Seit Beginn der Corona-Pandemie lassen Meldungen von Krankheitsübertragungen von Tier zu Mensch aufhorchen. Unweigerlich kommt die Sorge vor einer neuen Pandemie hoch. Nach eigenen Angaben hat China erst kürzlich die erste Infektion eines Menschen mit dem H3N8-Vogelgrippevirus entdeckt. Durch Mutationen und Vermischungen von Vogelgrippeviren kommt es immer wieder zu neuen Subtypen. Was bedeutet der Fall in China? Und wie können sich Menschen mit der Vogelgrippe anstecken? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist über den Fall in China bekannt?
Ein vierjähriger Junge aus der Provinz Henan wurde positiv auf den H3N8-Vogelgrippevirus getestet, nachdem er Anfang April mit Fieber und anderen Symptomen ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Die Familie des Jungen züchtet zu Hause Hühner und lebt in einem von Wildenten bevölkerten Gebiet. Das Kind habe sich direkt bei den Vögeln angesteckt, erklärte die chinesische Nationale Gesundheitskommission.
Das Virus H3N8 ist seit 2002 im Umlauf und trat erstmals bei nordamerikanischen Wasservögeln auf. 2012 wurde es außerdem für den Tod von mehr als 160 Robben vor der Nordostküste der USA verantwortlich gemacht. Bislang waren Infektionen bei Pferden, Hunden und Robben bekannt. Eine Übertragung auf den Menschen war bisher noch nie nachgewiesen worden.
Ist mit einer weiteren Übertragung von H3N8 zu rechnen?
Keine enge Kontaktperson sei infiziert worden, eine weitreichende Ansteckung von Mensch zu Mensch ist laut Nationaler Gesundheitskommission unwahrscheinlich. Eine erste Bewertung habe ergeben, dass die H3N8-Variante noch nicht in der Lage sei, Menschen effektiv zu infizieren. Das Risiko einer großflächigen Epidemie ist laut der Behörde gering. Die Gesundheitskommission rief die Öffentlichkeit dennoch auf, sich von toten oder kranken Vögeln fernzuhalten.
Was ist die Vogelgrippe genau?
Influenzaviren zirkulieren weltweit in Vögeln. Die Vogelgrippe wird auch als aviäre Influenza bezeichnet. Die Infektion wird durch verschiedene Virus-Stämme des Influenza-Virus Typ A (zum Beispiel H5N1, H7N1 oder auch H3N8) hervorgerufen. Puten und Hühner sind vor allem von der Krankheit betroffen. Aber auch Fasane, Wildvögel, Perlhühner, Tauben und Wasservögel können sich mit der Vogelgrippe anstecken. Infizierte Tiere leiden unter Durchfall, Atembeschwerden und Fieber.
Tiermediziner:innen teilen die Vogelgrippeviren in zwei Gruppen ein: in wenig krankmachende (niedrig pathogene) und stark krankmachende (hoch pathogene) Viren. Die stark krankmachenden Subtypen H5 und H7 der Influenza A-Viren können beispielsweise dafür sorgen, dass es zu großen Schäden von Tierbeständen kommt, informiert das Robert Koch-Institut (RKI). Heißt: Sind einzelne Tiere infiziert, erkranken bereits nach wenigen Tagen fast alle Vögel der Population und sterben an der Vogelgrippe. In solchen besonders schweren Fällen von Vogelgrippe wird deshalb auch von Geflügelpest gesprochen.
Wie wird die Vogelgrippe auf den Menschen übertragen?
Die Übertragung vom Vogel zum Menschen findet vermutlich durch die Inhalation virushaltiger Staubteilchen statt. Ein weiterer Infektionsweg sei der enge Kontakt zu Tieren bei mangelnder Handhygiene. Im Kot der Tiere ist die Virus-Konzentration am höchsten. Laut RKI müssen Menschen vermutlich sehr große Virusmengen aufnehmen, um sich zu infizieren.
Welche Symptome bekommen infizierte Menschen?
Das RKI listet als Symptome bei einer Vogelgrippe beim Menschen folgende Beschwerden auf:
- Fieber
- Husten
- Atemnot
- Halsschmerzen
- Es kann auch zu Erbrechen, Durchfall und Übelkeit kommen.
- Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann sich eine Lungenentzündung entwickeln.
Wie groß ist die Gefahr, sich mit Vogelgrippe anzustecken?
Die Übertragung von Vogelinfluenzaviren vom Tier auf den Menschen ist nicht sehr effektiv. Sie sind für den Menschen also nicht sehr infektiös, informiert das RKI. Bei infizierten Menschen kann es aber zu schweren Erkrankungen kommen und auch tödlich verlaufen.
Wie häufig kommt es zu Übertragungen von Vögeln auf den Menschen?
"Immer wenn Vogelgrippeviren in Geflügel zirkulieren, besteht das Risiko einer sporadischen Infektion und kleiner Häufungen von Fällen beim Menschen aufgrund eines Kontakts gegenüber infiziertem Geflügel oder kontaminierten Umgebungen. Daher sind sporadische Fälle beim Menschen nicht unerwartet", schreibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem wöchentlichen Update zur Vogelgrippe (Stand: 22.4.2022). Seit Januar 2003 wurden laut diesem Bericht weltweit insgesamt 863 Fälle einer Infektion mit Vogelgrippe – ausgelöst durch den H5N1-Virus – dokumentiert. In 455 Fällen verlief die Infektion tödlich. Erst kürzlich wurde in Colorado in den USA ein Fall von Vogelgrippe dokumentiert. Ein Mann unter 40 Jahren hatte sich nach engem Kontakt mit infiziertem Geflügel angesteckt. In seiner Nase wurde der Erreger H5N1 nachgewiesen, Symptome hatte er keine. Zuvor wurde im Januar ein Fall in Großbritannien dokumentiert. Auch diese Infektion mit H5N1 geht auf engen Kontakt mit erkrankten Vögeln zurück.
Einer der größten Geflügelpest-Ausbrüche geht auf den Erreger H7N9 zurück. 2016 und 2017 war vor allem der Osten Chinas betroffen. 300 Menschen starben an der Infektion mit H7N9.
In China gibt es sehr große Populationen von Wildvögeln und auch von verschiedenen Zuchtvögeln, ein ideales Umfeld für Mutationen und Vermischungen von Vogelgrippeviren. In China gibt es daher verschiedene Subtypen der Vogelgrippe, mit einigen der Erregern kommt es zu sporadischen Infektionen. So kam es auch schon in der Vergangenheit dazu, dass ein Erreger beim Menschen nachgewiesen wurde. Im letzten Jahr wurde erstmals der Vogelgrippe-Erreger H10N3 bei einem 41-Jährigen aus China nachgewiesen, wie der stern berichtete.
Könnte es auch zu einer Übertragung der Vogelgrippe von Mensch zu Mensch kommen?
Das RKI informiert darüber, dass es weltweit keine Hinweise für eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung gebe. In einer aktuellen Studie, die im Fachmagazin "Science" veröffentlicht wurde, untersuchen Wissenschaftler:innen der University of Melbourne die aktuelle Infektionswelle bei Vögeln mit der Vogelgrippe. Eine schwer krankmachende Variante von H5N1 führte bereits zu Millionen Todesfällen unter anderem bei Enten und Gänsen.
Die Forschenden schreiben auch dort, dass eine Übertragung der Vogelgrippe von Mensch zu Mensch weitgehend ausgeschlossen sei. Doch schwer krankmachende Vogelgrippeviren seien ein potentielles Pandemie-Risiko. Eine mögliche weitere Anpassung der derzeit grassierenden Virusform könnte seine Fähigkeit für eine effiziente Übertragung zwischen Menschen erhöhen, schreiben die Forschenden. Würde dem Virus eine solche Anpassung gelingen, sei es wie bei Corona praktisch unmöglich, das Virus unter Kontrolle zu bringen. Voraussetzung dafür: Das Virus müsste sich so anpassen, dass es durch die Luft von Mensch zu Mensch übertragbar wäre.