Die WM 2006 war eine gute Gelegenheit - und Münchner Ärzte ergriffen sie: Mediziner des Universitätsklinikums München-Großhadern untersuchten, ob die Einsätze der deutschen Nationalmannschaft das Risiko von Herzbeschwerden bei den Fans erhöhte. Und tatsächlich zeigte die Auswertung von Notarzteinsätzen ein deutlich höheres Risiko für Herzinfarkt oder Rhythmusstörungen. Ihre Studie wurde im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht. Die Mediziner sehen den emotionalen Stress während des Zuschauens als Auslöser der Beschwerden.
Die Uniklinik hatte die Notarztprotokolle von Kliniken, Boden- und Luftrettung aus München und Umgebung während der WM-Spiele der deutschen Nationalelf ausgewertet, diese auf Deutschland hochgerechnet und mit Zahlen von 2003 und 2005 verglichen. Die Zahl der mit Herzproblemen eingelieferten Fälle war demnach an Spieltagen der Nationalmannschaft fast drei Mal so hoch, wie an Tagen ohne Klinsmanns Kicker. Die meisten Notfälle seien in den Stunden rund um den Anpfiff und bei besonders dramatischen Spielen aufgetreten. Das Zusehen beim Kampf um Ball und Tore ist für Männer deutlich gefährlicher, ergänzt die Gruppe um Ute Wilbert-Lampen. Bei ihnen steigt das Risiko auf das 3,26-Fache, bei Frauen auf das 1,82-Fache. Gesunde müssten sich aber keine Sorgen machen. Ihr Risiko, an einem Spieltag Herzprobleme zu bekommen, liege bei etwa drei zu 100.000, sagte Gerhard Steinbeck vom Klinikum Großhadern.
Die Sanitäter in den WM-Stadien rückten während eines Spiels durchschnittlich 100 Mal aus, um Spielern oder Zuschauern zu helfen. Das waren laut Deutschem Rotem Kreuz doppelt so viele Einsätze wie bei einem Bundesligaspiel. Herz-Kreislauf-Beschwerden kamen am häufigsten vor. Fünf Prozent der Patienten mussten ins Krankenhaus gebracht werden.
Die Briten beim Elfmeterschießen
Englische Forscher berichteten bereits vor einigen Jahren im "British Medical Journal" über den Zusammenhang von Fußballgucken und Herzproblemen. Die Ärzte hatten ausgewertet, wie viele Patienten während der WM 1998 mit der Diagnose Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert wurden. England schied damals im Elfmeterschießen gegen Argentinien aus. Am Tag der Niederlage, sowie an den zwei folgenden, kamen 25 Prozent mehr Infarktpatienten ins Krankenhaus als gewöhnlich.
Mediziner sehen durch diese Untersuchungen die These bestätigt, dass stressige Ereignisse einen Infarkt auslösen können. Konsequenzen für Fußballer und Fans hatte die britische Untersuchung indes nicht - und wird sicher auch die Münchner Studie nicht haben. Abgesehen davon, dass mancher Elfmeterschütze vor dem Tor vielleicht noch etwas nervöser wird, falls er bedenkt, dass nicht nur das Spiel, sondern auch manches Leben von seinem Schuss abhängt.