Parteitag Was eine Linke im Landtag für den Südwesten heißt

Hände schütteln statt Beifall klatschen: Der Landesverband gibt sich achtsam. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Hände schütteln statt Beifall klatschen: Der Landesverband gibt sich achtsam. Foto
© Bernd Weißbrod/dpa
Die Linke auf dem Sprung ins Parlament: Wohin will die Partei, woher kommt der Boom – und was würde sich dadurch im eher konservativen Ländle politisch verändern?

In Ostdeutschland längst fester Bestandteil der politischen Landschaft, fristete die Linke im Südwesten bislang ein Schattendasein. Doch das könnte sich bald ändern: Bei der Landtagswahl 2026 hat die Partei Umfragen zufolge gute Chancen, erstmals in ihrer Geschichte in Baden-Württemberg ins Parlament einzuziehen.

Beim Parteitag in Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen) gab der Landesverband den Startschuss für den Wahlkampf und verabschiedete sein Programm – begleitet von einer spürbaren Aufbruchsstimmung. Doch wer sind die baden-württembergischen Linken überhaupt? Und was haben sie mit dem Land vor?

Wer ist die Linke in Baden-Württemberg?

Die Linke war bisher in Baden-Württemberg stets in der außerparlamentarischen Opposition - und daher kaum im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Sie bietet damit auch jenen eine Stimme, die sich von etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Der Landesverband ist zuletzt gehörig gewachsen - Im laufenden Jahr hat sich die Zahl der Parteimitglieder auf über 10.000 mehr als verdoppelt. Mehr als die Hälfte davon ist nach Angaben des Landesverbands jünger als 30 Jahre. 

Auch die Umfragewerte geben Rückenwind. Besonders in studentisch geprägten Städten wie Freiburg oder Heidelberg gilt die Linke als solide verankert.

Woher kommt der Linken-Boom?

Bundesweit erlebt die Partei derzeit einen deutlichen Zulauf – getragen von gesellschaftlicher Unzufriedenheit, wachsender sozialer Ungleichheit und der Wohnungsnot in vielen Städten. Wenn SPD, Grüne oder CDU Erwartungen enttäuschen, profitieren davon sowohl die Linke als auch die AfD – zwei Pole einer Proteststimmung im Land.

Zusätzlichen Schwung brachte der Niedergang des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW). Zugleich gelang es der Co-Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Heidi Reichinnek, über soziale Medien besonders junge Wählerinnen und Wähler zu erreichen.

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Diese Dynamik überträgt sich auch auf Baden-Württemberg: In Umfragen liegt die Partei im Südwesten aktuell bei rund sieben Prozent und könnte damit erstmals die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. Parteichef Jan van Aken zeigt sich auf dem Parteitag selbstbewusst: "Ich bin überzeugt, wir reißen die zehn Prozent."

Mit welchen Themen will die Linke in den Landtag kommen? 

Im Zentrum steht das Thema Wohnen. Die Linke will entschieden gegen Mietwucher, Leerstand und Wohnungsnot vorgehen. Kernforderungen sind eine umfassende Reform des Mietrechts, stärkere Rechte für Mieterinnen und Mieter sowie der Bau von jährlich 20.000 neuen, gemeinwohlorientierten Sozialwohnungen. "Mieten sind zum Umverteilungswerkzeug von unten nach oben geworden", sagt Amelie Vollmer, die auf Platz zwei der Landesliste kandidiert. 

Parteichef van Aken spricht gar von einer kriminellen "Miet-Mafia". Stuttgart, Freiburg und Heidelberg zählten zu den teuersten Städten Deutschlands, kritisiert er. "Gleichzeitig hat Baden-Württemberg am wenigsten Sozialwohnungen im ganzen Land." 

Daneben kämpft die Partei gegen Krankenhausprivatisierungen und für eine kostenlose Ganztagsbetreuung. Ihr Wahlkampfmotto: "Menschen zuerst".

Was macht die Linke aus?

Die Linke unterscheidet sich in nicht nur im Inhalt, sondern auch in Ton und Kultur deutlich von den anderen Parteien. Inklusion und Achtsamkeit werden großgeschrieben. So diskutieren die rund 150 Delegierten beim Parteitag in Leinfelden-Echterdingen eine halbe Stunde lang darüber, ob der Applaus zu laut sei – einige entscheiden sich schließlich, nicht mehr zu klatschen, sondern durch Händeschütteln und Winken ihre Zustimmung zu zeigen. Das Achtsamkeitsteam verteilt zudem Gehörschutz.

Aber es weht auch ein wenig revolutionärer Geist durch die Filderhalle. Statt eines Spitzenkandidaten zieht die Partei mit einem weiblichen Trio in den Wahlkampf – drei junge Frauen, die ihre kämpferische Rede gemeinsam halten. Am Ende der Rede reckt der ganze Saal die Faust in den Himmel und brüllt den Schlachtruf gegen rechts: "Alerta! Alerta! Antifascista!" ("Achtung, Antifaschisten!")

Wenn die Linken-Abgeordneten erst im Landtag sitzen, wollen sie ihre Amtszeiten begrenzen und ihre Gehälter auf das Durchschnittsgehalt deckeln. Auch Bundeschef van Aken hat sein Gehalt nach eigenen Angaben auf unter 3.000 Euro begrenzt. 

Wer sind die drei jungen Frauen?

Auf Platz eins bis drei der Landesliste stehen Kim Sophie Bohnen (26, Heidelberg), Amelie Vollmer (22, Offenburg) und Mersedeh Ghazaei (28, Stuttgart). Bohnen ist gelernte Bankkauffrau - und wählte den Weg in die Politik nach eigenen Worten nach einem Schlüsselerlebnis mit einer weinenden Rentnerin am Bankschalter, die nicht wusste, wie sie den nächsten Einkauf zahlen soll. Ihr Schwerpunktthema sind die hohen Mieten. 

Vollmer kandidierte bereits 2021 als damals jüngste Kandidatin für die Landtagswahl, sie bespielt unter anderem das Thema Gesundheit. Ghazaei komplettiert das Trio, hat Lehramt studiert und ist für den Bereich Bildung zuständig. 

Was würde ein Landtagseinzug bedeuten?

Ein Einzug der Linken in den Landtag wäre vor allem symbolisch bedeutsam. Neben CDU, Grünen, SPD, AfD – und womöglich der FDP – würde sich das politische Spektrum im Landtag deutlich erweitern. Das könnte Debatten vielfältiger, aber den Parlamentsalltag auch komplexer machen.

Inhaltlich wäre der Einfluss der Linken begrenzt: Koalitionen mit anderen Parteien sind weder wahrscheinlich noch gewollt. Doch gerade in einem konservativ geprägten Bundesland sei eine linke Opposition unverzichtbar, betont Landeschefin Sahra Mirow.

Wenn sie nichts umsetzen können - was haben die Linken dann vor?

Die Partei kann Themen setzen, Anträge einbringen, Ausschüsse mitgestalten und so Debatten anstoßen - klassische Parlamentsarbeit eben. Fragen wie die Mietpreisbremse oder soziale Mindeststandards könnten stärker in den Fokus rücken. Sozialverbände und Gewerkschaften bekämen zudem neue Ansprechpartner im Parlament.

Andere Parteien müssten sich den Diskussionen stellen – genau das wollen die Linken. Man wolle eine lautstarke, unbequeme Opposition sein, sagt Spitzenkandidatin Kim Sophie Bohnen.

Landtagswahlprogrammentwurf

dpa