Kinder und Jugendliche verschlingen die Comics aus Japan, bundesweit sprießen Fan-Klubs aus dem Boden, Manga-Börsen und Homepages locken. Bei "Cos-Play"-Treffen spielen kostümierte Fans Szenen aus ihren Lieblingscomics nach, ein Manga-Wettbewerb jagt den nächsten. Für die Verlage ist die Manga-Manie ein riesiges Geschäft. "Die Fangemeinde in Deutschland wächst kräftig, wir haben es mit einer absoluten Wachstumsbranche zu tun", sagt Manga-Expertin und Japanologin Ruth Jäschke.
"Es sind nicht nur die fantasievollen Figuren und die schlüssigen Geschichten, die faszinieren", weiß Jäschke vom Japanischen Generalkonsulat in Düsseldorf. "Mangas haben auch immer etwas mit Lebensbewältigung zu tun, sie bieten Themen, die die Jugendlichen wirklich interessieren - erste Liebe, erster Sex, Schulprobleme." Der junge Leser begebe sich zwar in die totale Fiktion, aber: "Jeder kann etwas erreichen in den japanischen Mangas, wenn er durchhält. Es spielt also auch Identifikation eine große Rolle."
Actionreiche Geschichten
Die meisten Hefte sind in Schwarz-Weiß gehalten und sind Übersetzungen des japanischen Originals. Sie werden in japanischer Lesefolge von hinten nach vorne und rechts nach links gelesen. "Die Jugendlichen finden das ganz witzig", sagt Expertin Jäschke. Manga-Fan Kai aus Köln erklärt seine Leidenschaft: "Die Zeichnungen haben eine brillante Qualität, und die Geschichten sind viel interessanter und actionreicher als andere Comics", meint der 18-Jährige.
Fan-Treffen gibt es regelmäßig etwa bei der "Connichi" in Kassel oder beim Münchner Comicfest. Auch bei den Buchmessen wird Manga bereits groß geschrieben, zuletzt im März in Leipzig mit 70 in- und ausländischen Manga-Verlagen. Viele Teenager träumen bereits von einer Karriere als Manga-Zeichner. Erstaunliche Zeichen-Talente fallen bei den beliebten Manga-Wettbewerben auf.
Junges Zielpublikum
Während in Japan praktisch alle Alters- und Gesellschaftsgruppen Manga lesen, sind es in Deutschland vor allem die 8- bis 25-Jährigen, sagt Friederike Strüber vom Carlsen Verlag. Der Hamburger Verlag teilt sich bei den Mangas die Marktführerschaft mit dem Egmont Verlag, gefolgt von Tokyopop und Panini Comics. "Unsere Titel sind so angelegt, dass wir die verschiedenen Zielgruppen innerhalb dieser Altersgruppe erreichen, etwa mit Schulthemen oder erster Liebe für die weiblichen Leser oder Abenteuern und Science-Fiction für die Jungen." Besonders erfolgreiche Serien sind derzeit "One Piece", "Manga Love Story", "Shaman King", "Yu-Gi-Oh!".
"Die Faszination hat ganz klar auch etwas mit Abgrenzung zu tun, also etwas zu lesen, was die Eltern nicht kennen und verstehen", erklärt Strüber. Wer mit hoher Konzentration lese, vor dessen Auge laufe ein regelrechter Film ab. "Wir bemerken aber auch ein echtes Interesse der Kids an Japan, der Heimat der Mangas." Das Ende des Booms sei noch lange nicht in Sicht.
Immer mehr Verlage
In der Verlagswelt wollen immer mehr Anbieter ein Stück vom dicken Kuchen abhaben. "In Deutschland wird mit Mangas inzwischen ein Umsatz von 50 Millionen Euro jährlich gemacht", schätzt Strüber. Immer mehr Konkurrenten drängen auf den lukrativen Markt. Neben den großen Verlagen mit Manga-Spezialisierung haben weitere rund 20 Verlage die populären japanischen Comics mit im Programm.
"Bei den Mangas sind unsere Verkaufs- und Umsatzzahlen in den vergangenen Jahren exponentiell gewachsen", sagt Strüber. Zum Carlsen-Gesamtumsatz von 27,1 Millionen Euro steuerten Comics 2004 rund 50 Prozent bei, von denen wiederum 70 Prozent aus den Manga-Verkäufen kamen. Der Boom habe bereits mit "Dragon Ball" Ende der 90er Jahre begonnen. Als monatliche Manga-Magazine erscheinen bei Carlsen "BANZAI!" für Jungen und "DAISUKI" für Mädchen. Jeden Monat kommen im Durchschnitt 16 Manga im Taschenbuch-Format hinzu.
Und die Anhängerschaft wächst weiter. Allein die Homepage www.animexx.de hat 65.000 Mitglieder. In Fan-Zeitschriften wie "MangasZene" werden die neuesten Mangas und Anime-Zeichentrickfilme vorgestellt, Kids zeigen sich dort in ihren Lieblingskostümen, tauschen Hefte aus oder bestellen T-Shirts, Actionfiguren, Poster und Videos. Der Kölner Fan Kai ist für seine Manga-Manie auch zu großen finanziellen Opfern bereit: "Ich gebe jeden Monat 300 bis 400 Euro dafür aus, da bleibt mir als Azubi gerade noch genug für Miete und Lebensmittel."