Autobahnprojekt Kompromiss zur A20 sorgt nicht nur für Jubel

Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) ist ein Fan der Fledermaus. Foto: Frank Molter/dpa
Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) ist ein Fan der Fledermaus. Foto
© Frank Molter/dpa
Nach jahrelangem Streit gibt es einen Kompromiss für den Weiterbau der A20. Warum der Deal für Fledermausschutz nicht alle überzeugt und was Kritiker daran bemängeln.

Zu teurer Deal trotz jahrelanger Blockade oder ein Vorbild für andere wichtige Verkehrsprojekte? Während CDU und Grüne den Durchbruch beim juristischen Gezerre um einen Weiterbau der Autobahn 20 feiern, äußern in einer Aktuellen Stunde des Landtags vor allem Oppositionspolitiker Bedenken.

Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) warf am Ende einer lebendigen Debatte deshalb die Frage auf, was es das Land gekostet hätte, noch weitere fünf oder zehn Jahre auf die Autobahn zu warten. Ende 2009 hatten der damalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und sein Verkehrsminister Jost de Jager (beide CDU) bei Bad Segeberg das bislang letzte Teilstück der sogenannten Küstenautobahn für den Verkehr freigegeben. 2013 stoppte das Bundesverwaltungsgericht den Weiterbau östlich von Bad Segeberg, weil es den Fledermausschutz für nicht ausreichend hielt.

14 Millionen Euro Landesgeld für eine zu gründende Fledermausstiftung seien gut eingesetztes Geld, sagte Madsen. "Am Ende entwickelt man sich zum Fledermausfreund." An Kritiker gerichtet fügte er hinzu, "das sollten wir dann bitte mal auf dem Marktplatz in Bad Segeberg ausdiskutieren". Wenn jeder auf sein Recht poche, gebe es keinen Vergleich. Die Gespräche mit den Umweltverbänden will er fortsetzen.

Vergangene Woche hatten sich das Land und der Umweltverband BUND über mehr Fledermausschutz rund um die Kalkberghöhen in Bad Segeberg geeinigt, die als größtes Fledermaus-Überwinterungsquartier Deutschlands gelten. Eine mit 14 Millionen Euro Kapital ausgestattete Landesstiftung Fledermausschutz soll weitgehenden Schutz für die bedrohten Tiere umsetzen. Im Gegenzug zieht der Umweltverband eine Klage gegen den Weiterbau zurück.

Opposition

Für den SPD-Verkehrspolitiker Niclas Dürbrook taugt der Kompromiss nicht als Vorbild für andere Infrastrukturprojekte. "Jetzt sollen es 14 Millionen sein, die das Land in eine Fledermaus-Stiftung einbringt." Das wären pro Fledermaus rund 500 Euro. "Unbestreitbar ist in diesem Land in der jüngeren Vergangenheit sehr viel mehr Geld für bedeutend weniger sinnvolle Anlässe ausgegeben worden – ich bin sicher, mit diesen 14 Millionen kann viel Gutes für Umwelt- und Artenschutz entstehen."

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"Die Geschichte der A20 ist eine Ansammlung von Pleiten, Pech und Pannen", sagte Dürbrook. Am Ende von Günthers zehnjähriger Amtszeit 2027 werde kein einziger Kilometer weitergebaut sein. Für die Menschen in Bad Segeberg sei die Einigung aber eine gute Nachricht, weil die Situation dort schlimm sei. Zufrieden sei er sich mit der Einigung dennoch nicht: "Das, was wir hier nun haben, ist das Schlechteste aus zwei Welten: bitterlange Verzögerungen und dann ein mehr oder weniger teurer Deal."

FDP-Fraktionschef Christopher Vogt verwies auf die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Ost-West-Verbindung. "Da fehlt einfach etwas in unserer Infrastruktur." Es ginge nicht nur um Fledermäuse, sondern auch um Menschen. Bad Segeberg sei staatlich anerkannter Luftkurzort. In seiner Brust schlügen zwei Herzen: Zwar komme nun Fledermausschutz zur A20-Verlängerung, zum Anschluss an die A7 habe das Land mit den Umweltverbänden aber noch keine Einigung erzielt. Das könne sich noch rächen.

Aus Sicht von Vogt hat Schwarz-Grün eine jahrelange Blockade belohnt. Bei den Planungen weiterer Abschnitte drohten eine Haselmaus- und eine Zwergschwan-Stiftung. Letztlich habe die Regierung am Ende in Verzweiflung das Scheckbuch herausgeholt.

Schwarz-Grün

Der CDU-Verkehrspolitiker Lukas Kilian sprach dagegen von einem Durchbruch, auf den viele Menschen und Unternehmen seit Jahrzehnten warteten. Denn die Geschichte der A20 sei alles andere als ein Ruhmesblatt. "Der Durchbruch ist auch ein historischer Erfolg." Claus Ruhe Madsen werde oft als Minister der guten Laune bezeichnet. "Aber er ist auch ein Minister der Hartnäckigkeit." Politische Entscheidungen müssten wieder in Taten umgesetzt werden. Dennoch räumte auch Kilian ein: "Solche Ausgleichszahlungen sollten nicht die Regel werden."

Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter betonte, in Bad Segeberg lebten gleich sieben Arten der bedrohten Fledermaus. "Sie ist das einzige Säugetier, das bewusst fliegt. Die anderen fallen." In ganz Deutschland gebe es rund zwei Dutzend Arten, jede von ihnen sei vom Aussterben bedroht. "Die Lage ist dramatisch." Der BUND sei Anwalt der Natur. Der Verband habe einen guten Anlass zum Klagen.

"Wir bleiben auch weiterhin von der A20 kein Fan", sagte Petersdotter. Jeder Vergleich sei ein Dilemma und die in Bad Segeberg getroffene Entscheidung keine Blaupause für folgende Entscheidungen. Dennoch dürfe Verkehrsminister Madsen mit Blick auf diese Arten in weiteren Abschnitten "gerne auch Fan von Zwergschwänen und Haselmäusen" werden.

Einigung

Neben der Stiftung sieht die Einigung unter anderem vor, Hangwälder an der Trave und die sehr seltenen Kalktuffquellen zu schützen. Ein Zehntel der erwarteten Baukosten von 465 Millionen Euro für die sogenannte Südumfahrung von Bad Segeberg hängen nach früheren Angaben der Infrastrukturgesellschaft Deges mit Naturschutzbelangen zusammen. Statt bislang mehr 33.300 Fahrzeugen pro Tag, darunter allein 3.000 Lastwagen, würden dank A20 künftig nur noch 13.600 von ihnen über die Bundesstraße 206 mitten durch Bad Segeberg rollen.

dpa