Nach wirtschaftlich schwachen Jahren zieht die Konjunktur in Thüringen an. "Wir haben gute Zahlen für Thüringen", sagte die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, Gertrud Rosa Traud, in Erfurt. Nach ihrer Prognose wächst Thüringens Wirtschaft in diesem Jahr leicht um 0,6 Prozent, aber deutlich über dem erwarteten Bundestrend von 0,2 Prozent. 2026 sei dann nach der Prognose wieder mit einem soliden Wachstum von 1,8 Prozent zu rechen. "Da wird für Thüringen ein Nachteil zum Vorteil".
Grund für die vergleichsweise positive Entwicklung sei die im Bundesdurchschnitt geringere wirtschaftliche Abhängigkeit Thüringens von Auslandsmärkten. Der Exportanteil der Thüringer Industrie von 36 bis 37 Prozent galt bisher als wirtschaftlicher Nachteil. Angesichts der internationalen Turbulenzen und der negativen Wirkung der US-Zölle auf Exporte erweise sich die im Vergleich mit einigen anderen Bundesländern stärkere Ausrichtung auf den deutschen Markt aber als stabilisierend. "Da hilft die starke Binnenorientierung."
Verbraucher sorgen für Wirtschaftswachstum
Traud erwartet, dass der wirtschaftliche Aufschwung in Thüringen und Deutschland vor allem durch höhere Konsumausgaben der Verbraucher angekurbelt wird. Sie erholten sich zunehmend vom Inflationsschock der vergangenen Jahre und steckten angesichts gestiegener Einkommen wieder mehr Geld in den Konsum. Während in der Vergangenheit der relativ hohe Industrieanteil als stabilisierender Faktor gegolten habe, sei es plötzlich der Dienstleistungsbereich.
Die Volkswirtin der Landesbank erwartet im kommenden Jahr auch ein Ende der Baukrise und eine Belebung des Immobilienmarktes - wahrscheinlich mit steigenden Preisen. Es reiche jedoch nicht aus, dass der Staat investiere, sagte Traud mit Verweis auf die kreditfinanzierten Investitionsprogramme von Bund und Land.
Kein Klein-Klein beim Bürokratieabbau
Wichtig sei, dass in der Wirtschaft wieder Vertrauen in den Standort wachse. "Es ist eine Konjunkturerholung da, aber man kann sie auch schnell wieder abwürgen", warnte sie. Wichtig sei, dass die Energiepreise in Deutschland sinken und Bürokratie abgebaut wird. "Wir brauchen einen echten Bürokratieabbau, nicht das Klein-Klein wie bisher."
Thüringen hatte bereits im ersten Halbjahr ein reales Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent erzielt. Nach Daten der Statistikämter gab es bundesweit kein preisbereinigtes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das den Wert der produzierten Waren und erbrachten Dienstleistungen erfasst. In den fünf ostdeutschen Bundesländern lag das reale Wachstum mit 0,1 Prozent nur knapp darüber.
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Thüringen rangierte nach vorläufigen Berechnungen mit seinem BIP-Wert im vorderen Mittelfeld der Bundesländer. Vor einem Jahr hatte das Bruttoinlandsprodukt im Freistaat mit 1,3 Prozent im Minus gelegen. Vor allem die für Thüringen wichtige Automobilzulieferindustrie, aber auch die Bauwirtschaft hatten Absatzprobleme, die bisher nicht überwunden scheinen. Nach Zahlen des Statistischen Landesamtes gibt es rund eine Million Erwerbstätige im Freistaat.