Fischertag Memmingen Wie eine Fischerfrau eine 426 Jahre alte Tradition durchbricht

  • von Anna Scheld
Christine Renz ist die erste Frau die an den traditionellen Memminger Fischtagen teilnimmt
Christine Renz jubelt und schreit vor Erleichterung über den erfolgreichen Verlauf des Morgens, während ihr Lebenspartner sich hinter ihr im Zelt sachgerecht um die gefangene Forelle kümmert. 2022 durfte sie als erste Frau mitmachen. 
© Anton Vester
Letztes Jahr durfte zum ersten Mal eine Frau in den Memminger Stadtbach springen, um Forellen zu fischen. Damit durchbrach sie eine 426 Jahre alte Tradition der Männer. Am Samstag will sie beim Fischertag wieder mit 1200 Männern fischen.

Am Samstag, 22. Juli, ist es so weit: Am traditionsreichen Fischertag in Memmingen werden 1200 Männer und sie, Christiane Renz, in den Stadtbach springen und fischen. Mit riesigen Keschern, die sie "Bären" nennen. Das Wasser wird spritzen, Forellen werden in Netzen zappeln, die Menge wird jubeln. Und einige werden wohl wieder die Nase rümpfen – über Christiane Renz als einzige Frau.

Memminger Stadtbach
Die Fischer und die eine Fischerin springen ins Wasser und werden von den Zuschauerinnen und Zuschauern angefeuert. Es ist hektisch und rau.
© Anton Vester

Denn normalerweise läuft das nicht so. Bisher durften nur Männer in den Stadtbach "neijucka", wie es hier heißt. Der Ort des Geschehens, Memmingen, liegt im schwäbischen Teil Bayerns, zwischen Allgäu und München. Eine schmucke Altstadt, Kopfsteinpflaster, Fassaden in Pastelltönen. Der Marktplatz strahlt im Mittelalter-Look, die Zeit vergeht hier langsamer als anderswo. Mitten hindurch fließt der Stadtbach, die Memminger Ach, eher Rinnsal als Fluss. Einmal im Jahr springen mehr als 1000 Memminger in das Gewässer, um zu versuchen, die dickste Forelle des Jahres zu fangen. Diesen Satz musste man bisher nicht gendern. Denn nur Männer durften am traditionellen "Fischertag" um den Thron kämpfen – darum, ein Jahr lang Fischerkönig zu sein, bis zum nächsten Fest.