Debatte über Handyverbot Grundschulen sollen Handys verbannen

Die Details der Handyregeln sollen die Schulen in Niedersachsen und Hamburg selbst festlegen. Foto: Shireen Broszies/dpa
Die Details der Handyregeln sollen die Schulen in Niedersachsen und Hamburg selbst festlegen. Foto
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Mit Smartphone-Führerschein und Social-Media-Sprechstunden: Wie sich die Länder Niedersachsen und Hamburg den künftigen Umgang mit Handys an den Schulen vorstellen.

Ein pauschales Handyverbot kommt nicht, aber: Die Schulen in Niedersachsen und Hamburg werden aufgefordert, binnen eines Jahres verbindliche Regeln zur Nutzung von Smartphones und Smartwatches festzulegen – im Dialog mit den Eltern und Schülern.

Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg wirbt dabei für einen insbesondere an den Grundschulen restriktiven Kurs. "Kein Kind braucht in der Grundschule ein Handy", sagte die Grünen-Politikerin. Die Empfehlung laute dezidiert, keine Handys in der Grundschule zu erlauben.

Mögliche Ausnahmen können sich die beiden Länder etwa für Smartwatches im Flugmodus vorstellen. An den weiterführenden Schulen bräuchten die Kinder und Jugendlichen zudem Möglichkeiten, um sich in einem geschützten Rahmen mit den digitalen Geräten ausprobieren zu können, hieß es. 

Helfen sollen dabei etwa ein optionaler Smartphone-Führerschein für die Jahrgänge 6 und 7 sowie Social-Media-Sprechstunden an den Schulen. Die Lehrkräfte erhalten dafür Vorschläge, wie sie Unterrichtseinheiten zu Themen wie Algorithmen, Fake News und Cybermobbing gestalten können.

Schulen sollen Details im Dialog erarbeiten

Auf starre landesweite Regeln verzichten Niedersachsen und Hamburg dagegen bewusst, um die Schulen mit Eltern und Schülern in den Austausch zu bringen – das soll die Akzeptanz der Regeln steigern. Die Details sollen die Schulen aber selbst festlegen. Nur dass sie sich Regeln geben, ist die klare Erwartung. "Wir weisen die Schulen heute an, dass sie alle eine Regelung haben müssen", sagte Hamburg. Binnen eines Jahres sollen diese stehen.

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An den Empfehlungen der beiden Länder haben auch Kinderärzte, Neurologen, Psychologen, Pädagogen und Medienwissenschaftler mitgewirkt. So sagte die Göttinger Kinderärztin Tanja Brunnert, es gebe immer mehr Entwicklungsstörungen bei Kindern bei Sprache, Motorik, Konzentration und Schlafverhalten. 

"Wir wissen bei all diesen Problemen, dass einen Zusammenhang mit dem Medienkonsum gibt", sagte Brunnert. "Ein Kind, was nicht sprechen kann, was außer Tiktok keine Sprache spricht, das kann nicht medienkompetent werden." Das betreffe ausdrücklich nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund. Fast jedes vierte Kind habe ein riskantes Mediennutzungsverhalten. 

Eltern fordern attraktive analoge Angebote

Marie Sievers vom Landesschülerrat forderte, die Handynutzung müsse von der gesamten Schulgemeinschaft hinterfragt werden – nicht nur bei den Jugendlichen. "Da müssen alle dran beteiligt werden", sagte die 17-Jährige. Auch viele Eltern hätten den richtigen Umgang mit Social Media und Co. nie gelernt. Die Handreichungen der Länder und der dialogorientierte Ansatz seien daher ein Schritt in die richtige Richtung.

Miriam Kaschel vom Landeselternrat warb dafür, zugleich die analoge Welt der Schulen wieder attraktiver zu machen. "Die Schülerinnen und Schüler verbringen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule, dann sollten wir dort Räume für Bewegung, Erholung und Gespräche schaffen", sagte sie.

Nach Angaben des Kultusministeriums ist es das erste Mal, dass zwei Länder bei der Handynutzung einen gemeinsamen Weg gehen. Weitere Partner fanden sich bislang jedoch nicht. "Wir haben es immer wieder probiert, andere anzusprechen, und sind im Endeffekt jetzt erst mal zu zweit geblieben", sagte Hamburgs Bildungssenatorin Ksenija Bekeris (SPD).

dpa