In Peru ist wegen eines ungewöhnlichen Anstiegs von Fällen des Guillain-Barré-Syndroms der Gesundheitsnotstand ausgerufen worden, wie der stern berichtete. Wie es zu der seltenen Nervenkrankheit kommt und welche Symptome typisch sind. Ein Überblick:
Was ist das Guillain-Barré-Syndrom?
Beim Guillain-Barré-Syndrom handelt es sich um eine seltene Nervenkrankheit. Das Immunsystem des Körpers greift dabei Teile des peripheren Nervensystems an – ein Netzwerk von Nerven außerhalb von Hirn und Rückenmark, informiert die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC. Das Immunsystem greift die Myelinscheide, welche die Nerven umschließt, an – sie ermöglicht eine schnelle Übertragung von Nervensignalen. Manchmal wird zusätzlich oder stattdessen auch der Teil des Nervs angegriffen, der die Signale übermittelt. Die Folge: Nervenfasern können keine Reize mehr übertragen und die Muskeln können nicht mehr auf die Befehle des Gehirns reagieren.
Die Schwere der Krankheit kann sehr stark variieren von milden Verläufen mit kurzzeitiger Schwäche bis hin zu Fällen mit Lähmungen. Die Symptome können sich innerhalb von Stunden rasch verstärken, weshalb Betroffene sofort in einem Krankenhaus behandelt werden sollten. In den meisten Fällen können sich Patient:innen aber auch nach einem sehr schweren Fällen wieder erholen.
Welche Symptome treten auf?
Oft beginnt das Guillain-Barré-Syndrom mit einem Kribbeln und einem Schwächegefühl, welches in beiden Füßen oder Beinen beginnt. Bei manchen Menschen treten erste Symptome auch im Gesicht oder den Armen auf. Vor allem bei Kindern fängt es häufig mit Schmerzen an, die in den Beinen oder im Rücken beginnen, informiert das National Institute of Neurological Disorders and Stroke. In den USA erkranken laut CDC schätzungsweise 3000 bis 6000 Meschen jährlich am Guillain-Barré-Syndrom. Sie beschreiben folgende Symptome:
- Veränderte Empfindungen: Durch die Schädigungen der Nerven erhält das Gehirn abnormale Signale. Diese können dazu führen, dass Patient:innen ein Gefühl wahrnehmen, welches sich so anfühlt als krabbelten Insekten unter der Haut entlang.
- Schwäche: Reflexe sind bei Betroffenen abgeschwächt.
- Stechende Schmerzen in Händen und Füßen, die vor allem nachts ausgeprägt sein können.
Weitere mögliche Beschwerden:
- Schwierigkeiten beim Sprechen, Schlucken oder Kauen
- Koordinationsprobleme
- Beeinträchtigung des Herzschlages und/oder des Blutdrucks
- Probleme mit der Verdauung
- Probleme bei der Kontrolle der Blase
- Starke Atemprobleme: Bei fünf bis zehn Prozent der Erkrankten ist eine künstliche Beatmung erforderlich, informiert das MSD-Manual.
Wer ein leichtes Kribbeln in Zehen oder Fingern spürt, dass sich nicht ausbreitet und sich nicht zu verschlimmern scheint, sollte dies ärztlich abklären lassen. Bei den folgenden Symptomen oder einer Verschlechterung sollte die Notaufnahme aufgesucht werden:
- Kribbeln, das von den Zehen oder Füßen ausgeht und sich im ganzen Körper verbreitet
- Kribbeln und Schwäche, die sich sehr schnell über den ganzen Körper ausbreitet
- Schwierigkeiten beim Luftholen oder Kurzatmigkeit im Liegen
- Verschlucken von Speichel
Wie entsteht das Guillain-Barré-Syndrom?
Warum genau das Guillain-Barré-Syndrom entsteht, ist bis heute nicht vollständig geklärt. In der Regel tritt die Nervenkrankheit aber einige Tage oder Wochen nach einer Infektion auf. Laut CDC litten zwei Drittel der Menschen mit dem Guillain-Barré-Syndrom vor dem Auftreten unter Durchfall oder Atemwegserkrankungen. Nach einer Grippe, Covid-19, einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus oder dem Zika-Virus kann sich das Syndrom auch entwickeln.
Was feststeht: Das Immunsystem greift beim Guillain-Barré-Syndrom den eigenen Körper an – es könnte sein, dass dieser Immunangriff als Kampf gegen ein Virus oder Bakterien begonnen hat, und einige den Nervenzellen ähneln. Der Körper greift fälschlicherweise auch diese an. Es handelt sich also um eine Autoimmunerkrankung.
Kann man das Guillain-Barré-Syndrom nach einer Impfung bekommen?
In sehr seltenen Fällen könne eine Impfung das Risiko für das Guillain-Barré-Syndrom möglicherweise erhöhen, heißt es vom National Institute of Neurological Disorders and Stroke. Laut CDC kann der Zusammenhang zwischen der saisonalen Grippeimpfung und der Nervenkrankheit von Saison zu Saison variieren. "Wenn ein erhöhtes Risiko festgestellt wurde, lag es stets im Bereich von ein bis zwei zusätzlichen Guillain-Barré-Syndrom-Fällen pro Million verabreichter Grippeimpfstoffdosen." Studien haben auch gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, nach einer Grippeerkrankung ein Guillain-Barré-Syndrom zu entwickeln, höher ist als nach einer Grippeimpfung.
Studien der CDC auf der Grundlange der Daten des Vaccine Safety Datalink (VSD) und des Vaccine Adverse Event Reporting System (VAERS) haben ein erhöhtes Risiko für die Entstehung des Guillain-Barré-Syndroms nach der Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson gefunden. Jedoch nicht bei den Impfstoffen von Moderna und Biontech.
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Wie wird die Nervenkrankheit behandelt?
Je schneller das Guillain-Barré-Syndrom behandelt wird, desto besser ist die Prognose. Die Behandlung im Krankenhaus ist wichtig, da sich die Krankheit rasch ausbreiten kann und es zu Komplikationen wie Muskelschwäche, Lähmungen, Lungenentzündungen, Wundliegen und Atemprobleme kommen kann. Die meisten Patient:innen können sich vollständig erholen, doch bei manchen bleiben Schäden zurück.
Im Krankenhaus werden zwei Methoden zur Behandlung angewendet. Beim Plasmatausch wird ein Teil des Blutes der Patientin oder des Patienten über einen Katheter entnommen. Es wird aufbereitet und die Antikörper, welche die Nerven angegriffen haben, entfernt. Das aufbereitete Plasma wird wieder zurückgeführt. Bei der zweiten Methode werden sogenannte Immungloboline verabreicht. Dies sind Proteine, die das Immunsystem auch selbst herstellt, um infizierende Organismen zu bekämpfen. Diese werden aus Spenden gewonnen. Durch die intravenöse Verabreichung kann der Angriff des Immunsystems abgeschwächt werden.
Geht es Patient:innen nach der Akutbehandlung besser, ist meist eine Rehabilation nötig. Da der ganze Körper betroffen ist, reicht diese von Physiotherapie bis zu Blutverdünnern, die Blutgerinnseln vorbeugen sollen. Die Genesung kann langsam oder unvollständig sein und von wenigen Wochen bis zu Jahren variieren. "Etwa 30 Prozent der Guillain-Barré-Patient:innen haben nach drei Jahren noch eine Restschwäche. Bei etwa drei Prozent der Betroffenen kann es viele Jahre nach dem ersten Anfall zu einem erneuten Auftreten von Muskelschwäche und Kribbelgefühlen kommen. Bei etwa 15 Prozent der Betroffenen bleibt die Schwäche dauerhaft bestehen; einige benötigen möglicherweise eine kontinuierliche Behandlung", schreibt das National Institute of Neurological Disorders and Stroke.
Kann die Krankheit tödlich verlaufen?
Ja, das Guillain-Barré-Syndrom kann in seltenen Fällen tödlich verlaufen. Die durchschnittliche Mortalitätsrate aufgrund dieser Krankheit beträgt zwei Prozent.
Quellen: MSD Manual, CDC, Neurological Disorders and Stroke, Mayo Clinic