"Sex/Life" rockte die Netflix Charts – der Pandemie Sommer 2021 war reif für ein pralles Softsex-Abenteuer. Dieses Mal nicht in besonders diversen Zirkeln angesiedelt, sondern im Traum-Idyll der weißen Mehrheitsgesellschaft. Billie wünschte sich sehnlichst ein Kind, einen guten Mann, der sie weder verlässt noch verletzt und die Ruhe der Vorstadt zur Brut- und Seelenpflege. Jetzt hat sie das alles, und träumt von ihrem alten wilden Alter-Ego, inklusive dem wilden Sex mit "Bad-Boy" Brad. Im Kern ein Drama vieler Frauen, bei Netflix kommt es in der Edel-Variante des Kitschromans. Die Vorstadt punktet mit Landhaus und Bentley, beide Männer sind stinkreich, haben top-definierte Bauchmuskeln und können von Billie nie genug bekommen.
Eine Frau zwischen zwei Männern – ein Thema vieler Produktionen. Bei Sex/Life aber vollgestopft mit heißer Hochglanzerotik. In ARD und ZDF würde die Rundfunkräte der Schlag treffen. Ob in Küche, Fahrstuhl, Bar oder Swimmingpool – überall wird es getrieben. Und zwar aus weiblicher Sicht, hier gehen die Herren vor der Dame auf die Knie und das nicht zu knapp.
Die Serie sucht den Skandal
Die Serie basiert lose auf dem Buch "44 Chapters About 4 Men" und die Autorin BB Easton war deutlich inspiriert von ihrer eigenen Ehe. Mit dem britischen "Telegraph" sprach sie über Fiktion in Serie und Buch und ihrem Leben. Die Serie entfernt sich weit von der Buchvorlage. Kein Problem für Easton. "Netflix sagte: 'Oh mein Gott, wir könnten das Buch nehmen und ein TV-Drama daraus machen', und sie sind dann wirklich in ihre eigene Richtung gegangen." Nur die Grundmotive bleiben gleich, vor allem das wichtigste: Eastons vorehelichen Affären waren tatsächlich wild. "Mein Sexleben vor den Kindern war genauso aufregend, wie man es in der Serie sieht", beteuert sie ihre Sex-Credibility.
Die Serie spiegelt ihr damaliges Leben. Die Mutterschaft ist wunderbar, aber tödlich langweilig. Die Beziehung zu ihrem Mann wandelte sich von einem blühenden Sexleben zu einer gut geölten Wohngemeinschaft. In Buch und Serie zeigt sich der Zwiespalt im Bild der Rivalität von ihren sexuellen Wünschen und ihren stillenden Brüsten. "Als ich das Drehbuch für den Pilotfilm las, fiel mir diese Einstellung auf. Wie zwischen dem Mund von Billies Ehemann an ihren Brustwarzen und dem Mund des Babys an ihren Brustwarzen hin und her geschnitten wurde. Und ich dachte mir: 'Stacy, die Schöpferin der Serie, hat es verstanden. Das ist der Knackpunkt des Buches.'
Filmfigur Billie und Schöpferin Easton beginnen ihre sexuellen Wünsche in einem Tagebuch festzuhalten. In der Serie entdeckt Ehemann Cooper die wilden Fantasien seiner Frau. "Ich habe meinen Mann nie mein Tagebuch lesen sehen. Ich hatte nur einen Verdacht, weil ich eines Abends hörte, wie er mein Laptop zuklappte, und dann fing er an, sich komisch zu verhalten. Und am nächsten Tag hat er mich zu einem Date mitgenommen. Da ich Psychologin bin, beobachtete ich sein Verhalten und erkannte, dass seine Verhaltensänderung in direktem Zusammenhang mit dem stand, was er gerade gelesen hatte. Und ich dachte: 'Das ist erstaunlich – das werde ich weiter machen.'"
Nicht den Ex ins Ehebett holen
Aber anders als Billie versuchte Easton nie, den alten Lover zu reaktivieren. Eine offene Ehe habe sie nie in Betracht gezogen, sagte sie der Zeitung. "Auf keinen Fall." Netflix hat in der Verfilmung an jeder Stelle Gas gegeben, findet Easton und das aus gutem Grund. "Wie können wir den Stoff zur besten, schockierendsten, glaubwürdigsten und wildesten Fernsehserie machen? Und Netflix wusste, dass der beste Weg, dies zu tun, darin bestand, den Ex-Freund in die heutige Situation zu bringen." Der Zuschauer wolle beide in Echtzeit sehen und nicht als Rückblende. Für die Serie sei Sex mit dem Ex "eine brillante Entscheidung. Aber im echten Leben? Keine gute Idee." In der Realität würde sie es auch keiner Frau empfehlen, die Ehe anzuwürzen, in dem sie Ex-Liebhaber ins Spiel bringt. Den aktuellen Lover mit seinen Vorgängern zu vergleichen, würde nur zu Frustrationen führen.
"Für die meisten Frauen wird es besser sein, die Dinge so auszusprechen: 'Das könnte mir Spaß machen' oder 'Ich will das mal ausprobieren' anstatt 'Mein Ex hat das immer mit mir gemacht.' Es fühlt sich nicht gut an, mit jemand anderem verglichen zu werden." Vor einer Illusion will Easton ihre Leserinnen bewahren. Sie habe ihr Leben und ihre Ehe nicht durch Sexakrobatik gerettet, sondern dadurch, dass sie ein Buch veröffentlicht und damit Erfolg hatte. "Wir waren nicht mehr zwei gestresste Personen, die nur versuchten, den Kopf über Wasser zu halten, wir gingen auf Lesungen und zu Signierstunden jedes Wochenende. Das zwang uns dazu, all diese kleinen Wochenendurlaube zusammen zu machen, und wir haben jetzt so viel Spaß. Unser Leben war nicht lustig, bevor dieses Buch kam."
Und das betrifft auch das Sexleben: Auf jeden Fall sei es möglich, in der Ehe wieder guten Sex zu haben, so BB Easton. "Ich denke, das ist der Hauptpunkt des Buches, dass die Liebe immer noch da ist, dass man den Weg zurück zu dieser Leidenschaft finden kann. Man kann es zum Funktionieren bringen, solange der Wunsch, die andere Person glücklich zu machen, noch da ist."
Quelle: Telegraph
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