Auktion mit Aktion Margaret Atwood versucht, ihr eigenes Buch anzuzünden – vergeblich. Genau darum geht es ihr

Margaret Atwood versucht, mit einem Flammenwerfer eine unbrennbare Version ihres Buches "The Handmaid's Tale" anzuzünden
Margaret Atwood zielt mit einem Flammenwerfer auf ihr Buch "The Handmaid's Tale". Diese unbrennbare Version wird jetzt versteigert. 
© Screenshot Youtube / Penguin Random House
Das Auktionshaus Sotheby's versteigert eine besondere Version von "The Handmaid's Tale". Autorin Margaret Atwood ist in einem Werbevideo zu sehen, wie sie mit einem Flammenwerfer versucht, das Buch anzuzünden. Vergeblich. Und genau darum geht es der Kanadierin und ihrem Verlag. 

Sie hält den Flammenwerfer bestimmt und zielsicher in den feuerfest behandschuhten Händen. Vor ihr steht der Welterfolg, den sie geschrieben hat, "The Handmaid's Tale" ("Der Report der Magd"). Feuer frei. Doch die Flammen können den Seiten nichts anhaben. Margaret Atwood lächelt. Ihr Lebenswerk ist nicht zu zerstören. Die Szene ist Teil eines kurzen Videos, das der Verlag Penguin Random House veröffentlicht hat. Er wirbt damit für die unbrennbare Version von "Handmaid's Tale", die er in einer limitierten Ausgabe von einem einzigen Exemplar herausgegeben hat. 

Derzeit wird das Buch, das auf feuerfestem Papier gedruckt wurde, bei Sotheby's in New York versteigert. Interessenten können bis zum 7. Juni im Internet auf die einzigartige Ausgabe bieten. Am Freitag, 3. Juni, lag der gebotene Betrag bereits bei 100.000 Dollar – vier Tage vor Auktionsende. Der Erlös soll PEN America zu Gute kommen. Die Schriftstellervereinigung setzt sich für die Freiheit von Literatur und für Menschenrechte ein. 

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Um die geht es auch den Verantwortlichen hinter der Versteigerung. Das Auktionshaus Sotheby's, der Verlag Penguin Random House und Autorin Margaret Atwood wollen mit der Auktion gegen die Zensur von Büchern protestieren. Atwood musste schon selbst derartige Erfahrungen machen. "'Der Report der Magd' ist häufig verboten worden – manchmal von ganzen Ländern wie zum Beispiel Portugal und Spanien in den Tagen von Salazar und den Franquisten, manchmal von Schulausschüssen, manchmal von Büchereien", zitiert der Verlag die 82-jährige Autorin. 

Margaret Atwood zeichnet das Schreckensbild einer antifeministischen Diktatur

"The Handmaid's Tale" wurde 1985 erstmals veröffentlicht und seitdem mehrfach verfilmt, zuletzt sehr erfolgreich als Serie mit Elisabeth Moss in der Hauptrolle. Die Handlung spielt in einer dystopischen Gesellschaft, dem Gottesstaat Gilead, einer Diktatur, in der Frauen ihrer Rechte beraubt wurden. Fruchtbare Frauen werden als Mägde gehalten und zum Gebären missbraucht. Es ist ein zutiefst beklemmender, überzeugender Entwurf einer völlig fehlgeleiteten, antifeministischen Gesellschaft. 

Wenn jemand sicherstellen könne, dass das Buch nicht zerstört werde, dann ist es Margaret Atwood, wird Suzanne Nossel, CEO von PEN America, in der Verlagsmitteilung zitiert. Und man liest in dieses "das Buch" gerne hinein, dass sie mehr meint, als die unbrennbare Version von "The Handmaid's Tale" aus der Auktion, nämlich das gesamte Medium Buch, die gesamte Literatur. Die steht auch im Jahr 2022 vor besonderen Herausforderungen und Bedeutungskämpfen – selbst in demokratischen Ländern. 

Häufige Themen auf dem Index: Rassismus, Gender-Debatten und Sexualkunde 

PEN America hat unlängst seinen Bericht "Banned in the USA" veröffentlicht. Der Index dokumentiert Entscheidungen, Bücher in Schulbüchereien und in Klassenzimmern in den USA zu verbieten, und betrachtet dabei den Zeitraum von Juli 2021 bis März 2022 – und "alarmierende Trends". In diesen neun Monaten führt der Index 1586 Fälle von individuellen Buchverboten auf, die insgesamt 1145 verschiedene Titel umfassen. Davon waren 72 Prozent fiktionale Texte, 47 Prozent waren als Bücher für Heranwachsende klassifiziert und 18 Prozent Bilderbücher für Kinder. Wiederkehrende Themen auf dem Index seien der jüngste Rückschlag und die andauernden Debatten rund um Rassismus in der amerikanischen Geschichte, LGBTQ+-Identitäten sowie Sexualkunde an Schulen.

Ein prominentes Beispiel der vergangenen Monate ist "Maus" (der stern berichtete). Eine Schulbehörde im US-Bundesstaat Tennessee hat den preisgekrönten Holocaust-Comic Anfang des Jahres aus dem Lehrplan gestrichen. Autor Art Spiegelman verarbeitet in "Maus" seine eigene Familiengeschichte: Seine Eltern waren während des Zweiten Weltkriegs nach Auschwitz-Birkenau verschleppt worden, ihr ältester Sohn starb. Mitglieder der Südstaaten-Schulbehörde stießen sich insbesondere an im Buch verwendeten Schimpfwörtern wie "damn" (verdammt) und "bitch" (Schlampe). Der Autor und Jüdische Verbände kritisierten das Vorgehen scharf. Womit die Befürworter eines Verbots wohl nicht gerechnet hatten: Das Buch fand durch die neu gewonnene Aufmerksamkeit einige Leserinnen und Leser mehr. Nach Bekanntwerden der Entscheidung aus Tennessee schaffte es "The Complete Maus" an die Spitze der Amazon Bestseller im Bereich "Graphic Novels" und auf Platz 7 für Bücher allgemein.