auch Krebs, er war neun Jahre jünger als ich. Er hat alles über sich ergehen lassen und hat furchtbar gelitten. Ich habe ihn da liegen sehen und mir gesagt: Nein. Das würde ich nicht mitmachen. Es ist eine Sauerei, dass wir in Deutschland nicht die Möglichkeit haben wie die Schweiz.

Wie hat Ihre Familie reagiert, als Sie Ihnen gesagt haben, dass Sie in die Schweiz fahren wollen, um zu sterben?

Die waren unfassbar erschüttert. Tränen. Freunde haben gesagt: Mensch, du machst noch so einen fitten Eindruck, da konnte ich noch ein bisschen laufen. Ihr wisst nicht, wie es in mir drin aussieht, habe ich nur geantwortet, ihr kennt meine Nächte nicht. Und der ganze Rest, der da mit dranhängt.

Erzählen Sie davon.

Es gibt so ein Sprichwort, das sagt: Essen und Trinken sind zwei der schönsten drei Dinge. Und mir sind alle drei Dinge genommen. Angefangen hat es mit dem Sex. Durch die Bestrahlung und die Hormonbehandlung war ich praktisch kastriert. Und ich habe gern gut gegessen und getrunken, das hat mir immer sehr viel bedeutet. Doch durch die Medikamente habe ich keinen Geschmack mehr. Salziges schmeckt noch salziger, Süßes noch viel süßer. Jetzt habe ich gar nichts mehr. Nur noch Angst. Ich habe schon morgens Angst vor dem Tag und abends Angst vor der Nacht. Mein Gott, wenn ich Ihnen alles aufzähle ...

Werner Volz starb am 3. Juli 2006 in Zürich.

Ernst B., 58 Jahre, Diplomingenieur, Hessen

Seit einem Unfall 1994 bin ich querschnittsgelähmt, ohne Chance auf Besserung. Ich bin im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, kann Arme und Hände bewegen, ansonsten völlig hilflos. Wenn die Zyste an der Bruchstelle in der Wirbelsäule platzt, läuft Hirnwasser aus, und ich werde unweigerlich auch meine Arme verlieren. Nach drei Thrombosen wird wohl irgendwann mein Bein amputiert werden. Mir soll keiner was von Lebensqualität erzählen.

Meine Frau pflegt mich seit zwölf Jahren 24 Stunden am Tag. Sie ist 60 Jahre alt, und ich frage mich, wie lange sie mich noch in den Rollstuhl hieven, umbetten, waschen, duschen und mit mir abführen kann. Meine Schmerzen sind kaum noch zu ertragen, Medikamente wirken nicht. Mein Handling ist so kompliziert, dass es auch für Pflegeheime schwer ist, mich zu versorgen. Bei "Dignitas" bin ich seit 2001 Mitglied. Sterbehilfe in Anspruch nehmen zu können bedeutet für mich die Möglichkeit, bis an die Grenze der Belastbarkeit zu gehen. Aber wenn es nicht mehr geht, will ich keine Zeit verlieren. In Deutschland zwingt man Menschen weiterzuleben, die das nicht mehr können oder wollen. Es ist doch absurd, die Menschen fahren in die Niederlande zur Abtreibung, in die Schweiz zum Sterben. Das hat nichts mit Menschenwürde zu tun. Ich will nicht sterben, ich hänge am Leben, aber irgendwann muss man sagen, wie geht es weiter? Mein Vater ist buchstäblich in meinen Armen verreckt, er hatte Darmkrebs und unerträgliche Schmerzen. Wir mussten zuletzt jedes Messer, Rasierklingen und Pflanzenschutzmittel verstecken. Als er starb, klagte er laut: "Junge, Junge, Junge." Und sah mir flehentlich in die Augen.

Hilke Addo, 57 Jahre, Telefonistin, Münster

Vor vier Jahren habe ich mich um die Mitgliedschaft bei "Dignitas" gekümmert, was sich nachträglich als Glück erweist, denn vor zwei Jahren erkrankte ich an Brustkrebs. Ich habe mich bei meiner Krebserkrankung in einer anthroposophischen Klinik behandeln lassen - der Tumor wurde entfernt, und ich unterziehe mich seither einer Misteltherapie. Es geht mir gut, ich war nach der Operation nicht einen Tag krank.

Ich bin ein extrem freiheitsliebender Mensch, bin 15 Jahre als Globetrotter durch die Welt gereist. Zu dieser Freiheit gehört für mich auch, das Ende selbst bestimmen zu können. Das Gefühl, mein Leben nicht mehr eigenverantwortlich gestalten zu können, von Geräten abhängig zu sein, Behandlungen zu bekommen, gegen die ich mich nicht wehren kann, zu leiden, all das macht mir Angst. Den Tod an sich fürchte ich nicht.

Mitglied in einer solchen Organisation zu sein bedeutet ja nicht, dass man leichtfertig sein Leben beenden will. Aber wie bei einer Versicherung ist es ein gutes Gefühl, gerüstet zu sein. Ich wünsche mir manchmal, ich wäre tief gläubig, denn ich denke, sehr gläubige Menschen sind duldsamer, sind bereit, den Schmerz hinzunehmen. Ich kann kein endloses Elend für mich akzeptieren, ich will Dinge vorbereiten, im Vorwege organisieren - das entspricht meinem Naturell.

Die Möglichkeit der Erlösung im Hinterkopf zu haben, wenn das Leben nach eigener Vorstellung nicht mehr lebenswert ist, gibt mir große Zuversicht, die mich frei macht. So wie es schon Camus sagte: "Der Tod ist meine letzte Freiheit."

Hildegard Gottlob, 71, Heilpraktikerin, Essen

Seit 20 Jahren habe ich chronisches Rheuma, jetzt ist auch noch eine Osteonekrose diagnostiziert worden - ein Oberschenkelknochen stirbt langsam ab. Das sind schreck-liche Schmerzen. Ich weiß, um was es beim Sterben geht, beschäftige mich lange mit dem Tod, mein einziger Sohn Hans-Georg Gottlob starb 1988 an Multipler Sklerose. Auf einen friedlichen Tod kann man nun mal nur hoffen. Deshalb bin ich zu "Dignitas" gegangen.

Ich habe vorgesorgt, trage meine Patientenverfügung stets bei mir und habe alles bis ins Letzte geregelt. Ich weiß genau, was auf mich zukommt, wie das Sterben vor sich gehen soll, wo es passiert, um was man sich kümmern muss - bis ins allerletzte Detail. Das mag für viele erschreckend sein, doch wenn man das nicht tut, ist die Entscheidung auch nicht ernst gemeint. Und man sollte sich schon sehr sicher sein, wenn man diese letzte Fahrt macht.

Ich habe keine Familie mehr, und es ist ein großes Gefühl von Trost und Hoffnung, dass es eine Tür gibt, hinter der einem geholfen wird, wenn es nicht mehr geht. Wen soll man denn um so was bitten? Das ist doch niemandem zuzumuten. Meine Freunde sind über mein Engagement in diesem Bereich entsetzt. Sie sagen: Du lebst doch und sprichst vom Sterben, kümmere dich doch jetzt nicht darum. Aber wenn man sich dann plötzlich nicht mehr selbst kümmern kann? Wenn man aus ärztlicher Sicht noch lebt - und es eigentlich doch gar nicht mehr tut? Da will ich eingreifen können, selbst über mich bestimmen. Ich war alleinerziehend und habe immer Verantwortung für mein Leben übernommen. Und das soll ich plötzlich nicht mehr tun?

Jörgen Hauschild, 62, Coach, Karlsruhe

Gestatten Sie, dass ich sitzen bleibe, sagt er vom Sofa aus - sein Freund hatte die Tür geöffnet. Jörgen Hauschild, 62 Jahre, Knochenmarkkrebs.

Sie wirken sehr gefasst.

Ich werde bald sterben, das ist jetzt eben einfach so.

Wie viel Zeit bleibt Ihnen?

Sehr viel wird es nicht sein. Mir werden immer mehr Metallstangen in die Knochenkanäle geschoben, die meinen Körper stützen. Die Knochen lösen sich auf, schreckliche Schmerzen. Bei den Radiologen lasse ich mir oft die Aufnahmen zeigen. Und das sieht ziemlich grässlich aus. Da sind richtige Löcher.

Haben Sie die Zusage aus der Schweiz?

Ja, es ist alles geregelt. Mein Partner hat mir sehr dabei geholfen, auch wenn es ihm nicht leicht gefallen ist und er auch versucht hat, das Ganze rauszuzögern.

Der Freund:

Ich wusste auf einmal, es wird ernst. Du hast mich gebeten, mich darum zu kümmern, und ich habe gesagt: Ja, ja, mach ich. Mich hat auch etwas getröstet, zu spüren, dass es ihn so erleichtert, gehen zu können. Ich werde mit in die Schweiz fahren, natürlich.

Hauschild:

Eine Sache muss ich loswerden. Das ist auch der Grund, warum ich mich im stern zeige: Als ich geboren wurde, kamen die Nazis zu meiner alleinerziehenden Mutter, um darüber zu befinden, ob ich leben soll, ob ich Lebensmittelkarten bekommen soll.

Wo ist der Zusammenhang ...?

Jetzt, an meinem Lebensende, kommen wieder andere Leute, die entscheiden wollen, wie lange ich leiden soll.

Ella Heimann, 77, Einzelhandelskauffrau, Berlin

"... ach, mädel, weine nicht"

Von draußen drückt die Hauptstadt mit Staub und Hitze, es macht ihr zu schaffen, sie hat alle Fenster geschlossen. So bleibt es kühl in ihrer kleinen Wohnung im Stadtteil Weißensee. Sie serviert Eiskaffee, läuft zwischen Küche und Wohnzimmer hin und her, eine aufgeregte, kleine Frau. Setz dich jetzt hin, und beruhige dich, sagt ihre Tochter Karin, ich mach das. Ella Heimann, 77 Jahre alt, Osteoporose, Rheumatikerin, Schmerzen überall, heute geht es ganz gut, die Tabletten wirken. Ihr Arzt hat gesagt, Frau Heimann, Ihre Wirbelsäule ist ein Scherbenhaufen. Sie war mal einsfünfundsechzig groß, jetzt ist sie bei einssechsundvierzig. Stellen Sie sich vor, ich werde immer weniger, sagt sie, wie lange soll das so weitergehen?

Karin, wie stehen Sie zum Entschluss Ihrer Mutter, zum Sterben in die Schweiz zu fahren?

Tochter:

Zuerst war ich entsetzt. Wir haben uns lange unterhalten, und sie hat mich immer noch nicht überzeugt. Aber ich akzeptiere ihre Einstellung. Es hätte auch keinen Sinn, sie umzustimmen. Wenn sie sich zu etwas entschlossen hat, dann macht sie es auch.

Mutter:

Ich war eigentlich der Auffassung, ich hätte dich überzeugt, dass dieser Weg der bessere ist. Besser, als hier zu Hause dahinzusiechen oder noch schlimmer: im Pflegeheim.

Tochter:

Du siehst noch so gut aus, ich kann mir nicht vorstellen, mit dir morgen oder übermorgen in die Schweiz zu fahren und dann dabei zuzugucken ...

Mutter:

... habe ich davon gesprochen, dass ich übermorgen schon fahren will? Es muss erst wieder schlimmer werden. Du könntest mich ja hier auch gar nicht so pflegen, wie ich es dann bräuchte.

Trauen Sie sich das denn zu?

Tochter:

Ich bin keine medizinische Kraft, aber wenn es etwa darum geht, meine Mutter zu waschen oder anzuziehen, also das kann ich. Aber so weit willst du es ja gar nicht kommen lassen.

Mutter:

Wenn ich mir nicht mehr selber helfen kann, dann ist das schon schlimm. Aber es geht ja immer weiter abwärts, es gibt kein Hoch mehr. Meine Schmerzen sind zurzeit nur betäubt, was, wenn die Wirbelsäule noch kürzer wird? Ich will verhindern, dass ich gar nicht mehr da hingefahren werden kann. Dann möchte ich lieber vorher in Würde sterben.

Die Tochter möchte etwas sagen, es geht nicht, die Stimme versagt, sie weint, wendet das Gesicht ab. Frau Heimann schweigt lange Zeit, nimmt ihre Tochter in den Arm, streichelt sie sanft, tröstet sie, sagt:

... ach Mädel, weine nicht, komm. Es wird kein leichter Tag, da bin mir völlig im Klaren. Ich hoffe wirklich, du wirst überzeugt von meinem Schritt sein, wenn es mir bald schlechter gehen wird ...

Tochter:

Mir wäre es lieber, ich komme irgendwann in deine Wohnung ... und du liegst da.

Mutter:

Sicher, wäre mir ja auch lieber, Aber ob das eintritt? Da habe ich ganz starke Zweifel ...

Werden Sie trotz Ihrer Bedenken mit in die Schweiz fahren?

Tochter:

Natürlich. Ich stelle es mir nur so schlimm vor, an dem Bett zu stehen und zuzuschauen, wenn du das Mittel nimmst, und ich muss wieder nach Hause zurück. Zehn Stunden Hinfahrt, worüber sollen wir uns da nur unterhalten ...

Die Stimme bricht, und sie weint sehr.

Lässt es Sie an Ihrer Entscheidung zweifeln, wenn Sie Ihre Tochter so sehen?

Mutter:

Ich habe den festen Willen, das zu machen.

Sie wendet sich zu ihrer Tochter, sagt:

Wenn du mich hier liegen hättest und mich hier, ich sag's mal so krass: windeln müsstest, also das wäre ja schrecklich.

Müssen Sie härter sein, als Sie wollen, um Ihren Weg bis zu Ende gehen zu können, Frau Heimann?

Mutter:

Ja. Es tut mir in der Seele weh, wie sie sich quälen muss. Ich hoffe und wünsche mir, dass ihr in der Zeit, in der ich noch hier bin und lebe, ein bisschen mehr ... doch die Einsicht kommt, dass ich das Richtige tue. Aber ich werde meine Entscheidung nicht rückgängig machen.

Ingrid Schirling, 72, Lehrerin, Hamburg

Vor 30 Jahren, sagt sie, da kannte keiner diese Krankheit, erst die Augenärztin kam durch Zufall drauf, dass ich das Sjögren-Syndrom habe. Ich trockne von innen her einfach aus.

Sie sehen so ...

... gesund aus? Das ist ja mein großes Problem, weil mich keiner ernst nimmt. Dabei lebe ich jede Sekunde mit Schmerzen. Ich kann nie länger als eine, eineinhalb Stunden hintereinander schlafen. Meine Zunge klebt im Mund fest, oft reiße ich mir den Rachen blutig. Wenn ich diesen Keks da essen würde, ohne was zu trinken, würde ich daran ersticken. Meine Bronchien setzen sich zu, ich werde blind. Meine Ohren sind völlig kaputt, schlimm ist mein Genitalbereich, mein Darm. Ich wünsch mir so sehr, dass ich einen anständigen Krebs bekomme ...

Sie wünschen sich Krebs?

Ja. Ich habe Angst, dass meine Krankheit denen in der Schweiz nicht ausreicht. Ich habe zwar einen Krebs auf der Kopfhaut, aber der juckt nur. Als mein Arzt mir gesagt hat, das sei Krebs, habe ich ihn vor Glück angestrahlt. Der Mann hielt mich für verrückt, glaube ich.

Wann ist es Zeit, zu gehen?

Wenn ich nicht mehr lesen kann. Und wenn ich meinen Darm gar nicht mehr entleeren kann und auf die Hilfe anderer angewiesen bin. Dann ist Schluss.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein, der Tod ist eher mein freundlicher Begleiter. Nur die Aussicht, dass man mich nicht in Würde sterben lassen könnte, macht mir Angst. Ich habe kein Verständnis dafür, dass ich für ein würdevolles Sterben in die Schweiz fahren muss.

Irmgard Christians, 82, Bibliotheksangestellte, Oldenburg

Wenn du alt bist, dann beschäftigst du dich auch mit dem Thema Sterben und Tod - das kommt ganz automatisch. Seit vier Jahren weiß ich, dass ich an einer Cerebellaren Atrophie leide - mein Kleinhirn kann meine Bewegungen nicht mehr richtig kontrollieren. Mein Zustand verschlechtert sich zunehmend, zum Laufen brauche ich inzwischen einen Gehwagen. Ich habe Schluckbeschwerden und seit neuestem auch noch Darmprobleme. Das alles macht mir Angst, denn auf einen plötzlichen Tod im Sinne von friedlichem Einschlafen kann ich nicht hoffen: Ich habe ein absolut gesundes Herz - so sagt mein Arzt.

Ich weiß sehr genau, was gesundheitlich auf mich zukommt: Ich werde irgendwann nur noch liegen können, werde künstlich ernährt werden müssen und kann dann nur noch auf mein Ende warten. Aber ich will nicht jahrelang hilflos in einem Pflegeheim liegen, wie ein Baby versorgt werden und für die Gesellschaft kein nützliches Mitglied mehr sein. So ein Ende wünsche ich mir nicht.

Ich bin Mitglied der evangelischen Kirche und hoffe, dass mir mein Entschluss, selbstbestimmt mein Leben zu beenden, verziehen wird.

Frauen gehen heute mit einem konkreten Termin ins Krankenhaus und bekommen ihr Kind auf die Stunde genau.

Und beim Sterben soll mir das einer verwehren? Wenn ich Schmerzen habe? Wenn ich dahinvegetiere? Wenn ich am Leben nicht mehr teilnehmen kann? Wenn ich Glück nicht mehr empfinden kann? Wer will darüber urteilen? Schmerz, Unglück, Leid - das ist doch nicht verhandelbar. Mein Tod gehört mir.

Christa Prange, 60, Diplomingenieurin, Berlin

Das Gespräch strengt sie an, ihre Stimme ist kaum zu verstehen. Ich habe die Gründe für meinen Schritt aufgeschrieben, sagt sie. Zwei Blatt, DIN A 4, sorgsam am Computer getippt. Christa Prange, 60, hatte eine Geschwulst in ihrem Kopf und leidet an den Folgen der Operation. Auszüge ihres Schreibens:

"Nach dem Abitur 1964 studierte ich an der TU Dresden, die ich als Diplomingenieur für Hochbau ver-ließ. (...) Zur Jahreswende 2000/ 2001 traten zunehmend Ausfallerscheinungen der linken Körperhälfte auf. Eine Untersuchung im März 2001 ergab ein pontines Kavernom im Stammhirn. Deswegen bin ich im Berliner St. Gertrauden-Krankenhaus operiert worden. Seither sitze ich wegen einer schweren Ataxie (Störung bei den Muskelbewegungen) im Rollstuhl und kann schlecht sehen. Zusätzlich werden an der linken Seite Arm, Bein und Rumpfhälfte steifer, die linke Gesichtshälfte tut sehr weh und ich habe Probleme beim Essen und Sprechen. Den ersten Selbstmordversuch habe ich 2002 unternommen, war jedoch zu schwach, mir die Pulsadern aufzuschneiden. Im März 2006 unternahm ich meinen 2. Versuch mit Schlaftabletten. Da ich erbrach, konnte ich gerettet werden. Mein Zustand verschlimmert sich Tag für Tag. Gegen die Schmerzen erhalte ich täglich 2 x 30 mg Morphiumtabletten, bin jedoch nicht schmerzfrei. Meine Tochter kommt 2 x die Woche, kauft für mich ein und erledigt Korrespondenz. Ich habe ihr meinen Entschluss mitgeteilt. Sie zeigt Verständnis dafür, billigt ihn jedoch nicht."

Frau Prange starb am 20. Juli 2006 in Zürich.

Helgard Reyer, Krankenschwester, 79 Jahre, Buxtehude

Ich war 20 Jahre und Schwesternschülerin beim Roten Kreuz, als ich eine Sitzwache machte - Sterbebegleitung. Drei Trümmerfrauen waren verschüttet worden, alle starben in jener Nacht, mein erster direkter Kontakt mit dem Tod. Später arbeitete ich als Krankenschwester in Altenheimen und im Krankenhaus und habe erlebt, wie man hilflose und verzweifelte Patienten zum Sterben ins Bad oder die Abstellkammern schob. Ich habe 35 Jahre in diesem Beruf gearbeitet und weiß, wovon ich rede. Mit Würde, Anstand oder Erlösung von Leiden hat das nichts zu tun.

All die Einrichtungen, in denen Menschen einfach nur geparkt werden, ruhiggestellt in ihren Betten, die keinen Besuch mehr bekommen und lange Jahre sterben, ohne Kontakt zum Leben, das will ich nicht. Schon damals habe ich gehofft, dass mir ein solcher Tod erspart bleibt. Aber mit wem ist das Leben schon so gnädig - einfach nur sterben? Friedlich? Plötzlich?

Ich bin sehr krank, ich habe keine medizinische Hilfe mehr zu erwarten. Ich nehme schon jetzt täglich die höchste Dosis an Morphium, meine Schmerzen sind dennoch unerträglich, mein Entschluss steht fest. Ich habe eine Spinalkanalstenose - bei mir wachsen Knochenzacken in den Wirbelkanal und verengen die Wirbelsäule. Meine Füße sind taub, und diese Bewegungsunfähigkeit zieht den ganzen Körper hoch.

Wenn mein Zustand unerträglich wird, nehme ich mir Hilfe. Was mir schwerfällt, ist der Abschied vom Leben in Raten. Erst kannst du nicht mehr mit dem Auto fahren, Treppen laufen, dann schaffst du es mit dem Gehwagen nicht mehr in die Stadt. Die Krankheit hat sich wie eine Glocke auf mein Leben gestülpt.

Ich bin 20 Jahre lang nach Tunesien gefahren. In diesem Frühjahr habe ich mich von Djerba verabschiedet, ich konnte nicht mal mehr an den Strand gehen, das Meer spüren.

Niemand trennt sich leichtfertig vom Leben, aber mein Zustand zwingt mich, sich dem Sterben zu stellen. Weihnachten ist noch ein Ziel, das werde ich mit meiner Tochter und der Enkelin verbringen. Danach sehen wir weiter.

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