Fabian Fiechters Foto-Reportage nimmt in Versionen aus der "Neuen Zürcher Zeitung" und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in den Kategorien "Investigation" und "Geschichte des Jahres" am Nannen Preis Wettbewerb 2021 teil.
Wuhan, New York, Bergamo, Südamerika – zu Beginn der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 waren deutschsprachige Zeitungen und Magazine voll von dramatischen Bildern der eskalierenden Pandemie. Nur zu Berichten über die Lage hierzulande druckten die Blätter fast ausschließlich Symbolbilder: Außenansichten von Krankenhaus-Bauten oder verschwommene Aufnahmen von Flügeltüren zu Intensivstationen. Entsprechend vage blieb damals der mediale Eindruck der Lage. So, als sei die Gefahr noch weit weg.
Fabian Fiechter wusste aus erster Hand, dass das nicht stimmte. Als Pfleger auf der Intensivstation des Universitätsspitals im schweizerischen Basel erlebte er mit, wie die Zahl von Covid-Infizierten mit schweren Verläufen stetig wuchs – und wie die Belastung für ihn und seine Kolleg:innen unaufhörlich stieg. Dem Lörracher, der nicht nur ausgebildeter Intensivpflegefachmann, sondern auch professioneller Fotojournalist ist, war bald klar: "Solange es keine Bilder gibt, werden die Leute draußen nicht verstehen, was bei uns los ist. Ohne Bilder glaubt uns das niemand."
Wochenlang verhandelte er mit der Klinikleitung um eine Genehmigung, die Wirklichkeit auf seiner Intensivstation in Covid-Zeiten mit der Kamera dokumentieren zu dürfen. Und bekam sie schließlich – nicht zuletzt wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses, das er als hauseigener Pfleger genoss. Die Bilder, die in den folgenden Monaten nach Ende seiner Schichten entstanden, spiegeln in einer stillen Eindringlichkeit den Alltag im Ausnahmezustand. Die große Belastung der Ärzte und Pflegenden genauso wie ihre große Professionalität.
Fiechters Foto-Dokumentation war mit die erste, die den Alltag derjenigen nahbar und verständlich machte, die zu jener Zeit allabendlich von Balkonen und Fenstern herab beklatscht wurden. Zahlreiche Publikationen druckten seine Bilder, darunter die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die "Neue Zürcher Zeitung". Die Reaktionen reichten von Ablehnung bis Erstaunen. "Viele Menschen haben bis heute ein verzerrtes Bild, was die Pflege angeht", sagt Fiechter. "Sie denken, das ist so wie bei der Schwester Christa aus der Schwarzwaldklinik. Dass auch das Pflegepersonal einen massiven Anteil an der medizinischen Versorgung hat, dass das hochprofessionelle Fachleute sind, machen sich viele nicht klar." Und genau das zeigen seine Bilder: Die bemerkenswerte Ruhe und Routine, mit der seine Kolleg:innen monatelang trotz schwierigster Bedingungen die Pflege aufrecht erhalten haben.
Für unsere Serie zum Nannen Preis Wettbewerb 2021 hat Fabian Fiechter eine Reihe Bilder ausgewählt und dazu die Geschichten hinter den Aufnahmen erzählt. Wir geben sie in seinen eigenen Worten wieder.
Qualitätsjournalismus – wie wird der heutzutage eigentlich gemacht? Wie kommt ein Thema auf? Welche Quellen nutzen Reporter:innen für ihre Recherche? Welche Möglichkeiten bieten neue und traditionelle Medien? Welche Rolle spielt die Presse für eine lebendige, demokratische Gesellschaft? Um diese und andere Fragen zum modernen Journalismus kreist unsere neue Serie zum Wettbewerb um den Nannen Preis 2021, den der stern und das Verlagshaus Gruner + Jahr ausrichten. Im Lauf der kommenden Wochen werden wir hier eine Reihe journalistischer Arbeiten aus dem aktuellen Wettbewerb um die renommierteste Auszeichnung für deutschsprachigen Journalismus näher beleuchten.