Einig sind sich (fast) alle vor dem Bildungsgipfel: Im deutschen Schulsystem muss sich dringend etwas ändern. Am diesem Dienstag treffen sich Vertreter von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Berlin, um über das Wie zu beraten. Es soll um tiefgreifende Reformen im Bildungssektor gehen. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger machte vorab bereits in der "Bild am Sonntag" deutlich: "Das deutsche Bildungssystem steckt in einer tiefen Krise, die uns alle betrifft." Die FDP-Politikerin forderte eine "neue Form und Kultur der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten". Mehr Geld allein sei keine Lösung. Stark-Watzingers Problem ist, dass sie wenig mehr tun kann als zu appellieren. Bildung ist in Deutschland grundsätzlich Ländersache, Reformen werden so deutlich erschwert.
Breiter Appell vor dem Bildungsgipfel
"Die unsystematische Verflechtung der politischen Ebenen erfordert komplexe Abstimmungen, sowohl zwischen Bund, Ländern, Kommunen und den jeweils beteiligten Ressorts", kritisiert auch ein breites Bündnis aus 50 Stiftungen, Verbänden und Gewerkschaften, das sich im Vorfeld des Bildungsgipfels mit einem Aufruf an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten wendet. Der Appell liegt dem stern vor.
Das Bündnis fordert darin, dass Scholz das Thema Bildung zur Chefsache macht und einen "Neustart in der Bildung" einleitet. Fehlende Kita-Plätze, die hohe Zahl von Jugendlichen ohne Schulabschluss und die weiterhin hohe Abhängigkeit von Bildungserfolgen von der sozialen Herkunft seien nur einige der Alarmsignale, die schnelles und umfassendes Handeln erforderlich machten.
Eines der Kernprobleme sei der Personalmangel an Schulen und Kitas, so die Unterstützenden des Appells, mit all seinen Folgen: Unterrichtsausfälle und sinkende Qualität der Bildung. Ein weiterer Kritikpunkt am Status quo sei die Finanzierung des Bildungssystems, die "noch immer zu oft nach dem Gießkannenprinzip" erfolge.
Das Bündnis sieht durch die Defizite im deutschen Bildungssektor "sowohl die Chancen und Rechte jedes einzelnen jungen Menschen als auch die Zukunft unserer Wirtschaft, Gesellschaft und Demokratie" gefährdet.
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Konkrete Forderungen erheben die Stiftungen, Verbände und Gewerkschaften in ihrem Appell nicht, vielmehr gehe es ihnen um eine "Initialzündung auf den höchsten politischen Ebenen" in Form eines "echten" Nationalen Bildungsgipfels. "Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder haben das nötige Gewicht, um gemeinsam mit den Bildungs-, Wissenschafts- und Jugendministerinnen und -ministern von Bund und Ländern, Vertreterinnen und Vertretern aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, aus Wirtschaft, Wissenschaft, Bildungspraxis, Zivilgesellschaft sowie von Eltern und Schülerinnen und Schülern zusammenzubringen", heißt es in dem Aufruf. "Dabei müssen sich alle relevanten Akteurinnen und Akteure auf gemeinsame Ziele sowie geeignete Maßnahmen verbindlich einigen und darauf hinwirken, diese in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung pragmatisch, lösungsorientiert und entschlossen umzusetzen."

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Der Appell wird von insgesamt 50 Institutionen unterstützt, unter anderem vom Bundeselternrat, dem Kinderschutzbund, dem Deutschen Caritasverband, der Diakonie, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, von ver.di, dem Deutschen Lehrerverband, von Unicef und der Bertelsmann-Stiftung. Der Wortlaut des Appells liegt dem stern vor.