Richard Cowles leitet Lifted Entertainment, das Reality-TV-Labor des britischen TV-Senders ITV. Zu den Erfolgen der Firma gehören die TV-Formate "Love Island", "The Voice" und "Dancing on Ice". Doch ganz am Anfang stand "I'm a Celebrity, get me out of here", so heißt die Sendung "Ich bin ein Star – holt mich hier raus" im Original. Heute ist das Dschungelcamp eine Institution im Königreich. Richard war dabei, als 2001 die erste Staffel der Sendung live ging. Seitdem wurde das Format in 17 Länder auf der ganzen Welt verkauft, besonders erfolgreich ist es in Australien und in Deutschland.
Mr. Cowles, wie erklären Sie sich den anhaltenden Erfolg dieser Show?
Ich glaube, die anhaltende Faszination dieser Sendung ist die Kombination von Abenteuer, Gruppendynamik, Prominenten und der Tatsache, dass man manche Dschungelprüfungen nur durch die Finger der vors Gesicht geschlagenen Hände ansehen kann! Und die britische Show hat noch dazu ein außergewöhnlich gutes Moderatorenteam.

Wer hatte die Idee zum Dschungelcamp?
Die ersten Ideen dazu waren im Team entstanden. Das war vier oder fünf Jahre, bevor ich bei ITV als Creative Director anfing. Das ursprüngliche Konzept war ein ganz anderes, nämlich, eine Gruppe von Prominenten auf einer Dschungel-Expedition mit Kameras zu begleiten – also eher eine Dokumentarsendung. Dieses Konzept durchlief mehrere Metamorphosen, bevor wir es dem britischen TV-Sender ITV präsentierten. Die sagten: "Die Idee ist gut – aber wir sehen das eher als eine Unterhaltungsshow über einen Zeitraum von zwei Wochen. Oh, und wir wollen das live senden." Heute klingt das ganz normal, schließlich gibt es viele solcher Live-Shows. Aber damals, vor 24 Jahren, gab es Live-Übertragungen nur im Sport. Sicher, die Reality-Show "Big Brother" wurde live gesendet, aber die spielte in einem Haus, nicht in der Wildnis.
Und vor allem nicht in einem Dschungel.
Genau. Wir hatten also ein Problem: Wir brauchten einen Ort mit großer Zeitverschiebung, damit wir die Zuschauer-Votings live zur besten Sendezeit am Abend übertragen konnten, wenn es in Australien hell war, und über Nacht die Highlights des Vortages zusammenschneiden konnten. Und wir brauchten eine feindliche Umgebung. Der Norden Australiens hatte alles: die richtige Zeitzone und Regenwälder.
Die erste Staffel wurde 2001 ausgestrahlt. Kann man sie überhaupt mit den heutigen Sendungen vergleichen?
Das Prinzip der Sendung ist bis heute gleich: Eine Gruppe von Prominenten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens wird im Dschungel ausgesetzt und muss dort als Team funktionieren. Aber das Camp war ein anderes, und die Dschungelprüfungen waren sehr simpel und harmlos. Überhaupt sind die Produktionen heute viel teurer und aufwendiger – die Hubschrauber, die Prüfungen auf Wolkenkratzern, das gab es damals alles nicht. Das ist eine ganz andere Dimension. Die erste Staffel war noch unausgegoren, das hatte etwas Reizvolles. Man merkt ihr an, dass wir selbst noch nicht genau wussten, was für eine Art Programm das werden sollte. Die ersten Teilnehmer waren Pioniere, sie hatten keine Ahnung, wie groß diese Show werden würde.
Wie überredeten Sie die ersten Teilnehmer eigentlich, an der Show teilzunehmen?
Wir waren ganz ehrlich, wir sagten: Das wird wirklich hart und ungemütlich werden, ihr müsst in einer feindlichen Umgebung leben, ohne jeglichen Luxus. Also das komplette Gegenteil der üblichen Verkaufsstrategie! Normalerweise würde man die unangenehmen Aspekte herunterspielen, das haben wir bei dieser Show nie gemacht. Die Kandidaten, die zusagten, sahen die Teilnahme als persönliche Herausforderung, das war sehr mutig.
"Die ersten Kandidaten mussten wir überreden"
Wie wählen Sie die Kandidaten aus? Welchen Typ suchen Sie?
Was die Teilnehmer gemein haben, sind Abenteuerlust und Risikobereitschaft. Das gilt für fast alle 266 Prominente, die wir seit 2001 in der Show hatten, ganz gleich, aus welchem Bereich sie kamen. Die erste Kohorte mussten wir überreden, aber inzwischen weiß jeder, worauf er oder sie sich einlässt.
Testen Sie die Kandidaten vorher auf Phobien?
Wir stellen ihnen am Anfang sehr viele Fragen, um festzustellen, ob sie für den Dschungel tatsächlich geeignet sind. Das ist ein langer Prozess. Leute mit echten, diagnostizierten Phobien schließen wir natürlich aus. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen Phobien und allgemeinen Ängsten, die viele von uns haben. In der Sendung geht es auch darum, diese Ängste im Dschungel zu überwinden. Manche Leute brauchen übrigens mehrere Jahre, bis sie sich entscheiden, an der Show teilzunehmen – sie wollen sichergehen, dass sie genau verstehen, worauf sie sich da einlassen.
Welche Kandidaten und Ereignisse der vergangenen Staffeln sind Ihnen in besonderer Erinnerung?
In der ersten Staffel beleidigte Rhona Cameron, sie ist ein Stand-up Comedian, in einer Rede einen Camp-Bewohner nach dem anderen. Und in der dritten hatten wir John Lydon alias Johnny Rotten von den Sex Pistols – der glaubte nicht, dass das Dschungelcamp wirklich echt war und wollte das beweisen. Er änderte dann seine Meinung schnell, als er im Camp war! Und dann sind da die Paare, die sich im Dschungel fanden, es gab insgesamt drei. Aber es gab auch unerwartete Freundschaften, beispielsweise die zwischen dem US-Schauspieler George Takei, bekannt aus der Serie "Raumschiff Enterprise", und Joe Swash, der in der englischen Seifenoper "EastEnders" spielt. Ein sehr ungleiches Paar, würde man meinen. Ich glaube, die beiden sind bis heute Freunde.
In der letzten Staffel hatten Sie Nigel Farage, den im Königreich umstrittenen Brexit-Politiker. Ging er wegen des Honorars? Er soll eine Million Pfund erhalten haben.
Sie sollten nicht alles glauben, was Sie in den Medien hören! Wir sind die Show mit den höchsten Ratings, nur die Krönung von König Charles III. erreichte mehr Zuschauer als das Dschungelcamp-Finale letztes Jahr. Das zieht bei manchen Prominenten.
Wer wären Ihre idealen Kandidaten fürs nächste Dschungelcamp?
Ich vermeide es, Namen zu nennen, sonst sieht es womöglich so aus, als nehme ich sie als Kandidaten ins Visier! Aber Politiker werden wir in nächster Zeit wahrscheinlich vermeiden. Fußballmanager waren immer sehr gute Teilnehmer. Die spannendsten und überraschendsten Kandidaten waren immer jene, die man zwar zu kennen glaubte, aber von denen man in Wahrheit nicht wusste, wer sie sind. Man kannte nur die sorgfältig kultivierte öffentliche Person, aber nicht den Menschen dahinter. Im Dschungelcamp, wo man drei Wochen lang 24 Stunden am Tag gefilmt wird, kann man sich nicht verstecken. Dort kommt der wahre Charakter ans Licht. Für manche ist das furchterregender als Schlangen, Skorpione oder Spinnen.