Nicht bei allen Menschen, die sich mit Covid-19 infiziert haben, klingen die Symptome direkt nach der Infektion ab. Einige Menschen haben noch wochenlang mit Beschwerden wie Müdigkeit, Konzentrationsstörungen oder Atembeschwerden zu kämpfen. Etwa zehn bis 20 Prozent der Menschen, die sich mit Corona infiziert haben, leiden nach der Erkrankung an mittel- und langfristigen Folgen, wie die Weltgesundheitsorganisation mitteilt. Eine Studie der University of Birmingham, die im Fachblatt "Nature Medicine" erschienen ist, zeigt erneut die große Bandbreite an Long Covid-Symptomen, darunter auch Haarausfall, Erektionsstörungen und ein Libidoverlust.
Die Forschenden analysierten die Gesundheitsdaten von 2,4 Millionen Menschen in Großbritannien. Das Team verglich dabei die Daten von über 486.000 Menschen mit einer bestätigten Covid-19-Infektion mit einer Vergleichsgruppe von mehr als 1,9 Millionen Menschen, die keine Sars-CoV-2-Infektion hatten. Die Infektionen lagen im Zeitraum zwischen Januar 2020 und April 2021. Die Forschenden betrachteten dabei Daten der Personen, die an Sars-CoV-2 erkrankt waren, aber nicht im Krankenhaus behandelt wurden. Dabei fiel ihnen auf, dass die ehemaligen Corona-Patient:innen 62 Symptome deutlich häufiger nannten als die Vergleichsgruppe, die sich nicht mit Corona infiziert hatte. Die Wissenschaftler:innen bildeten drei Symptom-Kategorien: psychische Gesundheit, kognitive Probleme und Atemwegssymptome.
Long Covid: Erektionsstörungen, Haarausfall und Verlust der Libido
Müdigkeit, der Verlust des Geruchssinns, Kurzatmigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten waren die Hauptsymptome, die Long Covid-Patient:innen berichteten, schreiben die Forschenden in ihrer Auswertung. In einer Studie der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC zählten Atemwegsprobleme sowie Muskel- und Skelettschmerzen zu den häufigsten Langzeitproblemen nach einer Corona-Infektion. In anderen Studien und Befragungen wird Erschöpfung als häufigstes Symptom auch Wochen oder Monate nach der überstandenen Corona-Infektion angegeben. Die Wissenschaftler:innen der University of Birmingham stellten in ihrer Untersuchung fest, dass Haarausfall bei den Corona-Infizierten rund viermal so häufig auftrat wie bei den Nicht-Infizierten. Auch von Niesen, Erektionsstörungen und dem Verlust der Libido berichteten Corona-Infizierte öfter als Nicht-Infizierte. Weitere Symptome, die häufig genannt wurden, sind: Gehirnnebel, Fieber, Gliedmaßenschwellungen, Darminkontinenz, Anhedonie (fehlende Freude) sowie Übelkeit und Erbrechen.
"Diese Untersuchung bestätigt, was Patient:innen, Ärzt:innen und politische Entscheidungsträger:innen während der gesamten Pandemie mitgeteilt haben, nämlich dass die Symptome von Long Covid extrem breit gefächert sind und nicht vollständig durch andere Faktoren wie Risikofaktoren des Lebensstils oder chronische Gesundheitszustände erklärt werden können", sagte Studienautor Shamil Haroon in einer Mitteilung zur Studie. Die Erkenntnisse aus der Studie können dabei helfen, neue Leitlinien zur Behandlung von Long Covid zu entwickeln und Patient:innen mit solchen Symptomen besser zu helfen.
Frauen und jüngere Menschen leiden eher unter Corona-Langzeitfolgen
Neben den Symptomen haben die Forschenden auch demografische Gruppen und Verhaltensweisen ermittelt, die ein höheres Risiko haben, Long Covid zu entwickeln. Die Wissenschaftler:innen sagen, dass die Studienergebnisse nahelegen, dass Frauen, jüngere Menschen und "Angehörige schwarzer, gemischter oder anderer ethnischer Gruppen" ein höheres Risiko für Long Covid haben. Ebenso wurden Long Covid-Symptome häufiger von Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Hintergrund, Übergewichtigen, Raucher:innen und Menschen mit verschiedenen Gesundheitsproblemen berichtet.
"Frauen leiden beispielsweise häufiger an Autoimmunerkrankungen. In unserer Studie haben wir gesehen, dass sie auch ein höheres Risiko haben, Long Covid zu entwickeln. Es hat unser Interesse erhöht weiter zu erforschen, ob die Autoimmunität oder andere Ursachen das Risiko für Long Covid bei Frauen erhöhen. Diese Beobachtungen werden dazu beitragen, den Fokus weiter auf die Faktoren einzugrenzen, die diese anhaltenden Symptome nach einer Infektion verursachen können, und wie wir Patient:innen helfen können, die davon betroffen sind", sagte Anuradhaa Subramanian, Hauptautorin der Studie.
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An der Studie hat ein interdisziplinäres Team gearbeitet. "Ich hoffe, unsere Forschung wird auch die Stimmen von Patient:innen weiter validieren und einen Ansatz zur Unterstützung von Reaktionen des Gesundheitswesens auf neue und neu auftretende Krankheiten liefern", so Shamil Haroon.
Quellen:Studie University Of Birmingham, Mitteilung zur Studie, WHO