Im Dioxin-Skandal sind im schlimmsten Fall bis zu 150 000 Tonnen Tierfutter mit dem krebserregenden Gift verseucht worden. Die Bundesregierung geht nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa davon aus, dass bis zu 3000 Tonnen Fett mit der hochgiftigen Substanz dem Futter von Legehennen, Mastgeflügel und Schweinen beigemischt wurde. Weiter unklar ist, woher das Dioxin in dem Zusatzfett für Tierfutter stammte und welche Massen an Eiern, Geflügel- und Schweinefleisch belastet sind.
Es seien zwischen dem 12. November und 23. Dezember 2010 sieben verdächtige Lieferungen ermittelt worden, heißt es in einem Bericht des Landwirtschaftsministeriums an den Agrarausschuss im Bundestag, der der dpa vorliegt. Die Ware sei an 25 Futterhersteller in mindestens vier Bundesländer verkauft worden. Lieferungen in EU- Staaten habe es nicht gegeben.
Mehr als 1000 landwirtschaftliche Betriebe sind inzwischen gesperrt. Das verseuchte Fett kann zwischen zwei und zehn Prozent des Tierfutters ausmachen. Daraus lässt sich laut dem Bericht eine Menge von 30 000 bis 150 000 Tonnen Dioxin-verseuchtes Futter hochrechnen.
Die technische Mischfettsäure war von dem Biodieselhersteller Petrotec über den niederländischen Händler Olivet an den Futtermittelhersteller Harles und Jentzsch im schleswig- holsteinischen Uetersen geliefert worden und dort wahrscheinlich durch ein Versehen ins Tierfutter gemischt worden.
Eine Überprüfung der Lieferscheine bei Petrotec im ostfriesischen Emden ergab zunächst keine Anhaltspunkte auf Dioxin, wie eine Sprecherin des Gewerbeaufsichtsamtes Emden sagte. Der Betrieb dürfe Mischfettsäure an die Ölindustrie liefern, nicht jedoch für die Lebensmittel- oder Futterproduktion. Nun würden die Fette auf Dioxin überprüft. Mit Ergebnisse ist frühestens in einer Woche zu rechnen.
Der Futterhersteller stellt neben Futterfetten auch Fette zum Beispiel für die Papierverarbeitung her. Dem Bericht zufolge seien nach Angaben des Futtermittelherstellers die Mischfettsäuren für technische Zwecke vorgesehen gewesen, "aber durch menschliches Versagen in Futterfette eingemischt worden". Gegen dem Hersteller aus Uetersen ermittelt die Staatsanwaltschaft Itzehoe.
Mit Hochdruck versuchen Behörden in den Ländern, das Ausmaß der Gefahr für die Verbraucher zu klären. In Bayern werden mehr als 100 000 Eier überprüft. Ein Großteil der möglicherweise verseuchten Ware sei sichergestellt. Mehr als 20 000 Eier seien aber schon weiterverarbeitet worden.
Nordrhein-Westfalen sperrte am Dienstagabend vorsorglich 139 weitere Betriebe. Das Land veröffentlichte Kennnummern, anhand derer die Verbraucher dioxinbelastete Eier erkennen können. Sie sind jeweils auf die Schale gestempelt.
Die Politik reagiert auf den Skandal mit dem Ruf nach schärferen Vorschriften und höheren Strafen. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) fordert mehr Transparenz über den Verbleib belasteter Eier. "Dazu gehört auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher erfahren können, ob mit Dioxin belastete Eier bei ihrem Lebensmittelhändler verkauft wurden", sagte Aigner den "Ruhr Nachrichten" (Mittwoch).
Bisher drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, wenn Lebens- oder Futtermittel mit gesundheitsschädlichen oder verbotenen Zusätzen versehen werden.
Die Grünen im Bundestag fordern eine bessere Abstimmung der Bundesländer. "Das heißt ein einheitliches Vorgehen der Bundesländer mit der Priorität auf Verbraucherschutz", sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn.
Verbraucherschützer des Landes Niedersachsen haben nach eigenen Angaben eine "außerordentlich hohe" Dioxin-Belastung des in den Handel gelangten Tierfutters festgestellt. In einer Probe seien 123 Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Fett ermittelt worden. Bernhard Aue, beim Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (Laves) für die Futtermittelüberwachung zuständig, sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung": "Das ist ein außerordentlich hoher Wert." Von Teilen des Futters, das mindestens 15 Hersteller an Landwirte in Niedersachsen verkauft haben, gehe ein "erhebliches Kontaminationsrisiko" für Lebensmittel aus.