Jeden Tag laufen viele Dutzend Soap Operas und TV-Serien im Fernsehen. Sie alle dienen der seichten Unterhaltung und halten den Ball möglichst flach. Die Serien, die ein wenig tiefschürfender sind und sich das wahre Leben zum Vorbild nehmen, sind rar gesät. Viele Erwachsene, die sich ein wenig mehr Niveau und Klasse vom Fernsehen versprechen, sind deswegen arg enttäuscht und kehren dem Medium zunehmend den Rücken. Sie würden nur allzu gerne einmal wieder so ein Highlight wie die Serie "Thirtysomething" sehen, die in den Neunzigern sehr realistisch die Freuden und Leiden mehrerer Freunde in ihren Dreißigern zeigte.
Jetzt gibt es einen neuen Geheimtipp: Die HBO-Serie "Six Feet Under". Sie wurde von Regisseur Alan Ball inszeniert, der bereits den Oscar-gekrönten Film "American Beauty" mit Kevin Spacey ins Kino gebracht hat. Mit dem gleichen analytischen und zugleich schwarzhumorigen Blick für die bizarren Absurditäten des Alltags seziert das Team um Alan Ball das Leben der amerikanischen Familie Fisher.
Eine ganz normale Familie
Die Fishers sind eine Familie aus Los Angeles, die nach außen hin absolut durchschnittlich scheint. Das einzige Detail, das auf die Umwelt ein wenig befremdlich wirkt: Papa Fisher (Richard Jenkins) betreibt ein Bestattungsunternehmen. Als der Vater selbst bei einem absolut blödsinnigen Unfall stirbt, muss sich auch der Rest der Familie mit dem ungewöhnlichen Business beschäftigen. Und jetzt erst, sozusagen passend zur ersten Folge der ungewöhnlichen TV-Serie, kommt heraus, wie dysfunktional die ganze Sippe tatsächlich ist.
Der rückgratlose Spießersohn David (Michael C. Hall) arbeitet bereits seit Jahren im Bestattungsbetrieb in Los Angelos mit. Er wünscht nicht, dass sich irgendetwas ändert und möchte gerne, dass alles so weitergeht wie unter Papas strenger Herrschaft. Doch auch David ist nicht ganz so oberflächlich und kantenlos, wie es scheint. Er ist nämlich insgeheim schwul und hat einen schwarzen Freund namens Keith, der bei der Polizei arbeitet. Doch noch weiß niemand etwas von seinen Neigungen.
Auch die kleine Schwester Claire (Lauren Ambrose) hat so ihre Geheimnisse. Sie geht noch in die Schule und bleibt hier weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Kein Wunder: Sie experimentiert mit Drogen und hat mächtige Probleme mit den Kerlen. Was sie nicht davon abhält, ein kesses Mundwerk zu pflegen. Bleibt Bruder Nate (Peter Krause), der schon früh vor der Familie nach Seattle abgehauen ist, um hier Kellnerinnen flachzulegen und miese Jobs anzunehmen. Er kehrt zur Beerdigung seines Vaters nach Hause zurück.
Bleibt noch Mutter Ruth (Frances Conroy), die alle Probleme mit stoischer Ruhe aussitzt, aber trotzdem leicht zur Hysterie neigt, wenn sich der Deckel nicht mehr auf dem überkochenden Topf halten lässt. Sie muss der überraschten Familie beichten, dass sie schon seit längerem einen Liebhaber hat.
Morbide Todesfälle
Die TV-Serie "Six Feet Under" glückt gleich auf mehreren Ebenen. So beginnt jede Folge mit einem mehr als ungewöhnlichen Todesfall, der die im Bestattungswesen noch ungeübten Erben mit gravierenden Problemen belastet. In der dritten Folge "Der verlorene Fuß" säubert etwa ein dicker italienischer Bäcker gerade die riesige Teigrührmaschine, als sein nichtsnutziger Azubi sie aus Versehen einschaltet. Die Fishers bekommen den Auftrag, die knapp 50 Einzelteile des so unwürdig Verstorbenen wieder zu einem ganzen Körper zusammenzunähen, damit man ihn im offenen Sarg aufbahren kann. Das ist kein Problem für den Leichenaufmöbler Rico - wenn der Leiche nicht ein Fuß fehlen würde. Den hat sich nämlich Schwester Claire ausgeborgt, um damit ihrem Exfreund eins auszuwischen.
Die Geschichten, die sich um den unerwarteten Tod, um zerstückelte Leichen und um schwierige Bestattungen drehen, sind zum Teil so abgedreht, dass man sich als Zuschauer kaum noch traut, auf den Bildschirm zu schauen.
Schon bald ist dieser morbide, bizarre Teil der einzelnen Episoden aber gar nicht mehr das bestimmende Moment der Geschichten. Jeder einzelne Fisher hat nämlich so interessante Eigenheiten, Probleme und Geheimnisse, dass man als Zuschauer schnell am Haken hängt und sich mit Neugierde fragt, wie es mit diesen Typen wohl in den kommenden Folgen weitergeht.
Besuch vom Vater
Die einzelnen Episoden zeichnen die Charaktere der einzelnen Beteiligten tiefer als die meisten anderen TV-Serien zuvor, "Thirtysomething" vielleicht einmal ausgenommen. Diese Sorgfalt und der Ideenreichtum kommen auch dem B-Cast, also den Nebenfiguren, zugute. Der so abgebrühte und nur um seine Kunst besorgte Balsamierer Rico, Davids sensibler Polizistenfreund Keith oder Nates auf dem Flughafen angebaggerte Freundin Brenda (Rachel Griffith) sind ebenfalls hervorragend besetzt und sorgen dafür, dass die Serie spannend bleibt. So trägt Brenda etwa Nates Namen als Tattoo auf ihren Hintern - dabei haben sich doch die Beiden gerade erst kennen gelernt.
Die Produzenten der Serie greifen zu vielen Tricks, die man an dieser Stelle nicht erwartet hätte und die den Episoden etwas Surreales geben. So tritt immer wieder der verstorbene Vater Fisher auf den Plan, um seinen Kindern in schwierigen Situationen zur Seite zu stehen - natürlich nur verbal, denn als Geist kann man ja nicht mehr viel ausrichten. Oft zerfließt das Bild auch, um visualisierten Kindheitserinnerungen Platz zu machen.
Six Feet Under - Staffel 1
Verleih: | Warner |
Ton: | DD 5.1 |
Bild: | 4:3 |
Laufzeit: | ca. 725 Minuten |
Preis: | ca. 40 Euro |
Vier DVDs im Sarg
Die TV-Serie "Six Feet Under" hat in den USA viele Preise eingeheimst und wird mit anderen modernen Kultserien wie "24" oder "West Wing" in einem Atemzug genannt. Hierzulande ist "Six Feet Under" ab Mai zu sehen. Die Pilotfolge läuft am 11. Mai um 22.15 Uhr bei VOX. Die Serie immer dienstags um 23.10 Uhr.
Trotzdem bringt Warner Brothers die komplette erste Staffel in einer wahrlich noblen Ausstattung auf den Markt. Die Verpackung erinnert an einen schwarzen Sarg, den man aufklappen kann, um ihm den eigentlichen Schuber mit den DVDs zu entnehmen. Der Schuber ist sehr nobel verarbeitet und nicht mit den Billigboxen zu vergleichen, wie sie etwa Paramount anbietet. Hier bekommt der Kunde noch etwas für sein Geld geboten.
Auf den fünf DVDs sind insgesamt dreizehn Episoden gespeichert, das sind drei pro Silberscheibe. Auf der ersten DVD sind nur zwei Folgen zu finden. So bleibt noch etwas Platz für die DVD-Specials. Sie bieten einen Originalkommentar vom Serienerfinder Alan Ball passend zur ersten Episode. Hinzu kommt eine nicht verwendete Szene aus der ersten Folge und ein Making of zur Entstehung der Titelsequenz.
Weitere Specials finden sich auf der fünften DVD, die ebenfalls nur zwei Folgen speichert. Hier gibt es eine Hinter-den-Kulissen-Dokumentation mit dem Stab und der Besetzung, einen Kommentar von Alan Ball zur Episode 13 sowie zwei Audiotracks. Trotz der vielen Sonderbeiträge schwächelt die DVD-Produktion etwas. Besser wäre es allemal gewesen, zusätzlich auch noch einige Interviews mit dem Regisseur und vor allem mit den Hauptdarstellern zu präsentieren. Schließlich gibt es einige drängende Fragen, die man zur ungewöhnlichen Serie gerne beantwortet wissen würde.
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Die Qualität der einzelnen Episoden ist dafür umso besser. Das Bild ist lupenrein und lohnt es, die einzelnen Folgen auf dem DVD-Player abzuspielen und sie nicht im normalen werbefinanzierten Fernsehen zu schauen. Absolut genial ist der Dolby-Digital-5.1-Sound, der es in den raren Actionszenen richtig krachen lässt, aber auch bei ganz normalen Gesprächen für einen absolut überzeugenden Klang sorgt.
Es bleibt zu hoffen, dass "Six Feet Under" sich so gut verkauft, dass Warner auch noch die übrigen Staffeln auf die gleiche Weise vermarkten kann. Alle Sammler würden sich freuen.