Die in Rom versammelten 115 Papst-Wähler haben sich offenkundig in zwei größere Lager gespalten. Dabei handelt es sich nach italienischen Presseberichten um Anhänger und Kritiker des konservativen deutschen Kardinals Joseph Ratzinger (78). "Seine Wahl würde eine Verlängerung der wojtylianischen Regierung bedeuten - ohne das Charisma von Papst Wojtyla", kommentierte die italienische Zeitung "Corriere della Sera". Als "Anti-Ratzinger" wird nach wie vor der frühere Erzbischof von Mailand, Carlo Maria Martini (78), genannt: Er ist seit Jahren die Leitfigur der Reformer innerhalb der katholischen Kirche Italiens.
Ratzinger und Martini gelten zwar als Schlüsselfiguren im Richtungsstreit, nach Klärung der Fronten soll allerdings über andere Kandidaten abgestimmt werden, wie gut informierte Vatikanisten in Rom berichten. "Ratzinger liegt immer noch klar in Führung, aber seinen Unterstützern gelingt es nicht, weitere Zustimmung zu bekommen", schreibt die römische Zeitung "La Repubblica". Gleichzeitig sei die große Gruppe der 20 wahlberechtigten italienischen Kardinäle in sich gespalten. Dennoch gibt es unter ihnen "heiße Favoriten". Zugleich heißt es immer wieder, auch Lateinamerikaner hätten Chancen.
Die Situation sei ähnlich wie 1978, als sich die Italiener spalteten und der damalige Wiener Erzbischof Franz König den polnischen Kandidaten Karol Wojtyla ins Spiel brachte, heißt es.
Kurzes Konklave erwartet
Trotz aller Unstimmigkeiten gehen Vatikankenner aber weiterhin von einem kurzen Konklave aus. Die Wahl findet streng abgeschirmt hinter verschlossenen Türen in der Sixtinischen Kapelle in Rom statt. "In der jüngeren Geschichte gab es rasche Wahlen", schreibt der "Corriere": Pius XII. sei in drei Abstimmungen gewählt worden, Johannes Paul I. in vier, Paul VI. in fünf, Johannes XXIII. in elf und Johannes Paul II. in acht Abstimmungen. "Hoffen wir auf ein kurzes Konklave", sagte der mexikanische Kardinal Norberto Rivera Carrera (62), der zum Kreis der Favoriten gehört.
Aussichtsreiche lateinamerikanische Kandidaten sind ferner der Brasilianer Claudio Hummes (70), Oscar Rodriguez Maradiaga (62) aus Honduras und Dario Castrillon Hoyos (75) aus Kolumbien. Weiterhin werden der Afrikaner Francis Arinze (72) und der Inder Ivan Dias (69) genannt. Viele halten jedoch die Wahl eines Italieners für wahrscheinlicher. Hier wird vor allem auf Dionigi Tettamanzi (71) oder Angelo Scola (63), aber auch Tarcisio Bertone (70) und Severino Poletto (72) getippt. Häufig fällt der Name des Österreichers Christoph Schönborn (60) - er gilt neben dem deutschen Kurienkardinal Walter Kasper (72) allerdings eher als Außenseiter.
Trauerzeit beendet
Die katholische Kirche hat am Samstag ihre offizielle neuntägige Trauerzeit für Papst Johannes Paul II. beendet. Die in Rom versammelten mehr als 130 Kardinäle aus allen Teilen der Welt zur trafem sich zur letzten Kongregationssitzung. Daran nahmen auch die nicht wahlberechtigten Kardinäle über 80 Jahren teil.

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Von diesem Montag an blickt die katholische Welt auf den zwei Meter hohen Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle. Nach einer Messe und einer feierlichen Prozession wird die erste Abstimmung noch am Montagabend erwartet. Eine endgültige Entscheidung träfen die Kardinäle allerdings erst nach Beginn des Konklave, sagte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls. Jeweils nach zwei Abstimmungen soll gegen 12.00 Uhr und 19.00 Uhr Rauch aufsteigen, wenn die Stimmzettel verbrannt werden.
Handwerker hatten am Freitag das Dach der Sixtinischen Kapelle geöffnet und den Kamin errichtet, über den die Welt die Ergebnisse der streng geheimen Wahlgänge erfahren wird: Schwarzer Rauch bedeutet, es wurde kein Pontifex gefunden; weißer Rauch heißt: "habemus papam" (Wir haben einen Papst). Damit wird frühestens Dienstag oder Mittwoch gerechnet.