Menstruations-Exil in Nepal: Aberglaube mit tödlichem Ende | STERN.de

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Saraswati liegt auf einer Trage. Sie kann nicht mehr laufen, hat hohes Fieber und ist ohnmächtig geworden. Der psychische Stress und die Anstrengung der Geburt haben ihr stark zugesetzt. — Chaupadi-Ritual in Nepal

Saraswati liegt auf einer Trage. Sie kann nicht mehr laufen, hat hohes Fieber und ist ohnmächtig geworden. Der psychische Stress und die Anstrengung der Geburt haben ihr stark zugesetzt.

© Poulomi Basu

Der Fotograf Poulomi Basu hat Frauen aufgesucht, die sich im Menstruations-Exil befinden. So will es die "Chaupadi"-Tradition. Erst wenn die Monatsblutung abklingt, dürfen die Frauen zu ihren Familien zurückkehren. In der Zwischenzeit schlafen sie oft unter freiem Himmel oder einfachen Hütten wie dieser. Ranga Hoshi (42, rechts) teilt ihre Unterkunft mit Minu, 14. Dem Fotografen erzählte sie: "Beim ersten Mal bekam ich Fieber. Ich fühlte mich sehr unwohl. Manchmal bekomme ich Essen, manchmal muss ich hungern. Männer verstehen nicht, was eine Menstruation ist. Wie auch? Mit ihren Körpern passiert das nicht." Abgeschnitten von jeder medizinischen Versorgung müssen die Frauen warten. Von ihren Mitmenschen werden sie gemieden.

Kinderehen in Nepal sind üblich. Mädchen gelten als Last für die Familie. Wer kann, verheiratet seine Tochter sehr früh - noch bevor sie ihre Periode bekommen hat. Ein alter Glaube besagt, dass dann die nahen Familienangehörigen in den Himmel kommen. Anjali Kumari Khang ist zwölf Jahre alt. Sie lebt in einem Dorf des Saptari-Bezirks. "Ich bin nicht glücklich. Ich möchte nicht heiraten. Ich hoffe, dass mein Mann einen Job in einer fremden Stadt bekommt. Dann kann ich wieder in das Haus meiner Mutter ziehen und dort so lange bleiben, wie ich möchte."

Devi Ram Dhamala ist 59 Jahre alt. Er arbeitet als traditioneller Heiler. Werden Mädchen während ihrer Periode krank, beginnt Dhamalas Arbeit. Er versucht, die Frauen zu "heilen" und wirkt dabei massiv auf sie ein. Viele Heiler beschimpfen die Mädchen und greifen sie körperlich an, da sie glauben, sie seien von bösen Geistern besessen.

Frauen waschen sich an einem Fluss in Kathmandu, Nepal. Der Prozess der Reinigung soll sie auch von Sünden befreien. Während der Menstruation sind Frauen zu der rituellen Reinigung verpflichtet.

Dhana Devi Majhli ist 29 Jahre alt. Wenn sie ihre Tage hat, darf sie die Toilette ihres Hauses nicht benutzen. Stattdessen geht sie einmal am Tag in den Wald. Häufiger traut sie sich nicht. Aus Angst. "Wenn ich mich im 'Chau' befinde, kommt mich nur selten jemand besuchen. Wenn die Nachbarn vorbeischauen, ist das aber okay."

Basu gibt den Verbannten ein Gesicht, eine Stimme und einen Namen. Saraswati ist 16 Jahre alt und hat vor drei Tagen ein Baby bekommen. Weil sie nach der Geburt blutete, muss sie nun mit ihrem Kind in einem abgeschlossenen dunklen Raum ausharren. 15 Tage lang. Saraswati darf sich nicht waschen. Ihr Essen kocht sie auf einer kleinen Feuerstelle neben ihrem Bett. Der Rauch setzt dem Neugeborenen zu. "Sie hat kaum ein Wort mit mir gesprochen", erinnert sich Fotograf Poulomi Basu. Nach der Geburt hat die 16-Jährige ernsthafte gesundheitliche Probleme bekommen. Ihre Beine sind angeschwollen, sodass sie kaum laufen kann. "Sie leidet unter dem Stress und bricht oft zusammen", so Basu.

Saraswati liegt auf einer Trage. Sie kann nicht mehr laufen, hat hohes Fieber und ist ohnmächtig geworden. Der psychische Stress und die Anstrengung der Geburt haben ihr stark zugesetzt.

In kleinen Hütten - sogenannten Goths - müssen Frauen ihr Exil fristen. Ujjwali, 48, musste in dieser Hütte während ihrer Tage leben. Dem Fotografen erzählte sie: "Die guten Männer verstehen, was die Frauen durchmachen müssen. Für Frauen ist es schlimm, wenn sie nicht in das Haus dürfen. Aber es gibt auch viele Männer, die dumm und ungebildet sind, und es nicht verstehen wollen. Sie schlagen ihre Frauen, beleidigen sie und zwingen sie, außerhalb des Hauses in der Goth zu schlafen. Die gebildeten Männer verstehen das und wollen, dass ihre Frauen im Haus bleiben. Aber meist sind es die Frauen selbst, die andere Frauen aus dem Haus werfen."

Dhana Devi, 40, arbeitet als Sozialarbeiterin für Frauen in einem kleinen Dorf. Auch sie praktiziert "Chaupadi". Gegenüber dem Fotografen erinnert sie sich an ihr erstes Exil: "Ich war 14 Jahre alt, als ich zum ersten Mal im "Chaupadi" war. Meine ältere Schwester sagte mir, dass Götter in unserem Haus lebten und ich sie verärgern würde, wenn ich im Haus bliebe. Sie sagte mir, ich solle im Ziegenstall bleiben. Als meine Mutter das herausfand, sagte sie mir, ich solle für neun Tage weggehen und erst am zehnten Tag zurückkehren. Ich hatte keine Ahnung, wie mir geschah und habe die ganze Zeit geweint."

"Warum bist du hier?", fragte Tanka Thapa den Fotografen. "Noch nie ist jemand zu mir hergekommen, hat sich mit mir unterhalten oder hat Zeit mit mir verbracht." Während ihrer Periode schläft Tanka in einem Wandvorsprung. "Es ist nun ein wenig besser", sagt sie. "Früher habe ich für gewöhnlich im Freien übernachtet, ohne jeglichen Schutz."

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