Nach Wuhan-Reise WHO-Bericht im machtpolitischen Minenfeld – Experten bekräftigen These von Corona-Ursprung

Der Huanan Seafood Wholesale Market in Wuhan
Der Huanan Seafood Wholesale Market in Wuhan gilt als Ursprungsort des Coronavirus. In ihrem Bericht schreiben die WHO-Experten, dass sie auf dem Markt keine Beweise für infizierte Tiere gefunden hätten.
© Noel CELIS / AFP
Woher stammt das Coronavirus? Nur, wenn das klar ist, können ähnliche Pandemien in Zukunft verhindert werden. Die Suche ist ein politisches Minenfeld. Ein WHO-Bericht kommt zum Schluss: Das Virus hat seinen Ursprung im Tierreich.

Der Ursprung der weltweiten Coronapandemie liegt aller Wahrscheinlichkeit nach im Tierreich. Diese mehrfach geäußerte These hat am Montag die niederländische Virologin Marion Koopmans als Kernaussage eines Berichts über die Herkunft des Virus bekräftigt. Die Wissenschaftlerin war Teil des Expertenteams, das im Januar und Februar in China im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach Spuren des Virus suchte. Die wahrscheinlichste Route sei, dass das Virus von Fledermäusen über ein anderes Tier auf den Menschen übergegangen sei, sagte Koopmans im niederländischen Rundfunk. Es sei dagegen sehr unwahrscheinlich, dass das Virus aus einem Labor stamme.

Dass Sars-Cov-2 auf dem Weg von der Fledermaus zum Menschen eine andere Tierart als Zwischenwirt nutzte, halten die Autoren des WHO-Berichts, in den die Nachrichtenagentur AFP Einsicht hatte, für "wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich". Um welche Tierart es sich dabei handeln könnte, ließen die Experten offen. In der Forschungsliteratur stehen unter anderem Mardertiere wie Sonnendachse im Verdacht. 

"Alle Hypothesen auf dem Tisch und müssen weiter untersucht werden"

Die Experten des WHO-Teams wollen ihren Abschlussbericht am Dienstag zuerst den 194 WHO-Mitgliedern erläutern und dann veröffentlichen. Einige Medien haben vorab aus Entwürfen zitiert. Die Experten waren unter anderem in Wuhan, wo das Virus erstmals nachgewiesen wurde.

WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus wollte sich am Montag noch nicht zu Einzelheiten äußern. Er betonte aber mehrfach: "Alle Hypothesen sind auf dem Tisch und müssen weiter untersucht werden."

Koopmans wies die Darstellung zurück, dass die Wissenschaftler in China nicht frei hätten arbeiten können. Das hätten sie und das Team nicht so erfahren. "Es ging nun einmal um eine sehr komplexe Untersuchung", sagte Koopmans. Daran seien sehr viele Menschen aus vielen Bereichen beteiligt gewesen. Dann könne man nicht einfach schnell alle Daten erwarten. "So funktioniert das nicht." 

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Spannungen zwischen USA und China wegen Virus-Ursprung

Die WHO-Expertenreise nach China war im geopolitischen Umfeld mit den Spannungen zwischen den USA und China von Anfang an höchst heikel. Der frühere US-Präsident Donald Trump sprach vom "Wuhan-Virus" oder "China-Virus" und warf China vor, die weltweite Ausbreitung nicht rechtzeitig gestoppt zu haben. Peking war deshalb umso mehr darauf bedacht zu verhindern, als Urheber der Pandemie an den Pranger gestellt zu werden. So hat China den Besuch der unabhängigen Experten monatelang hinausgezögert. Um die Teilnehmer und das genaue Arbeitsprogramm wurde ewig gefeilscht.

Team-Leiter Peter Ben Embarek räumte spezielle Arbeitsbedingungen ein. "Die Politik stand immer im Raum", sagte der dänische Wissenschaftler der Zeitschrift "Science". "Wir hatten zwischen 30 und 60 Kollegen, und viele von ihnen waren keine Wissenschaftler, nicht aus dem Bereich öffentliche Gesundheit." Das WHO-Team umfasste 17 Experten, die die Arbeit teils aus dem Ausland unterstützten.

Die etwa ein Dutzend Experten aus verschiedenen Fachrichtungen wie Epidemiologie und Zoologie durften schließlich nach mehrtägiger Verzögerung am 14. Januar 2021 nach China einreisen. Nach einer zweiwöchigen Corona-Quarantäne besuchten sie unter anderem das Institut für Virologie und den Huanan-Tiermarkt und sprachen mit chinesischen Behördenvertretern. Wie die Mission selbst hatte dann aber auch die Vorstellung des Berichts auf sich warten lassen.

Labor-These "extrem unwahrscheinlich"

Das Team hatte zum Ende der Mission Anfang Februar gesagt, es sei "extrem unwahrscheinlich", dass das Virus aus einem Labor in Wuhan entwichen sei. Kritiker argwöhnten, dass dies auf chinesischen Druck hin passierte. In "Science" verteidigte Embarek die Einschätzung. Das Team habe von dritter Seite keine belastbaren Hinweise erhalten, um anderslautende Vermutungen zu stützen. Er fügte hinzu: "Die Tatsache, dass die Hypothese als extrem unwahrscheinlich eingestuft wird, heißt nicht, dass sie unmöglich ist. Wir schließen diese Tür nicht."

Der Bericht bestätigte somit die Einschätzungen, die die von der WHO entsandten Experten bereits bei ihrer Abschlusspressekonferenz in Wuhan am 9. Februar präsentiert hatten. Auf Grundlage der nun vorgelegten Hypothesen müssten weitere Studien vorgenommen werden, hieß es in dem Report.

China pocht darauf, auch in anderen Ländern nach einem möglichen Ursprung des Virus zu suchen. Die Regierung propagiert die These, das Virus könne auch aus dem Ausland über tiefgefrorene Lebensmittel nach China eingeschleppt worden sein. Auf einigen Importprodukten waren Viren gefunden worden. Das hat Embarek aber schon mehrfach als höchst unwahrscheinlich zurückgewiesen. Es stelle sich allenfalls die Frage, ob die Viren über den lokalen Handel mit Tiefkühlprodukten aus Südchina nach Wuhan gebracht wurden, sagte er Mitte Februar. 

Keine Beweise für infizierte Tiere auf Markt in Wuhan gefunden

In ihrem Bericht schreiben die Experten, dass sie auf dem Huanan-Markt, der als Ausgangsort der Pandemie vermutet wird, keine Beweise für infizierte Tiere gefunden hätten. Die Analyse der Lieferketten habe aber weiter nützliche Informationen ergeben, die als Grundlage für weitere gezielte Untersuchungen insbesondere in den Nachbarregionen dienen könnten. Aber auch tierische Produkte, die aus Regionen außerhalb Südostasiens stammten, müssten als Infektionsquelle weiter in Betracht gezogen werden. Der Bericht stuft auch eine direkte Übertragung auf den Menschen als "möglich bis wahrscheinlich" ein.

Inzidenz 0,0 – diese zwei Landkreise sind wieder coronafrei
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© n-tv / DPA
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Ende 2019 wurden die ersten Infektionsfälle im chinesischen Wuhan bekannt. Seitdem haben sich weltweit mehr als 127 Millionen Menschen Behördenangaben zufolge mit Sars-CoV-2 angesteckt; mehr als 2,78 Millionen Infizierte starben. Wegen der Pandemie und neuer gefährlicherer Virus-Mutanten wurden in zahlreichen Ländern Restriktionen verhängt.

DPA · AFP
rw / Christiane Oelrich / Annette Birschel / Agnès Pedrero

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