Die Herbst-Kälte kam über Nacht. Und obwohl heute früh die Sonne schien, war beim ersten Schritt auf die Terrasse klar, dass es bald vorbei sein wird, mit den entspannten Laufrunden bei sommerlich warmen Temperaturen. Zeit, sich eine Alternative zu suchen. Wieder Basketball, einmal die Woche, wie letzten Winter, als der Schnee hoch lag? Spaß machte es allemal, aber der Trainingseffekt war enttäuschend. Wie wäre es mit etwas Neuem? Gerade reden doch alle über Bikram-Yoga. Wie fit und schön sie das Recken und Strecke bei 41 Grad Raumtemperatur gemacht habe.
Totales Neuland für mich. Mein Sport war bisher entweder mit einem Ball - oder ich bin einfach losgerannt. Also, was ist dran am Bikram-Hype?
Wer nach harten wissenschaftlichen Fakten und Studie zu dem populären Sport sucht, merkt schnell, dass kaum etwas zu finden ist. Komisch. Zu diesem Fazit kommt auch Dr. Brian L. Tracey, ein Sport-Wissenschaftler von der Colorado State University.
Also untersuchte er nun mit seinem Team die Wirkung von Bikram-Yoga. Dafür machte er zwei Experimente. Er ließ junge, aber bisher inaktive Erwachsene, die keinerlei Yoga-Erfahrung hatten, für 90 Minuten in einem auf knapp 41 Grad geheizten Raum trainieren. Und zwar dreimal die Woche. Nach zwei Monaten untersuchte er dann die körperlichen Fähigkeiten aller Teilnehmer. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Neu-Sportler zeigten nur leichte Verbesserungen bei Kraft und Muskelkontrolle. Stark verbessert war nur ihr Gleichgewichtsgefühl. Dagegen sank das Gewicht lediglich geringfügig.
Das überraschte sogar den erfahrenen Wissenschaftler. "Um ehrlich zu sein, wir waren sehr erstaunt, wie wenig unsere Teilnehmer abgenommen haben. Denn, wenn man in einem Bikram-Studio ist, fühlt man sich, als würde man sehr hart trainieren." Tracey ergänzt: "Und man muss bedenken, dass unsere Testpersonen vor Beginn der Studie wirklich in schlechter körperlicher Form waren und nicht regelmäßig trainierten. Deswegen hätten wir einen wesentlich höheren Gewichtsverlust erwartet."
In einem zweiten Experiment wurden nun erfahrene Bikram-Yogis untersucht. Während des Trainings wurden ihr Herzschlag, ihre Körpertemperatur und ihr Energie-Verbrauch überwacht. Die so erhaltenen Daten halfen, die enttäuschenden ersten Ergebnisse zu erklären. Während des Trainings stiegen zwar der Herzschlag und die Körpertemperatur stark an, aber es wurden nicht mehr Kalorien verbraucht, wie bei einem schnellen Spaziergang. Männer verbrannten demnach in einer 90 Minuten Sitzung durchschnittlich 460 Kalorien und Frauen etwa 330. Tracey sagt: "Weil die Übungen sehr komplex sind und durch die Hitze , haben Yogis das Gefühl, sie würden hart trainieren." Was das Herz betrifft, scheint dieser Eindruck zu stimmen. Denn, so der Studienleiter, der Herzschlag sei während aller Trainingssitzungen sehr hoch gewesen für die relativ geringe Intensität der Übungen.
Etwas worauf Bikram-Yogis unbedingt achten sollten. Denn da sind sich Wissenschaftler einig, in einem so warmen Raum zu trainieren, ist purer Stress für den Körper. Damit der nicht überhitzt und der Schweiß ausreichend verdunsten kann, sollte die Luftfeuchte in einem Bikram-Raum nicht über 40 Prozent steigen. In der Realität ist das nur sehr schwer zu kontrollieren. So warnt Dr. Kim Allan, vom angesehenen American College of Cardiology, auch vor gefährlicher Überhitzung: "Es ist genauso, als wie wenn man im Hochsommer trainiert, man muss auf seinen Körper besonders achten." Während und nach dem Training ist die Zufuhr von Wasser und Mineralien deswegen von zentraler Bedeutung. Unwohlsein und Krämpfe sind deutliche Warnsignale des Organismus.
Bisher gibt es noch keine aussagekräftigen Untersuchungen, ob Bikram-Yoga eventuell sogar gefährlich sein könnte für Menschen mit Herzkrankheiten. Tracy und auch Allan mahnen auf jeden Fall zu Vorsicht, der stark erhöhte Herzschlag könne bei anfälligen Personen zu gesundheitlichen Problemen führen. Eine Voruntersuchung bei einem Sportmediziner ist deswegen für Untrainierte empfohlen.
Eine weitere Studie zum Bikram-Yoga aus dem Jahr 2013 kam ebenfalls zu dem ernüchternden Ergebnis, dass sich zwar die Beinmuskulatur der Yogis stark verbessert habe - aber sonst kaum gesundheitliche oder Fitness-Effekte nachweisbar gewesen seien. Und noch deutlicher ist das Urteil für "normales" Yoga. Hier kommen Wissenschaftler und Mediziner zu dem eindeutigen Fazit: "Yoga ist vergleichbar mit einem Spaziergang bei etwa 3 km/h und ist keine Aktivität, die dabei hilft, die Gesundheit von Herz- und Kreislauf zu erhalten oder gar zu verbessern."
So bleibt am Ende dann nur die positive Wirkung auf den Kopf. Immerhin. In hektischen Zeiten ist das für viele ein sehr wichtiger Faktor. Die Konzentration auf sich und seinen Körper wirkt positiv. Auch das wurde inzwischen nachgewiesen. Aber ich bin auf der Suche nach etwas anderem. Nach einem Sport, der nicht nur meinen Kopf gesund hält, sondern auch den Rest meines Körpers. Yoga alleine schafft das nicht. Für zwei Sportarten habe ich keine Zeit. Zu viel der Logistik. Also muss die Suche erst Mal weitergehen.