#outinchurch Kirche ändert Arbeitsrecht – was queere Katholiken daran loben und was sie "skandalös" finden

Rainer Teuber ist Leiter für Museumspädagogik und Besucherservice des Essener Domschatzes. Und er ist Mitinitiator der #outinchurch-Initiative. 
Rainer Teuber ist Leiter für Museumspädagogik und Besucherservice des Essener Domschatzes. Und er ist Mitinitiator der #outinchurch-Initiative. 
© rbb/EyeOpeningMedia
Die katholische Kirche stärkt die Rechte ihrer queeren Mitarbeiter. Die Initiative #outinchurch hatte sich öffentlichkeitswirksam dafür stark gemacht. Sie sieht in den Änderungen einen Teilerfolg. Aber auch Knackpunkte. 

Seit Langem schon steht das Arbeitsrecht der katholischen Kirche in der Kritik. Jetzt tut sich was. Die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) hat am Dienstag eine Neufassung mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen. Damit möchte die katholische Kirche insbesondere die Rechte ihrer queeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärken.

Denn wer sich bislang als Priester, Religionslehrerin, Jugendleiterin oder Pfleger als schwul, lesbisch, bi oder trans outet, riskiert damit seinen Job. Was von der heterosexuellen Liebe zwischen Mann und Frau abweicht, entspricht nicht der Moral- und Sittenlehre der katholischen Kirche. Versteckspiele und psychischer Druck sind die Folge. 

Eine, die das erlebt hat, ist Monika Schmelter. Die Theologin hat lange in leitender Position bei der Caritas gearbeitet. Ihre Frau war Religionslehrerin. Heute sind beide im Ruhestand und Teil der Initiative #outinchurch, die sich öffentlichkeitswirksam für queere Menschen in der katholischen Kirche einsetzt. 

"Queere Menschen haben etwas Kostbares und Gottgewolltes in diese Kirche einzubringen"

"Ich habe über 40 Jahre unter der strengen Sexualmoral der Kirche gelitten und existentielle Ängste ausgestanden, meinen Arbeitsplatz zu verlieren, einschließlich sehr unangenehmer und grenzüberschreitender, mein Privatleben durchleuchtender Gespräche mit Vorgesetzten. Das ist entwürdigend!", sagt Schmelter. "Das wünsche ich niemandem, weil es unglaublich belastend ist. Mir wären viel Leid, viel Angst und viele Sorgen erspart geblieben, wenn diese längst überfällige Änderung schon früher gekommen wäre."

Zwei Frauen sitzen nebeneinander auf Stühlen
Monika Schmelter (l.), Theologin und lange in leitender Position bei der Caritas, und Marie Kortenbusch, pensionierte Religionslehrerin, sind seit über 40 Jahren ein Paar. Ihre Liebe versteckten sie jahrzehntelang.
© rbb/EyeOpeningMedia

Deshalb freue sie sich besonders für junge queere Menschen über diese Liberalisierung. Was sie jedoch ärgert: "Wenn ich von Bischöfen höre, diese Änderung wäre auch notwendig, weil sonst zukünftig in den kirchlichen Arbeitsfeldern die Mitarbeiter*innen ausblieben. Das ist für mich scheinheilig." Schmelter will, dass die Bischöfe begreifen: "Queere Menschen haben etwas Kostbares und Gottgewolltes in diese Kirche einzubringen. Alles andere hat für mich mit der Botschaft und Haltung dieses Jesus von Nazareth nichts zu tun!"

Welche Änderungen die katholische Kirche jetzt anstößt

Mit Versteckspielen und Ängsten, die Monika Schmelter erleben musste, soll jetzt Schluss sein. "Explizit wie nie zuvor wird Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen als Bereicherung anerkannt", schreibt die Deutsche Bischofskonferenz über ihre neue "Grundordnung des kirchlichen Dienstes". 

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Rainer Teuber von der Initiative #outinchurch sagt: "Nach einem ersten Durchlesen können wir sagen: Es ist ein Paradigmenwechsel zu erkennen. Die Loyalität gegenüber der Kirche soll jetzt nicht mehr bis in die persönliche Lebensgestaltung und das Beziehungsleben hineingehen. Diskriminierung soll keinen Platz mehr haben in der Arbeitswelt der Kirche." Aufgrund dieser Diskriminierung und aus Angst um seinen Job als Museumspädagoge im Essener Dom hatte auch Rainer Teuber seine Beziehung lange geheim gehalten. Teuber ist schwul und Katholik und macht sich für Veränderungen in seiner Kirche stark. Er begrüßt, dass homosexuelle Menschen, solche in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften sowie Geschiedene nicht mehr sanktioniert werden sollen. Eine Akzentverschiebung sei auf jeden Fall erkennbar.

Es bleiben einige Unsicherheiten

"So viel des Lobes", sagt Teuber an dieser Stelle, denn es gebe auch Knackpunkte. Einer sei der Begriff der sexuellen Identität. Die Bischöfe berufen sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. "Transsexuelle und intergeschlechtliche Menschen werden in dem Papier der Kirche nicht explizit erwähnt. Nach der Auffassung der Kirche gibt es nur zwei Geschlechter: Mann und Frau." Wenn sich die Kirche in ihrer Auslegung also bei der sexuellen Identität auf heterosexuelle und gleichgeschlechtliche Liebe beschränkt, Trans- und non-binäre Menschen zum Beispiel aber nicht mitdenkt, werde es weiterhin Diskriminierung geben.

Als weiteren Knackpunkt sieht die Initiative #outinchurch die Formulierung: "kirchenfeindliche Betätigung". Eine solche kann zu Sanktionen führen. "Ursprünglich war einmal von "Verhalten" die Rede, jetzt ist es eine "Betätigung". Aber was genau heißt das?", fragt Teuber. "Ist es schon eine kirchenfeindliche Betätigung, wenn ich jetzt mit Ihnen spreche und Kritik an der Geschlechterauffassung der Kirche übe?"

Zusammenfassend und selbstbewusst sagt Teuber: "Wir sehen die Vorlage als Teilerfolg, den wir zu großen Teilen unserer Aktion auf die Fahne schreiben. Der Druck hat etwas bewirkt." Die Initiative #outinchurch tritt medienwirksam auf mit ihrer Forderung einer "Kirche ohne Angst". Beteiligte waren auch in der ARD-Doku "Wie Gott uns schuf – Coming out in der Katholischen Kirche" zu sehen, die dem Thema Anfang des Jahres zusätzliche Aufmerksamkeit verlieh (der stern berichtete).

Wie und wo diese "Kirche ohne Angst" tatsächlich gelebt werden wird, bleibt aktuell noch offen. Denn der Beschluss der Vollversammlung des VDD ist lediglich eine Empfehlung. Um rechtswirksam zu werden, muss er in den 27 einzelnen (Erz-)Bistümern in diözesanes Recht umgesetzt werden. In fünf Jahren will die Kirche die Änderungen bewerten.

"Es wird Bistümer geben, in denen sich nichts, aber auch gar nichts ändern wird"

Monika Schmelter findet diese individuelle Umsetzung "skandalös". Im Klartext heiße das: "Es wird Bistümer geben, in denen sich nichts, aber auch gar nichts ändern wird. Dort kann menschenverachtend weiter – so wie in der Vergangenheit – agiert werden. Das darf nicht sein!" Sie fordert: "Die Macht eines Bischofs über Menschen muss begrenzt werden." Sie stelle sich ohnehin immer häufiger die Frage, warum es überhaupt noch neben dem staatlichen ein eigenes kirchliches Sonderrecht geben müsse. 

Sowohl Schmelter als auch Teuber sagen, dass sie in den kommenden Jahren genau hinsehen werden, inwiefern die Diskriminierung wirklich ein Ende haben wird. Und es wird nicht die einzige Aufgabe von #outinchurch sein. Sieben Kernforderungen hat die Initiative aufgestellt, darunter die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Teuber sagt: "Hier haben wir zum Beispiel noch einen langen Weg vor uns."