Kaum ein Land dieser Welt wird von der Coronakrise verschont. Auch Schweden nicht. Nach Angaben der renommierten Johns-Hopkins-Universität in den USA sind dort bislang mehr als 2000 Infektionen registriert worden. 25 Menschen seien in dem skandinavischen Staat an Covid-19 gestorben.
Doch während Nachbarländer wie Norwegen und Dänemark strenge Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus eingeführt haben, fährt Schweden einen eher laxeren Kurs.
Für EU-Bürger sind die Grenzen weiterhin offen. Die Grundschulen und die Kindergärten sind weiter in Betrieb, alle Läden dürfen geöffnet bleiben. Am Sonntagabend sprach der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven zur Nation. Doch es wurden keine Verschärfungen bekannt gegeben, sondern nur ein Appell, auch wenn er die Situation als ernst beschrieb: "Leben, Gesundheit und Arbeitsplätze sind bedroht. Mehr (Menschen) werden krank werden, mehr müssen sich endgültig von einem geliebten Menschen verabschieden", zitierte der schwedische Sender SVT den Regierungschef.
Gleichzeitig mahnte Löfven, dass kurzfristige, einschneidende Maßnahmen im Land möglich werden könnten, so der dänische Fernsehsender TV2.
Mediziner warnen vor laxem Kurs
Einige Maßnahmen sind in Schweden immerhin schon in Kraft, etwa, dass alle Veranstaltungen mit mehr als 500 Menschen verboten sind. Wer könne, solle von zu Hause aus arbeiten und Reisen unterlassen, berichtet Tagesschau.de. Doch daran scheinen sich nicht alle zu halten.
Im Skiort Sälden wurde nach Angaben der Nachrichtenagentur DPA in den vergangenen Tagen ausgiebig gefeiert. Der Veranstalter versicherte im Fernsehen, dass man sich an die Vorgaben halte und dass zur Après-Ski-Party nicht mehr als 499 Personen eingelassen würden.
Mediziner hätten in der Vergangenheit gewarnt, dass der Wintertourismus im Land dringend eingestellt werden müsse, so Tagesschau.de. Es würden härtere Maßnahmen gefordert. So fragte Björn Olsen, Professor für Infektionsmedizin an der Universität Uppsala, in der Zeitung "Svenska Dagbladet": "Haben wir von den italienischen Alpen nichts darüber gelernt, wie blitzschnell sich das ausbreiten kann?" Trotz der Warnungen wurde am Wochenende weitergefeiert, wie auch die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Die 35.000 Gästebetten im Skiort Åre seien ausgebucht. Bilder der schwedischen Zeitung "Expressen" zeigen volle Gaststätten.
Skiorte reagieren auf Kritik
Auf der anderen Seite der Grenze, in Norwegen, sind die Skigebiete verwaist. Norwegen hat seinen Einwohnern sogar verboten, zu ihren Hütten zu fahren, weil die medizinische Hilfe dort nicht gewährleistet sei. Doch die Kommune Åre weist darauf hin, dass man keine rechtlichen Möglichkeiten hätte, Skigebiete so zu schließen, wie man es im Nachbarland getan hat. Die Behörden würden aber eng zusammenarbeiten.
Inzwischen zeigt die massive Kritik an ausschweifenden Après-Ski-Partys offenbar Wirkung. Mehrere Restaurants und Clubs in den Skigebieten hätten am Wochenende ihren Betrieb eingestellt, so die DPA.
Auf der Webseite der Nachtclubs Bygget und After Skin in Åre hieß es am Samstag: "Da der Schwerpunkt im Kampf gegen Infektionen nun darauf liegt, dass sich Menschen nicht in Innenräumen versammeln, sehen wir keine andere Maßnahme als diese. Das ist die härteste Zeit, die wir und unsere Branche je erlebt haben." Auch in Sälen und Idre hätten die Nachtclubs zugemacht, berichtet SVT.
Åre meldet mehrere Infektionen mit Coronavirus
Doch die Reaktion könnte zu spät kommen. Wie SVT weiter berichtet, sind in der Region Jämtland 54 Menschen positiv auf das Virus Sars-CoV-2 getestet worden – 15 davon in Åre. Am Freitag erst wurde dort laut "Svenska Dagbladet" der erste Fall bekannt. Der Infektionsschutzarzt Micael Widerström sagte SVT, die Infektion in dem Ort würde von Person zu Person übertragen. Mehrere der Fälle könnten mit Après-Ski-Events in Åre verknüpft werden, so "Sveriges Radio" unter Berufung auf eine Pressesprecherin der Region.
Und es könnte noch schlimmer kommen. Zu Ostern würden viele Skitouristen erwartet, bis zu 17.000, so "Expressen". Viele Stockholmer würden dann zu den rund 600 Kilometer nördlich der Hauptstadt gelegenen Skipisten pilgern, berichtet die dänische Zeitung "Berlingske".
Johan Carlson, Generaldirektor des schwedischen Gesundheitsamtes, betonte, dass Skiausflüge innerhalb Schwedens ein großes Risiko für die Ausbreitung von Infektionen darstellen könnten. Die Zeitung "Expressen" zitiert ihn mit den Worten: "Überlegen Sie, ob die Reise, die Sie unternehmen möchten, wirklich notwendig ist." Sofia Leje von der örtlichen Gesundheitsbehörde warnte bei SVT, Wintersport-Orte wie Åre hätten nicht genügend Kapazitäten, um Tausende erkrankte Touristen zu behandeln.
Am Montag soll die Problematik in den schwedischen Wintersportgebieten nach Angaben mehrerer Medien mit den Gesundheitsbehörden besprochen werden. Dann könnten möglicherweise auch neue, verschärfte Regelungen beschlossen werden.
Quellen: Nachrichtenagentur DPA, SVT, TV2, Åre Kommune, tagesschau.de, "Süddeutsche Zeitung", "Expressen", "Dagens Nyheter", "Svenska Dagbladet", "Sveriges Radio", "Berlingske", Johns-Hopkins-Universität