Jörg Renneisen steht auf einer Hebebühne hoch über dem Frankfurter Römerberg und betrachtet "Frau Holle". Hinter ihm: die in Nebel gehüllte Frankfurter Skyline. Vor ihm: die opulente Nordmanntanne. Sattes Grün, dichte Zweige, schöne Form und unzählige leuchtende Lämpchen - der Baumkosmetiker ist zufrieden mit seinem Werk. Und Renneisen muss es wissen. "Frau Holle" ist bereits sein 27. Frankfurter Weihnachtsbaum.
Gemeinsam mit seinem Team hat er "Frau Holle", so der Name des diesjährigen Baums, in den vergangenen Tagen in Form gebracht. Der 55-Jährige setzt auf verschiedene Techniken. Wenn Äste fehlen, die beispielsweise beim Transport kaputtgegangen sind, und um den Baum möglichst dicht wirken zu lassen, werden zusätzliche Äste angebracht. "Diese werden in eine Hülse gesteckt und dann am Stamm verschraubt", erklärt Renneisen und zeigt auf eine Hülse, die versteckt zwischen dem Grün im Baum steckt. Oder da ist die sogenannte Mikado-Technik, bei der die Äste erst in die Hülse gesteckt und dann mit quer liegenden Ästen verbunden und fixiert werden.
35.000 Lichtpunkte
Danach wird der Baum geschmückt. Rund 35.000 Lichtpunkte sollen "Frau Holle" zum Strahlen bringen. Bis zum Ende der Woche werden zudem um die 600 rote und goldene Schleifen angebracht sein. "Wir achten auf eine energiesparende Variante mit LED-Leuchten", sagt Renneisen. Insgesamt verbrauche "Frau Holle" maximal drei kWh (Kilowattstunden). Zum Vergleich: Bei früheren Bäumen waren es auch schon mal 100 kWh.
Renneisen weiß, wovon er spricht. Der Hofheimer ist eigentlich Elektromeister und seit Jahrzehnten für die Stromversorgung des Frankfurter Weihnachtsmarkts zuständig. Dann sei ihm gesagt worden, wenn er den Weihnachtsbaum schon mit Strom versorge, dann könne er diesen auch schmücken.
Zum Baumkosmetiker sei er vor mehreren Jahren gekürt worden: "Damals hatten wir hier einen Weihnachtsbaum, der sah eher aus wie ein Maibaum", erinnert sich Renneisen. Damals hätten sie fünf oder sechs Tage lang nur Äste eingesetzt. "Und seitdem habe ich den Titel Baumkosmetiker."
Wollen Sie nichts mehr vom stern verpassen?
Persönlich, kompetent und unterhaltsam: Chefredakteur Gregor Peter Schmitz sendet Ihnen jeden Mittwoch in einem kostenlosen Newsletter die wichtigsten Inhalte aus der stern-Redaktion und ordnet ein, worüber Deutschland spricht. Hier geht es zur Registrierung.
Renneisens Arbeit beginnt nicht erst auf dem Römerberg, sondern schon viel früher, ab Februar, März. Denn inzwischen beteilige er sich auch an der Suche nach einem geeigneten Baum.
Was zeichnet den idealen Weihnachtsbaum aus?
"Einmal die Form, dass er fast wie eine Pyramide aussieht, und dann, dass er gleichmäßig gewachsen ist." Seitdem er die Bäume mit aussuche, seien diese deutlich besser geworden.
"Frau Holle" ist für Renneisen das Glanzstück seiner Karriere: "Der schönste Baum, muss ich sagen, ist dieser." Das liege auch daran, dass er auf dem Grundstück frei gestanden und sich frei habe entfalten können.
Der rund 9,5 Tonnen schwere Baum stammt aus Schöllkrippen in Unterfranken kurz hinter der hessischen Grenze. Genauer gesagt aus dem Garten der Familie Kruse. Der Baum sei mit 31 Metern einfach zu hoch geworden, hat Michael Kruse beim Aufstellen des Baums gesagt. Auf dem Weihnachtsmarkt habe er einen Nutzen. "Hier erfreut er noch die Leute."
Familie will aus gekürztem Stamm Bank bauen
Hinterher soll "Frau Holle" noch in eine Werkstatt kommen, wo mit dem Holz gearbeitet wird. Nachdem die Tanne gefällt worden war, wurde sie noch um zwei Meter gekürzt. Von dem Holz will sich Familie Kruse eine Bank bauen lassen - damit noch etwas vom Baum bleibt.
Bei Baumkosmetiker Renneisen ist derweil schon die nächste Generation am Start: "Mein Sohn ist jetzt 24 und er ist im Prinzip von klein auf, seit er laufen kann, immer mit dabei." Er sei da mit hineingewachsen, sagt Hendrik Renneisen, der ebenfalls Elektromeister ist und im Team mitarbeitet. Er schätzte vor allem die Arbeit an der frischen Luft. "Das ist kein Bürojob und es wird nicht langweilig."
Und welche Voraussetzung brauche man neben der fachlichen Expertise als Baumkosmetiker? Man müsse schwindelfrei sein und recht abgehärtet, sagt Vater Jörg Renneisen. "Wir sind hier draußen, auch wenn es regnet und schneit." Er kann dem Job nach all den Jahren noch viel abgewinnen: Wenn man hochfahre und bei klarem Wetter die Skyline sehe, "das ist einmalig".