"Dexter" im Interview Fernsehen killt Kino

Für die einen ist er der schwule Bestatter David aus "Six Feet Under", für die anderen der Psychokiller Dexter. Vor allem aber ist Michael C. Hall ein TV-Star der neuen Generation, die das Kino nicht braucht. stern.de hat nachgefragt.

Als Michael C. Hall nach München kommt, um für die neue Staffel der TV-Serie "Dexter" zu werben, bekommt er es mit der berüchtigten deutschen Humorlosigkeit zu tun: Weil er einen Psychokiller spielt, sollte er im Hofbräuhaus Blutwurst essen, so der PR-Gag-Plan. Doch dann erteilte ihm das Hofbräuhaus Lokalverbot: "Die Schauspieler kommen aus den USA und haben keinerlei Bezug zu Tradition, bayerischer Kultur oder dem Hofbräuhaus - und der Titelheld ist ein Serienkiller", zitiert die "Abendzeitung" aus der Begründung. Dabei ist Michael C. Hall nun wirklich alles andere als ein Mann zum Fürchten.

Die Augen blicken so sanft wie die von David Fisher in "Six Feet Under". Einzig der zuweilen angewandte Blick von schräg unten hat etwas leicht Bedrohliches wie der von Dexter. Aber Halls jungenhaftes Lachen macht klar, dass er kein Method Actor ist, der die ganze Zeit in der Rolle bleiben muss. Keine Blutwurst, nirgends. "Es ist mein Job", sagt der 38-Jährige und lächelt sehr breit. "Ich hoffe, dass den Leuten bewusst ist, dass ich den Psychokiller nur spiele."

Michael C. Hall

1971 in North Carolina geboren, verlor Hall im Alter von elf Jahren seinen Vater. Schon als Kind stand er auf Schulbühnen. Damals allerdings meist im Chor. Nach der Schule zog er nach New York und studierte Schauspiel. 1999 landete er schließlich am Broadway mit "Cabaret". Es folgten die TV-Erfolge "Six Feet Under" und "Dexter". In einem Kinofilm war er nur kurz zu sehen ("Paycheck"). Hall ist in zweiter Ehe mit seiner "Dexter"-Kollegin Jennifer Carpenter verheiratet.

Hall hat sich seinen Schauspiel-Ruhm von der Pieke auf erarbeitet: Nach dem Theater-Studium in New York hat er allein 500 Mal als Conférencier in "Cabaret" auf der Bühne gestanden, bevor er für die Rolle des homosexuellen Bestatters David in "Six Feet Under" unter Vertrag genommen wurde. Dessen Nöte und Freuden hat er vier Jahre lang so überzeugend gespielt, dass im Anschluss gleich das Angebot für Dexter Morgan folgte. Nun rammt er also des Nachts seinen Serienopfern Messer und Spritzen in den Hals, tötet Kriminelle, die dem Gesetz entkommen sind, und tut tagsüber alles, damit seine Mitmenschen ihn trotzdem für einen normalen Menschen halten, der als Blutspurexperte im sonnigen Miami seine Brötchen verdient. Dafür wurde er bereits für den Emmy und Golden Globe nominiert.

Neben Halls Leistung zeigt die Serie "Dexter" aber vor allem eines: Sie ist ein weiterer Beleg dafür, dass das Kino sich sehr anstrengen muss, wenn es nicht den Anschluss ans US-Fernsehen verlieren will. Dort sitzen derzeit einfach die besseren Autoren, wie Serien-Hits von "24" über "Sopranos" bis "Six Feet Under" beweisen. Das sieht auch Michael C. Hall so, der gerade für die vierte und fünfte Staffel von "Dexter" unterschrieben hat. Und für den Kino kein Muss ist.

Mister Hall, das Fernsehen hat derzeit definitiv die besseren Geschichten und Charaktere. Wird es das Kino "töten"?

Ich weiß nicht, wie die Zukunft von Kinos aussieht. Menschen werden immer Filme machen. Aber ich denke, sie werden nicht mehr unbedingt das Haus verlassen, um sie zu sehen. Die Technik wird ja immer besser. Du hast Ton und Bild in unglaublicher Qualität in der Privatsphäre deines Zuhauses.

Wollen Sie überhaupt Kinofilme machen?

Manchmal habe ich das Gefühl, die Serien, die ich gemacht habe, sind ein Hybrid zwischen Fernsehen und Kino. Aber Sie haben schon Recht: Ich bin wirklich froh, dass meine TV-Karriere-Zeit mit dem goldenen Zeitalter des Fernsehens - oder wie immer Sie es nennen wollen - zusammenfällt. Diese Beständigkeit ist beeindruckend. Es gibt hin und wieder einen guten Kinofilm. Aber im Gesamtbild gewinnt das Fernsehen. Es zieht die besten Schreibtalente an. Selbst Filmstars gehen jetzt plötzlich zum Fernsehen.

Was ich mich schon immer gefragt habe: Wie wird man eine Rolle los, die man über Jahre gespielt hat, mit der man gealtert ist, die sich mit einem entwickelt hat?

David Fisher war Dexters erstes Opfer. (lacht) Aber mal ehrlich: "Six Feet Under" war großartig, und als ich fertig war, habe ich mich gefragt, was jetzt noch kommen soll. Ich habe rumgescherzt, dass ich eigentlich den Job aufgeben könnte, weil es nicht besser werden kann. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, eine weitere Serie zu machen. Aber dann kam "Dexter", und es war die Chance, etwas ganz Anderes zu machen. Obwohl ja beide ein besonderes Verhältnis zum Tod haben. Damit konnte ich was anfangen. (grinst breit) Weil ich so auf den Charakter von David festgelegt war, wusste ich, dass es eine einmalige Gelegenheit ist.

Hatten Sie eigentlich moralische Bedenken, als Sie das "Dexter"-Drehbuch das erste Mal gelesen haben?

Nein, keine moralischen Bedenken. Es ist das authentische Leben eines Menschen, der mit dem Konzept menschlicher Emotionen nichts anfangen kann. Ich als Schauspieler spiele also einen Schauspieler. Und wenn ich mich frage: Hat sich das jetzt echt angefühlt, kann ich sogar sagen: "Eh egal". Das ist doch toll. (lacht)

Ist es nicht beängstigend, dass sich ein stetig wachsendes Publikum mit einem Psychokiller identifiziert? Der Typ ist krank. Gutes Töten gibt es nicht.

Dexter funktioniert nur in der Vorstellung, auf dem Papier. Und die Leute reagieren ganz unterschiedlich auf ihn. Er hat Fans jeder politschen Richtung - links, rechts, überall.

Wieviel Dexter steckt in Michael C. Hall und umgekehrt?

Eine Menge von mir steckt auch in ihm. Ich weiß, was es heißt, zwanghaft zu sein oder ein Geheimnis zu bewahren. Die Rolle spricht ein Verständnis von Wahrheit in mir an.

Oder ist es vielleicht alles ein Missverständnis, dieses Gerede, dass Rollen in den Schauspielern bleiben? Es ist ja schließlich Ihr Job.

Ich kann nicht abstreiten, dass etwas in einem zurück bleibt, wenn man einen Charakter über mehrere Jahre spielt. Ein Teil von mir weiß nicht, was echt ist und was falsch. Genau den brauche ich ja zum Spielen.

Spielen Sie Dexter eigentlich lieber als David?

Oh, ja. Das ist befriedigender als David, die Fußmatte. (lacht)

Ab September zeigt der Pay-TV-Sender Premiere die dritte Staffel von "Dexter", RTL2 sendet die zweite Staffel. Am 11. Mai zeigt Premiere 4 die zweite Staffel noch mal in einem Marathon. Mit eigenem Timing und ohne Werbung bleibt die DVD. Staffel eins liegt auf Englisch vor, die deutsche Version ist in Arbeit

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