Die politischen Vorbilder des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Bill Clinton sind zahlreich. John F. Kennedy gehört zu ihnen und Senator William Fulbright, der sich Mitte der 1960er Jahre gegen den Vietnam-Krieg einsetzte. Eine besonders ergiebige Quelle der Inspiration blieb jedoch bis zum Erscheinen der chinesischen Version seiner Autobiographie im Dunkeln: Mao Zedongs rotes Buch, die "Mao-Bibel".
In der chinesischen Ausgabe von "Mein Leben" erstaunt Clinton den Leser mit tiefem Wissen über China, lobpreist die Weisheit des Großen Vorsitzenden Mao und zitiert mehrfach dessen berühmteste Sprüche. Begeistert erzählt er von der Unterhaltung mit einem nicht näher benannten Onkel über Maos Errungenschaften und seiner Bitte, der Onkel möge ihn doch "nach China zum Spielen mitnehmen".
Inhalte umschreiben, um für Chinesen attraktiver zu sein
So steht es schwarz auf weiß – in der ersten gefälschten Übersetzung, die auf dem chinesischen Markt erhältlich ist. Bill Clinton ist nicht das erste Opfer der Buchpiraterie im Reich der Mitte. Bücher werden hier regelmäßig gefälscht und systematisch umgeschrieben, um den Inhalt für Chinesen attraktiver zu gestalten. Trotz der "Zusatzinformationen" kommt "Mein Leben" auf Chinesisch sogar mit halb so vielen Seiten wie das Original aus. Die Untergrundverleger wollen Geld sparen.
Bereits im ersten Satz wartet Clinton mit kulturellen Detailkenntnissen auf: "Die Stadt Hope, in der ich geboren wurde, verfügt über ein sehr gutes Feng Shui." Zudem beeindruckt er den chinesischen Leser durch seine Bewunderung für Mao Zedongs Sprüche wie "Wenn Du den Geschmack der Birne erfahren möchtest, musst Du sie selbst essen." Die Worte, die dem ehemaligen Präsidenten in den Mund gelegt wurden, klingen in westlichen Ohren skurril. Von der Bekanntschaft Hillarys als Student schwärmt er: "Sie war so schön wie eine Prinzessin. Ich sagte ihr, mein Name sei Große Wassermelone."
Politisch sensible Themen bleiben außen vor
Clintons Kommentare zu politisch sensiblen Themen wurden vielfach nicht übernommen. Der Leser erfährt nichts von seinen Menschenrechtsdiskussionen mit Jiang Zemin, dem ehemaligen Staatspräsidenten der Volksrepublik China. Er liest auch kein Wort über einen von Clinton hoch geschätzten Universitätsprofessor, der in China schwere Misshandlungen erlitt. Als sich der damalige Präsident der Vereinigten Staaten bei einem Staatsbesuch in Peking 1998 aufhielt, reflektierte er seine China-Politik der "strategischen Partnerschaft". "Ich ging zu Bett und dachte, dass China vom Drängen der modernen Gesellschaft gezwungen werden würde offener zu werden." Dieser Gedanke wird in der gefälschten Autobiografie ebenfalls nicht erwähnt.
Die von Bill Clintons Verlag Simon & Schuster autorisierte Version ist ab September in China erhältlich. Doch bleibt fraglich, in welchem Ausmaß diese Übersetzung dem Original entsprechen wird. Denn die Verlagsgruppe Yilin, die "Mein Leben" auf den Markt bringen wird, scheute sich bereits im vergangenen Jahr nicht, Hillary Clintons Biografie "Gelebte Geschichte" eigenmächtig an die chinesische Leserschaft "anzupassen". So wurde etwa ein Verweis der früheren First Lady auf den chinesischen Menschenrechtler Harry Wu verwässert. Der Dissident hatte 19 Jahre in einem Arbeitslager verbracht, bevor er in die USA ausreisen durfte.
Die Leser erfuhren nur von einer "der Spionage verdächtigten Person, die auf ihren Prozess wartet". Besorgte Äußerungen Hillary Clintons über die Grausamkeit des Tiananmen-Massakers 1989 während eines Staatsbesuchs in Peking wurden komplett gestrichen. Diese Maßnahmen zur "Erreichung einer noch größeren Rezeptanz", wie der Verlagschef Zhang Zude kommentierte, zogen monatelange, erbitterte Auseinandersetzungen der beiden Verlage nach sich. An der chinesischen Fassung der Biografie hat sich nichts geändert. Allerdings können mittlerweile interessierte Zeitgenossen die fehlenden Textauszüge sowohl in Englisch als auch Chinesisch auf der Homepage von Simon & Schuster nachlesen.