Dokumentation "A Film Memoir" Das bewegte Leben des Roman Polanski

Sein Leben gleicht einer Tragödie - trotzdem hat sich Roman Polanski immer wieder gefangen und ergreifende Filme geschaffen. Eine Kinodoku erzählt nun das Leben des Experten für menschliche Abgründe.

Erst hielt er die drei Männer für ein freundliches Empfangskomitee am Flughafen, das ihn wohl in einen VIP-Bereich bringen wolle, schließlich war er ja nach Zürich gekommen, um eine besondere Auszeichnung entgegenzunehmen, einen Preis für sein Lebenswerk. Doch die Herren eröffneten dem Weltstar #Link;http://www.stern.de/kultur/film/roman-polanski-90381223t.html;Roman Polanski#, dass dies jetzt keine Feierstunde werde, sondern eine Festnahme.

26. September 2009: Eine mehr als 30 Jahre alte Geschichte holt den polnisch-französischen Starregisseur ausgerechnet in der "neutralen" Schweiz ein, in der sich Polanski schon oft unbehelligt aufgehalten hat und sogar ein Chalet besitzt.

Grund für die unangenehme Überraschung: ein Haftbefehl aus den USA. Amerika fordert die Auslieferung Polanskis, weil der Regisseur 1977 eine Minderjährige missbraucht haben soll. Auch wenn das damalige Opfer Polanski längst verziehen hat und seine Anwälte die Geschichte auch juristisch als erledigt betrachten, sind die Akten noch immer nicht geschlossen.

In einem Teil der Welt gejagt, im anderen verehrt

"In einem Teil der Welt werde ich gejagt, im anderen verehrt", sagt dazu recht abgeklärt der Filmemacher, der am 18. August 79 Jahre alt wurde, in dem Dokumentarfilm "Roman Polanski - A Film Memoir", der jetzt (23. August) ins Kino kommt.

Das ist natürlich verkürzt, doch sein Ansehen dürfte in Europa tatsächlich größer sein als in den USA, auch wenn ihm Hollywood 2003 einen Regie-Oscar für das Holocaust-Drama "Der Pianist" verliehen hat.

Die Verhaftung in Zürich ist nur ein Aspekt in Roman Polanskis bewegtem Leben, den man filmreif nennen könnte. Obwohl: Wer ein Drehbuch über sein Schicksal schreiben würde, dem würde das Schriftstück von vielen Experten sicherlich um die Ohren gehauen: bisschen dick aufgetragen und unrealistisch, finden Sie nicht?

Am 18. August 1933 wurde Polanski als Raymond Liebling in Paris geboren. 1936 zogen seine jüdischen Eltern mit ihm nach Krakau, weil ihnen der aufkeimende Antisemitismus in Frankreich nicht gefiel.

Familienmitglieder von den Nazis ermordet

Doch die mörderische Judenfeindlichkeit in Europa holte die Familie schon bald ein, als Deutschland Polen überfiel. Polanskis Mutter, die aus Russland stammte, wurde von den Nazis in Auschwitz ermordet. Auch eine Schwester kam um. Der polnische Vater überlebte ein KZ, der junge Polanski selbst nach seiner Flucht aus dem Krakauer Ghetto in einem Versteck auf dem Land.

Nach dem Krieg studierte er zunächst Malerei und Bildhauerei in Krakau. Er spielte auch begeistert in einer Theatergruppe mit. Von 1954 bis 1959 besuchte er die Filmhochschule in Lodz. Dort begegnete er dem Regisseur Andrzej Wajda, was ihn entscheidend prägte. 1959 zog er nach Paris. Sein erster Spielfilm, "Das Messer im Wasser", wurde zwar 1961 wieder in Polen gedreht, fiel dort aber bei den staatlichen Kulturstellen durch. Im Westen stieß der junge Filmemacher dagegen auf viel Begeisterung.

Als Schauspieler und Regisseur arbeitete Polanski seit den 60er Jahren nur noch im Westen. Er gilt bis heute als Meister menschlicher Abgründe. Seine Filme verschiedener Genres erzählen oft scheinbar amoralische Geschichten ("Rosemaries Baby", "Tanz der Vampire", "Chinatown"). Sie kippen oft ins Absurde, ohne albern zu wirken, oft ins Alptraumhafte, ohne billiger Horror zu werden. Die Figuren bleiben stets glaubwürdig, die Storys haben oft einen surrealen Witz.

Lesen Sie auf der folgenden Seite, welchen Schicksalsschlag Roman Polanski noch erlitt

Schweiz lehnte Auslieferung an die USA ab

Wenn er nur eine einzige Filmdose seiner Werke retten könnte, so wäre es der Film "Der Pianist", verrät Polanski. In dem Film hat der Regisseur die Traumata seiner Kindheit verarbeitet.

Doch trotz der schrecklichen Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg gibt es eine noch größere Katastrophe in Polanskis Leben: die Ermordung seiner schwangeren Frau Sharon Tate im Jahr 1969. Anhänger des irren Sektenführers Charles Manson massakrierten sie und mehrere andere Menschen in einem angemieteten Haus in Kalifornien, während er noch in Europa weilte. Die Tat geschah aus purer Mordlust und Willkür, wahrscheinlich weil ein Musikproduzent als Vormieter des Hauses Manson mal abgewiesen hatte.

Polanski, der heute in dritter Ehe mit der Schauspielerin Emmanuelle Seigner und zwei gemeinsamen Kindern in Paris lebt, hat in seinem Leben viel durchgestanden. Auch wenn die Festnahme in Zürich ein Schock für ihn war, ging die Geschichte glimpflich für ihn aus.

Der Hausarrest in seinem Haus in Gstaad war nach zehn Monaten vorbei - die Schweiz lehnte seine Auslieferung an die USA letzten Endes ab, weil die Behörden Zweifel an der Sicht der US-Justiz hatten.

Zwei Jahre später als geplant hat Polanski dann doch noch den Preis fürs Lebenswerk in Zürich entgegennehmen können. Der Schweiz gegenüber hege er keinen Groll, sagte er bei der Gala des "Zurich Film Festival" am 27. September 2011. "Besser spät als nie."

DPA
Von Gregor Tholl, DPA

PRODUKTE & TIPPS