Was auch immer Ihre persönliche kleine oder große Phobie ist – sie muss Ihnen nicht peinlich sein. Denn eins ist sicher: Merkwürdiger geht's immer. Allein eine Umfrage im hiesigen Kollegenkreis brachte intensive Abneigungen gegen Luftballons, Stadttauben oder Knöpfe zutage. Da kann man sich vorstellen, dass ein Experte auf dem Gebiet erst recht schon alles gehört hat – jemand wie Christine Geschke. Sie betreibt in Hamburg eine Praxis für Psychologie und Paarberatung.
Phobien spielen auch in ihrem Arbeitsalltag eine große Rolle. "Kürzlich hatte ich einen jungen Studenten da, der eine Phobie gegen Sticker hatte", berichtet sie. "Wobei er die Sticker selbst nicht so schlimm fand, eher die Berührung. Die Angst bezog sich auf die Konsequenz – was passieren könnte, wenn er den Sticker anfasst."
Das klingt erst mal ziemlich abwegig. In diesem Fall konnte die Psychologin jedoch eine sehr logisch erscheinende Begründung für diese ungewöhnliche Angst ausmachen: "Wir sind in seine Biografie eingetaucht und haben herausgefunden, dass seine Eltern früher ganz fürchterliche Streits ausgetragen haben, während er Sticker in ein Album einklebte. Sie haben sich dann daraufhin auch getrennt."
Nicht alle Phobien haben konkrete Ursachen
Solch konkrete Erklärungen für Phobien gibt es jedoch nicht immer. "Oft ist es so, dass jemand Konflikte mit sich herumträgt, beispielsweise Zukunftsängste hat", sagt Psychologin Geschke. "Die finden dann im Sinne einer Verschiebung einen Ausdruck, sie werden auf ein Objekt externalisiert. Dem Objekt wird ab da diese Angst zugeschrieben." Grob gesagt: Die Ballons, die Tauben, die Knöpfe – womöglich symbolisieren sie schlicht unsere Zukunftsängste. Denn so können wir ihnen aus dem Weg gehen.
"Man hat auf diese Weise die Kontrolle und kann sich die Angst wortwörtlich vom Leibe halten", sagt Christine Geschke. Rational betrachtet machten viele Phobien keinerlei Sinn, sagt die Psychologin, "es ist eine übersteigerte Reaktion. Aber in sich hat die Angst sehr wohl einen Sinn." Indem man eine konkrete Angst auf ein Objekt überträgt, entfernt man sich nämlich von ihr.
Es gibt dabei zwei unterschiedliche Arten von Angst: "Alte Ängste und aktuelle Ängste". Die Psychologin erklärt, dass oft überängstliche Eltern den Grundstein legen: "In diesem Fall lernt ein Kind ein Angstmodell von seinen Eltern. Wenn es immerzu hört 'Pass auf, sei vorsichtig' oder 'Du darfst das nicht, denn es könnte ja was passieren', dann lernt es über lange Zeit, Angst zu haben. Das manifestiert sich im Gehirn."
Aktuelle Ängste können auch später im Leben auftreten. Die Ursache sind stressige Lebensabschnitte oder traumatische Erlebnisse. In jedem Fall ist eine Behandlung sinnvoll, auch wenn die jeweilige Phobie keine große Einschränkung im Alltag bedeutet. Optimalerweise geht man das schon an, sobald die Phobien sich bemerkbar machen. Im Kindesalter "ist es aber nicht unbedingt nötig, zum Psychologen zu gehen", sagt Christine Geschke. "Da können die Eltern dem Kind eher in einem spielerischen Angang zeigen: Schau mal, das ist gar nicht so schlimm."
Sie rät Eltern, die Ängste der Kinder ernstzunehmen, aber nicht so zu tun, als hätten sie die selbe Angst. "Wenn das Kind spürt, es wird verstanden, hilft das schon mal." Übrigens: Auslachen, Schimpfen oder Argumentieren helfen nicht. "Da Angst ein Gefühl ist, können logische Gegenargumente es nicht reduzieren."
Angst wird durch Gewöhnung weniger
Selbst setzt die Psychologin auf Konfrontationstherapie: "Man verliert die Ansgt, indem man sich dem Stimulus aussetzt", erklärt Christine Geschke. "So kann man die Erfahrung machen, dass das, wovor man Angst hat, nicht schlimm ist. Die Angstreaktion nimmt über die Gewöhnung ab." Was für Phobiker erst einmal furchtbar klingen dürfte, funktioniert aber meist gut: "Bei Phobien sind die Erfolgschancen mit einer Verhaltenstherapie sehr gut." Ein weiterer Rat von Geschke ist darüber hinaus, Entspannungstechniken zu erlernen.
Übrigens hat selbst die Psychologin eine geheime Abneigung: "Bei mir sind es Kakerlaken. Die finde ich richtig schlimm – in Deutschland begegnet man denen zum Glück ja nicht so häufig."
