"Omas for Future" "Wenn wir Älteren nicht ins Boot kommen, hat die Jugend keine Chance!"

Zukunft: Bild von Frau mit Weltkarte in Herzform
Früher dachte Cordula Weimann (65), dass die Jugend für ihre Zukunft kämpfen muss. Seit 2019 mobilisiert die Unternehmerin aus Leipzig mit ihrer "Omas for Future"-Bewegung auch die ältere Bevölkerung
© Wolfgang Schmid
Sie kämpft für eine lebenswerte Zukunft, deshalb hat Unternehmerin Cordula Weimann, 65, die Bewegung "Omas for Future" gegründet. 

Als ich realisiert habe, wie schlimm die Klimakrise ist und dass ein Handeln dringend geboten ist, habe ich anfangs immer noch gedacht: "Das ist nicht meine Aufgabe. Das muss die Jugend übernehmen, die muss für ihre Zukunft demonstrieren." Große Bewegungen gehen immer von der Jugend aus, so war das schon immer. Deshalb war ich sehr froh, als die "Fridays for Future"-Bewegung entstand: "Jetzt ist die Jugend am Start!", dachte ich. "Jetzt läuft’s". Ich selbst fühlte mich nach wie vor nicht verantwortlich. 

Aber dann erzählte mir jemand, dass die Fridays alleine nicht genug bewegen können, weil nicht die Jugend in der Politik entscheidet, sondern die überwiegend alte Bevölkerung. Da verstand ich: Wenn wir Älteren nicht ins Boot kommen, hat die Jugend keine Chance! 

Und dann gab es diesen einen Moment bei einem Spaziergang mit meinem damals dreijährigen Enkel, der mich sehr nachdenklich gemacht hat. Wir waren an einem kleinen Kanal und schauten auf die blau schimmernden großen Libellen, die über dem Wasser schwebten. Er schaute sie so glücklich an. Und mir wurde klar, dass er davon ausgeht, dass es in der Natur immer so schön wäre. Plötzlich fühlte ich mich schuldig. Als ob ich ihn belüge, wenn ich ihm diese Natur zeige, ohne etwas dafür zu tun, dass sie heil bleibt. Mir wurde klar, dass ich aus Liebe zu meinen Kindern und Enkelkindern endlich aktiv werden muss. Und dass es nicht reicht, wenn nur ich alleine mein Verhalten verändere. Ich musste andere Menschen in meinem Alter bewegen. Vor allem die Frauen! Frauen über 50 machen in Deutschland mehr als ein Viertel der Bevölkerung aus. Diese Frauen wollte ich erreichen.

Plötzlich wieder fulltime

So kam ich 2019 auf die Idee, parallel zur "Fridays for Future"-Bewegung eine "Omas for Future"-Bewegung zu gründen. Und dann wurde ich von der Entwicklung fast überrollt. Nach einem ersten Artikel über meine Idee meldeten sich 25 Frauen bundesweit, die mitmachen wollten. Also hatte ich plötzlich wieder einen Fulltime-Job – obwohl ich mich eigentlich gerade entschieden hatte, beruflich mal ein bisschen kürzerzutreten. Ich war Unternehmerin im Bereich Gebäudesanierung, jahrelang hatten Beruf und Familie an der ersten Stelle gestanden und mein Plan war gewesen, dass ich mir jetzt endlich mehr Zeit für mich nehme.

Doch dafür hatte ich jetzt keine Zeit mehr. Um die "Omas für Future" nach vorne zu bringen, habe ich viel gelesen und recherchiert, Infomaterial zusammengestellt, Regionalgruppen-Gründungen begleitet und Anträge auf Fördermittel ausgefüllt. Ich wurde zu Interviews eingeladen, war im Fernsehen, habe mich mit vielen Menschen ausgetauscht. Mittlerweile haben wir fast 100 aktive Gruppen.

In Zukunft zufriedener und gesünder

Die intensive Beschäftigung mit dem Klima- und Umweltschutz hat mich auch privat verändert. Ich ernähre mich seitdem gesünder, koche mit frischen und regionalen Zutaten, esse kaum noch Fleisch und Fisch und wenn, dann nur in Bio-Qualität und nicht aus Aquakulturen. Ich bewege mich täglich, lasse das Auto häufiger stehen, erledige viel mit dem ÖPNV, dem Fahrrad oder zu Fuß. Ich fliege nicht mehr, reise mit dem Zug. Meine Kleidung kaufe ich nur noch Secondhand und ich repariere auch wieder viel mehr. Meine Einstellung zu den Dingen hat sich grundlegend geändert. Ich gehe viel wertschätzender und sorgfältiger mit ihnen um. 

Gregor Peter Schmitz mit den Buchstaben GPS

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2019 hat Cordula Weimann die Bewegung „Omas für Future“ gegründet. In ihrem Buch "Omas for Future: Handeln! Aus Liebe zum Leben" (Scorpio Verlag, 240 Seiten, 20 Euro) beschreibt sie, warum der Einsatz für unsere Erde glücklich macht. 

Und ich spüre, wie gut mir das tut. Das ist die wohl wichtigste Erkenntnis aus den letzten fünf Jahren. Dass Klimaschutz nicht Verzicht bedeutet und dass dabei nicht nur darum geht, die nachfolgenden Generationen zu unterstützen. Ursprünglich hatte ich gedacht: Ich mache das nur meinem Enkel zuliebe. Doch im Laufe der Zeit habe ich gemerkt: Ich tue auch mir damit einen großen Gefallen. Wenn ich mich klimafreundlich verhalte, bin ich zufriedener und gesünder. Umgekehrt gilt das Gleiche. 

Das kann man gut im jährlichen "World Happiness Report" nachlesen, auf den ich irgendwann aufmerksam geworden bin. Darin zeigt sich nämlich immer wieder, dass Menschen zufriedener sind, wenn sie in einer lebenswerten Umwelt leben – mit viel Grün und wenig Autos, mit Orten der Begegnung. Kopenhagen zum Beispiel landet jedes Jahr auf einem der Spitzenplätze, weil die Stadtplaner hier seit langer Zeit konsequent den Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht das Auto. So steigt die Zufriedenheit und nebenbei wird das Klima geschützt. 

Deutschland rangiert in diesem Report immer noch ziemlich weit hinten im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Wir können von unseren Nachbarn noch viel lernen. Aber ich habe die Hoffnung, dass wir nicht ewig hinterherhinken. Dass es auch in Deutschland immer mehr Menschen geben wird, die sich lebenswerte Umwelt einsetzen – und damit auch für eine gute Zukunft für die, die nach uns kommen.