Die britische Fotografin Alys Tomlinson hat über einen Zeitraum von zwei Jahren Menschen mit ihren traditionellen Kostümen und Masken, die bei religiösen Festen und Feiern auf den Inseln der venezianischen Lagune, Siziliens und Sardiniens getragen werden, begleitet und dokumentiert. Besonders die Karwoche, also die im Kirchenjahr letzte Woche der Fasten- und Passionszeit, lag dabei im Fokus der Künstlerin. In dem Buch "Gli Isolani (The Islanders)" arbeitet Tomlinson mit einer großformatigen 5x4-Kamera und greift auf die Bildsprache ihrer früheren Projekte zurück, die den Schwarz-Weiß-Fotografien eine gewisse Zeitlosigkeit verleihen. In der Entstehungsphase des Projekts recherchierte Alys nach eigenen Angaben die Literatur und Poesie, die mit der Geschichte und Kultur der italienischen Inseln verbunden sind, und erforschte Tradition und Identität, alte Mythen, Folklore und Märchen. Auch eine Ausstellung, die von 7. September bis 29. Oktober 2022 bei HackelBury Fine Art in London zu sehen war, widmetet sich diesem Projekt.

Das Buch "Gli Isolani (The Islanders)" von Alys Tomlinson erschien im November 2022 bei GOST Books.
"Zwischen religiösem Kontext und betrunkenen Feiern"
Wie der "Guardian" berichtet, entstanden die meisten der Porträts und Landschaften in den Bergstädten und -dörfern Sardiniens und Siziliens, wo die Teilnehmer oft mit Tierfellen und grotesken Masken durch die Straßen ziehen. Ihre Kostüme gehen demnach Jahrhunderte zurück auf die fantastischen Kreaturen der lokalen Märchen und noch weiter zurück auf vorchristliche Rituale.
"In den Dörfern selbst herrscht keine wirkliche Einigkeit über die Ursprünge der Feste. Aber die verschiedenen Rituale und Traditionen sind alle sehr spezifisch für die Dörfer, in denen sie stattfinden. Sie ziehen Hunderte von Menschen auf die Straßen, und es gibt einen offensichtlichen Zwiespalt zwischen dem religiösen Kontext und den oft ausgelassenen und betrunkenen Feiern", so Tomlinson gegenüber dem "Guardian".
Die Menschen hinter den Masken sind oft sehr junge Männer. Ihr Alltag ist ganz gewöhnlich, aber sie verwandeln sich, wenn sie diese aufwändigen Kostüme anziehen, die in der Regel von ihren Müttern oder Großmüttern handgefertigt und wie Schätze in fast heiligen Krypten aufbewahrt wurden.
(Alys Tomlinson im "Guardian")
Fotografin mit dem Gespür für intime Momente
Alys Tomlinson wurde 1975 geboren und wuchs im südenglischen Urlaubsort Brighton auf. Nach einem Abschluss in englischer Literatur schloss sie in London Studien der Fotografie und Anthropologie ab. Ihr Hauptwerk (Ex-Voto) untersuchte christliche Pilgerstätten in Lourdes (Frankreich), Ballyvourney (Irland) und Grabarka (Polen). Ihre Serie Lost Summer (2020) dokumentierte Londoner Teenager, deren Abschlussbälle in der Zeit der Corona-Pandemie abgesagt wurden. Tomlinson arbeitet auch als Dokumentarfilmerin. Eines ihrer aktuellen Projekte ist der vom Sundance Institute unterstützte Dokumentarfilm "Mother Vera" über eine Pilgerin, die sie für Ex-Voto fotografiert hat. Tomlinson lebt und arbeitet in London.