In Budapest ist die Donau nicht blau, sondern das Wasser schillert silbergrau. Flusskreuzfahrtschiffe haben im Doppelpack am linken Donauufer festgemacht und legen gegen Abend ab. Die "Riverside Debussy" fährt anders als geplant zunächst stromaufwärts, am angestrahlten Parlament vorbei, um zu wenden. Denn weiter südlich bleibt der Fluss wegen Bauarbeiten an der neuen Donau-Brücke bei Mohács gesperrt, ebenso der Hafen. Das Kreuzfahrtteam muss für den dort geplanten Busausflug nach Pécs in Südungarn umdisponieren.
Am nächsten Morgen des neuen Tages glitzern die Handläufe der umklappbaren Reling in der Sonne. Das Schiff gleitet auf der fast reglosen Wasseroberfläche geräuschlos dahin. Nur das Blätterrauschen der Silberpappeln am Ufer ist zu vernehmen. Es gibt kaum Gegenverkehr, kein Dorf ist zu sehen, kein Haus in der Nähe. Die Ruhe des Stroms überträgt sich auf die 42 Passagiere.
Die Donau wird hier nicht von Deichen gesäumt, die den Blick versperren, die Fahrt nicht wie in Deutschland und Österreich durch Schleusen unterbrochen. Dichte Auwälder säumen über Stunden die Ufer. Noch sind es mehr als 500 Flusskilometer bis Belgrad. Durch die Planänderung macht die "Debussy" gegen Mittag statt in Mohács in Baja fest, wo der Bus zum Abstecher nach Pécs wartet.
Von Ungarn nach Serbien
Die fünftgrößte Stadt Ungarns ist typisch für viele Orte entlang der Donau, die meist von Römern gegründet und im Laufe der Geschichte von den Osmanen erobert wurden und später unter die Herrschaft der Habsburger fielen. Die Umwidmung der dortigen Moschee in eine Kirche, nicht weit entfernt von der renovierten Synagoge, ist ein Beispiel für die bewegte Vergangenheit. In Pécs wurde auch der Künstler Victor Vasarely geboren, dem hier ein Museum gewidmet ist.
In der Nacht hat das Schiff im Süden des Landes die Grenze passiert. Jetzt trennt die Donau Serbien auf der linken von Kroatien auf der rechten Seite. Ein Schwarm Kormorane wechselt im Tiefflug die Uferseiten und Länder. Die "Debussy" legt in Vukovar im Osten Kroatiens an, für eine "emotional excursion", wie es in der Ankündigung heißt. Die Kleinstadt stand in den 1990er-Jahren unter Dauerbeschuss der serbischen Truppen. Doch die Gedenkstätten, die an das Massaker von Vukovar erinnern, können wir nicht besuchen, weil die Behörden niemanden von Bord lassen: Formell seien wir schon aus der EU ausgereist. Die Donau ist auch später noch über weite Strecken EU-Außengrenze. Frontex-Boote patrouillieren zwischen Serbien und Rumänien.
Als Alternative organisiert der Kreuzfahrtdirektor am Nachmittag eine Anlandung in Novi Sad, das schon zu Serbien gehört. Die Stadt, deren Bahnhofsdach im November 2024 einstürzte, was landesweite Proteste auslöste, wurde ebenfalls vom Jugoslawienkrieg gezeichnet, als die Nato 1999 eine Raffinerie, Brücken und die Wasserversorgung bombardierte.
Heute ist Novi Sad, das Zentrum der Vojvodina, eine Vielvölker- und Studentenstadt. Beim Rundgang fällt die häufige Beschriftung in kyrillischen Buchstaben auf. Serbisch, Ungarisch, Slowakisch, Kroatisch und Ruthenisch gelten in der autonomen Provinz als die fünf Amtssprachen – ein europaweiter Rekord.
In Belgrad fängt der Balkan an
Die 80 Kilometer bis Belgrad hat die "Debussy" über Nacht zurückgelegt und liegt bereits ab dem Morgengrauen vertäut am Ponton der Save, die in der serbischen Hauptstadt in die Donau mündet. Die Passagiere können den ganzen Tag über auf eigene Faust die Metropole entdecken, den kostenlosen ÖPNV nutzen oder an Führungen teilnehmen.
Die strategisch günstige Lage der "weißen Festung" an zwei Flüssen, so der Name für Belgrad, war schon immer ein Schnittpunkt für den Handel zwischen Mittel- und Südeuropa, zwischen Byzanz und Abendland. Zum Pflichtprogramm gehört der Besuch der monumentalen Belgrader Festung auf dem 50 Meter hohen Kalksporn über dem Save-Delta. Türkische Heere und die der österreich-ungarische Monarchie kämpften jahrhundertelang um die Herrschaft und haben in der Architektur ihre Spuren hinterlassen.
Die Donau mäandert weiter in östliche Richtung und weitet sich kilometerbreit wie die Elbe in ihrer Mündung. Über Nacht hat sich die Landschaft verändert: Die Berge des Banater und Serbischen Gebirges sind bis an den Strom gerückt. Das Handy-Display zeigt im Wechsel serbische und rumänische Anbieter. Mit Donji Milanovac ist die letzte Station in Serbien erreicht, mit Exkursionen zur Festung Golubac am Flussufer und zur Ausgrabungsstätte Lepenski Vir mit Resten einer vor 9000 Jahren entstandenen Siedlung aus dem Mesolithikum.
Einst gefährlichster Flussabschnitt: das Eiserne Tor
Danach folgt der imposanteste Abschnitt der Reise, der Taldurchbruch bis Orșova. Die Donau verengt sich von eineinhalb Kilometern Breite auf 150 Meter. Passagiere und Crew stehen mit gezückten Handys auf dem Vista-Deck. Die "Debussy" ist von den 300 Meter hohen Felswänden wie umzingelt, nur vor dem Bug gibt es einen schmalen Ausweg. Hier ist der Fluss 80 Meter tief. Durch den Bau eines Staudamm- und Schleusensystems in den 1960er-Jahren wurde die Kataraktenstrecke für die Schifffahrt entschärft. Es ist bereits dunkel, als das Schiff nach der eindrucksvollen Passage die erste von zwei Schleusen passiert.
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Am fünften Tag ist mit Vidin am rechten Donauufer ein Ort im äußersten Nordwesten Bulgariens erreicht. Die Uhren müssen um eine Stunde auf osteuropäische Zeit vorgestellt werden. Bei der Busfahrt zur Festung Belogradtschik sind auf den Landstraßen nur selten Fahrzeuge unterwegs. Mitteleuropa liegt auf dem Land in Bulgarien weit weg.
Noch entrückter wird die Natur, als am Nachmittag die "Debussy" wieder Fahrt aufnimmt. Das Stromtal öffnet sich begleitet von sanften Hügeln, bewaldeten Inseln und Heidelandschaft. Am sandigen Uferstreifen liegt gestrandetes Treibholz. Ein Bussard kreist mit ausgebreiteten Schwingen über dem Land. Vor dem Bug scheint am Horizont der Himmel mit der breiten Wasserfläche zu verschmelzen.
Die Reise auf der Wasserstraße endet nach 1150 Kilometern am linken Donauufer im rumänischen Giugi mit einem Transfer nach Bukarest. Denn die restlichen Kilometer bis zum Schwarzen Meer werden aus Sicherheitsgründen von Kreuzfahrtveranstaltern gemieden. Schon vor dem Delta wird die Donau zum Grenzfluss mit der Ukraine, deren Häfen unter Drohnenbeschuss stehen.
Für einige Passagiere hatte die Flussfahrt bereits vor drei Wochen begonnen. Joe und Cathy aus Seattle waren in Amsterdam an Bord gegangen und fanden den Unterlauf des Rheins viel zu industriell besiedelt. "Kein Vergleich zur Donau, die Strecke ab Budapest war das Highlight", sagt Cathy. "Tagelang so viel grüne Natur. Und die Städte sind so reich an alter und neuer Geschichte."
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