Der Bürgermeister von Somerville (Massachusetts) trat kräftig ins Fettnäpfchen, als er die Bürger zur städtischen Christmas-Party einlud. Denn die darf es in Somerville nicht geben. "Dezember-Party" wäre richtig oder auch "Feiertagsparty", und für diese Bezeichnung entschied sich denn auch das Stadtoberhaupt nach Entschuldigungen für seine Entgleisung.
Allerdings ist der von ihm gewählte Ausdruck auch nicht ganz unproblematisch. Feiertag heißt nämlich in den USA "Holiday", und darin steckt das Wort "holy", was wiederum "heilig" heißt. Besser, auch das nicht in den Mund zu nehmen, beschloss folglich die Public-Relations-Chefin in Wichita (Kansas). Während in San Francisco (Kalifornien) schon seit Jahren zum Fest statt eines städtischen "Christbaums" ein "Feiertagsbaum" prangt, lud sie die Bürger zur Teilnahme am städtischen "Winterfest" mit einem leuchtenden "Gemeindebaum" ein. In Eugene (Oregon) ist sogar der verpönt: Hier verzichtet man lieber ganz auf geschmückte Bäume - sicher ist sicher.
Rücksichtnahme auf Nicht-Christen
Das sind nur wenige Beispiele unter vielen. Gehören zwar 75 Prozent der US-Bevölkerung einem christlichen Glauben an, sind immer mehr Gemeinden bemüht, jeden religiösen Bezug zu den bevorstehenden Feiertagen zu vermeiden. Der Grund: Man will die Angehörigen anderer Glaubensgruppen nicht ausgrenzen. Die Anti-"Christ"-Fest-Bewegung begann vor 20 Jahren, als die Bürgerrechtsbewegung ACLU erstmals vor die Gerichte zog, um mit Hinweis auf die in der Verfassung festgeschriebene Trennung von Kirche und Staat Krippenspiele und -szenen aus Schulen und von öffentlichen Plätzen zu verbannen. Der Erfolg war gemischt: Vielfach wurden die Dispute zu lösen versucht, indem etwa neben der Krippe eine Menora, der siebenarmige Leuchter der Juden, aufgestellt wurde.
Sogar ganz politisch Korrekte räumen mittlerweile ein, dass die Rücksichtnahme auf die Nicht-Christen in den USA inzwischen teilweise grotesk geworden sei. So musste sich in Plano (Texas) ein Kind vor Gericht das Recht erstreiten, die in den USA traditionellen Zuckerstangen in Spazierstockform an seine Klassenkameraden zu verteilen. Die Schulleitung hatte ihm das verboten, weil an den Schleckereien eine "religiöse Botschaft" hing: der Hinweis, dass die Form des Zuckerwerks ein "J" (für Jesus) symbolisiere.
Können viele das Verbot noch nachvollziehen, so nicht die Verbannung von rot-grünen Weihnachtsservietten aus einer anderen Schule in Texas. Oder die Anweisung einer weiteren in Chicago (Illinois): Danach musste im Lied "We wish you a merry Christmas" das Christfest durch "Swinging Holiday" (ungefähr "fröhliches Fest") ersetzt werden. Sogar Rudolph, das Rentier mit der roten Glühnase, fiel extremer Sensibilität zum Opfer: Das populäre Lied wurde aus einem Schulkonzert in Maplewood (New Jersey) gestrichen, weil darin "Christmas Eve", der Heiligabend, vorkommt.
"Rettet das Christfest"
Inzwischen ist unter dem Banner der politischen religiösen Rechten, die in dem "Christ"-Bann nach Ansicht von Kritikern ebenfalls völlig überzogen den Einzug völliger Gott- und Sittenlosigkeit in den USA sieht, eine Gegenkampagne mit dem Motto "Rettet das Christfest" angelaufen. Das Repertoire reicht von Protestkundgebungen, auf denen "Stille Nacht" gesungen wird, bis zu Aufrufen zum Boykott von Läden, die Kunden neutral frohe Feiertage wünschen. Und in der Radioanzeigenserie einer konservativen Gruppe wird versichert: "Es ist o.k., ein frohes Christfest zu wünschen."