Neue Studie Warum die schnelle Ausbreitung von Omikron ein Grund für (vorsichtigen) Optimismus sein könnte

Röntgenbild einer Lunge
Eine Infektion mit dem Coronavirus kann die Lunge stark schädigen.
© Channel Partners / Picture Alliance
Omikron breitet sich rasend schnell aus und könnte Delta bald als vorherrschende Corona-Variante ablösen. Warum das möglicherweise sogar eine gute Nachricht ist, zeigen neue Studienergebnisse zum Krankheitsverlauf.

Die Omikron-Infektionszahlen steigen weiter unermüdlich. Inzwischen werden der neuen Corona-Variante 30.325 Fälle zugeordnet (Stand 3.1.), Tendenz steigend. Schon bald, da sind sich Experten einig, wird sie Delta als vorherrschende Variante ablösen. In Dänemark beispielsweise ist das längst der Fall. Und das könnte eine gute Nachricht sein. Denn obwohl der Peak der aktuellen Welle in Deutschland wohl noch nicht erreicht ist, macht sich unter Experten bereits ein vorsichtiger Optimismus breit. Und Gesundheitsminister Karl Lauterbach sprach bei der ZDF-Silvestershow gar von einem "Licht am Ende des Tunnels". 

Schließlich mehren sich die Hinweise darauf, dass sich Omikron zwar wesentlich schneller verbreitet als Delta, aber eben auch weniger schwere Fälle verursacht. Eine Erklärung, warum das so ist, bietet die Studie eines Forscherteams aus den USA und Japan, welche bisher erst als Preprint veröffentlicht wurde. Demnach könnte des Rätsels Lösung in der Lunge zu finden sein.

Mildere Verläufe nach Omikron-Infektion 

Für die Untersuchung infizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Mäuse und Hamster mit verschiedenen Varianten des Coronavirus. Dabei stellten sie fest, dass die Tiere, die mit Omikron infiziert worden waren, im Schnitt mildere Symptome aufwiesen, weniger Gewicht verloren und seltener starben als die Vergleichstiere.

Für eine Überraschung sorgten die Goldhamster. Eine Corona-Infektion sei bisher bei Versuchstieren dieser Art fast immer schwer verlaufen. Die Omikron-Infektion steckten sie hingegen vergleichsweise gut weg, beobachtet wurden lediglich milde Verläufe. Gegenüber der "New York Times" (NYT) betonte Michael Diamond von der Washington Universität in St. Louis und Mitautor der Studie: "Das war überraschend, da jede andere Variante die Hamster stark infiziert hat." 

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Wie kann das sein? Eine Antwort könnten die Experten in Nase und Lunge der Tiere gefunden haben. Denn Omikron scheint sich mehr als frühere Varianten auf die oberen Atemwege zu konzentrieren. So war die gemessene Viruslast in den Nasen der Hamster zwar ebenso hoch wie bei Tieren, die mit anderen Corona-Varianten infiziert waren. Dafür aber konnten die Wissenschaftler sehr viel weniger Virus in den Lungen nachweisen – nur etwa ein Zehntel der Menge im Vergleich zu anderen Varianten. In dem Zusammenhang wurde auch eine geringere Schädigung der Lunge beobachtet. Zu beachten ist bei diesen Ergebnissen, dass die Studie noch nicht von unabhängigen Experten geprüft wurde. Zudem handelt sich um eine Studie an Tieren, nicht an Menschen.

Eine Forschergruppe der Universität Hongkong hatte außerdem bereits Mitte Dezember Studienergebnisse vorgelegt, wonach sich Omikron wohl auch in menschlichem Lungengewebe langsamer verbreite als andere Corona-Varianten – laut den Ergebnissen bis zu zehnmal langsamer. Mit zwölf entnommenen Gewebeproben handelte es sich jedoch um eine sehr kleine Untersuchung. Um die Daten zu festigen, sind weitere Studien notwendig. 

Hat Omikron weniger Zell-Grip?

Coronaviren breiten sich in der Regel von den oberen Atemwegen über den Mundraum in den Rachen bis in die Lunge aus. Gefährlich wird eine Infektion meist erst, wenn es das Virus bis in die Lunge schafft, wo es in der Folge zu schweren entzündlichen Reaktionen und Schädigungen bis hin zu akutem Lungenversagen kommen kann.

Warum die Lunge von der Omikron-Variante wohl weitgehend verschont bleibt, ist noch unklar. Es gibt aber bereits erste Thesen. So könnte die Antwort im Protein TMPRSS2 liegen. Dieses ist auf der Oberfläche vieler Lungenzellen zu finden. Wissenschaftler um Ranvindra Gupta, Virologe an der University of Cambridge, hatten in einer Laborstudie – ebenfalls mit Tieren – festgestellt, dass die Delta-Variante sehr gut darin war, solche Lungenzellen zu infizieren, Omikron aber nicht.

Demnach hafte Omikron möglicherweise weniger gut an diesen Zellen. Ein Ergebnis, auf das unabhängig von Guptas Team auch eine Forschergruppe der Universität Glasgow gekommen war. Ebenfalls ein Hinweis könnte sein, dass das Protein in den Zellen der oberen Atemwegen, also dort wo Omikron sich sehr leicht verbreitet, so gut wie nicht zu finden ist. Auch hier sind aber noch weitere Studien für stichhaltige Aussagen notwendig.

Vorsicht vor zu viel Euphorie

All diese Hinweise sind dennoch kein Grund in Euphorie zu verfallen. Denn selbst im Best-Case-Szenario werden die kommenden Wochen eine Herausforderung – schon auf Grund der schieren Menge an zu erwartenden Infektionen und der vergleichsweise großen Impflücke im Land. Es sei zu befürchten, dass es in Deutschland "zu einer weiteren Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle kommen" werde, schätzt das Robert Koch-Institut (RKI) in seiner aktuellen Risikobewertung. 

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Gestützt wird diese Einschätzung durch aktuelle Zahlen aus den USA und Großbritannien, wo viele Hospitalisierungen derzeit auf einen Mangel an Personal treffen. "Vielleicht sollte jeder, der 'Omikron ist mild" und 'kein Grund zur Sorge' vorangetrieben hat, gefeuert werden", twitterte am Montag der US-Epidemiologe Eric Feigl-Ding in Bezug auf die Entwicklungen. Es handele sich um eine Situation, die sich weltweit wiederholen werde, wenn Omikron nicht gestoppt werde.

Wichtig sei daher, empfiehlt auch das RKI, die Infektionszahlen nachhaltig zu senken, beispielsweise durch die Reduktion von Kontakten sowie das Einhalten der altbewährten Abstandsregeln. Weitere Bausteine sind das Schließen der Impflücke und die Booster-Impfungen.  

Quelle: Studie 1, Studie 2, Studie 3Charite, NYT, RKI

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