Alle elf Minuten stellt irgendwo in Deutschland ein Arzt die Diagnose "Mammakarzinom". Das sind 48000 Fälle jährlich. 18 000 Frauen pro Jahr sterben an Brustkrebs, alle 29 Minuten eine. Die Statistik zeigt, dass Deutschland im Kampf gegen das gefährliche Leiden schlecht abschneidet. In den Niederlanden, Großbritannien und Skandinavien ist die Sterblichkeit an Brustkrebs seit Anfang der neunziger Jahre um bis zu 30 Prozent gesunken - bei uns blieb sie gleich.
Bei der Diagnostik liefern deutsche Mediziner statt Wertarbeit Kuddelmuddel. So schlagen sie oft blinden Alarm: Jährlich werden wegen voreiliger Krebsdiagnosen etwa 100000 unnötige Operationen ausgeführt. Gleichzeitig übersehen Ärzte oft bösartige Geschwulste.
Schätzungsweise 4000 Frauen pro Jahr sterben deshalb. "Es darf nicht sein, dass ich jeden Tag einige Patientinnen mit zwei Zentimeter großen Tumoren operiere, weil die Diagnosen viel zu spät gestellt wurden", sagt Manfred Kaufmann, gynäkologischer Chefarzt am Frankfurter Uniklinikum. Das Debakel hat Gründe. Bislang zahlten die Krankenkassen für Frauen ab 30 lediglich die Tastuntersuchung der Brust. Doch Mini-Knoten sind nicht oder nur schwierig zu spüren. Findet sich Auffälliges, sind die Knoten häufig bereits so groß, dass Heilung nicht leicht ist.
Genauer ist die Mammografie. Die jedoch übernahmen die Kassen - bis zum Anfang dieses Jahres - lediglich bei konkretem Krankheitsverdacht. In den Ländern, die uns voraus sind, wurde die Methode vor Jahren als regelmäßige Reihenuntersuchung eingeführt. Jetzt endlich zieht Deutschland nach. Bis 2005 soll allmählich flächendeckend ein Mammografie-Screening eingeführt werden, bei dem Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr alle zwei Jahre in spezialisierte Zentren eingeladen werden. Dafür müssen noch rund 5000 Experten qualifiziert werden.
Bislang sind viele Mediziner nicht ausreichend ausgebildet, interpretieren Bilder falsch und hantieren mit veralteten Geräten. Deshalb ermutigt Professor Kaufmann dazu, den Doktoren kritische Fragen zu stellen. Etwa: Wie viele Mammografien werden gemacht und befundet? Nur wer zirka 3000, besser noch 5000 Aufnahmen im Jahr ausführt und sieht, kann Qualität liefern.
Anika Geisler