Mit "Lola rennt" feierte er seinen Durchbruch, zuletzt arbeitete er in internationalen Großproduktionen wie "Das Parfum" und "The International": Der 45-jährige Tom Tykwer ist einer der bekanntesten deutschen Regisseure. Im Wettbewerb des Filmfestivals Venedig schickte er am Freitag sein neues Werk "Drei" ins Rennen um den Goldenen Löwen. Über seinen Film, über Neugier und Offenheit in Beziehungen sprach Tykwer mit der Nachrichtenagentur dpa.
Hanna und Simon sind seit rund 20 Jahren ein glückliches Paar und verlieben sich in denselben Mann. Ist eine Dreierbeziehung in der Realität wirklich möglich oder bleibt sie mehr ein Wunschgedanke?
Tykwer: "Der Film ist kein Plädoyer für eine Dreierbeziehung. Es geht vielmehr um eine gewisse Offenheit, die wir uns bewahren müssen, gemessen an unserer Erkenntnisdichte. Denn ich habe immer das Gefühl, dass wir in der eigenen Wahrnehmung viel weiter sind, als wir es faktisch zu leben hinkriegen. Wir sind oft viel verwurzelter, durch die ganzen anerzogenen, bürgerlichen, konservativen Zwangsvorstellungen von der Art, wie das Leben zu sein hat. Und gleichzeitig haben wir ziemlich viel Kenntnis über unsere sonstigen Bedürfnisse. Das in Einklang zu bringen, ist schwer. Man sollte sich hin und wieder aber klar machen, dass es nicht strafbar ist, sich mit seinen Gefühlen und Trieben auseinanderzusetzen. Es ist kein sofortiger Verrat an den Menschen, die mich umgeben, wenn ich mir zugestehe, dass ich auch noch ein Auge für die anderen habe."
In "Drei" geht es auch darum, dass man im Leben - unabhängig vom Alter - innehält und sich fragt, was war und was noch kommen könnte.
Tykwer: "Ich finde, es ist ein Film, der vom wie auch immer empfundenen Erwachsensein handelt. Von Menschen, die jetzt in der Verantwortung sind, ihr eigenes Leben zu gestalten. Sie sind die Gestalter, das Leben wird nicht mehr für sie gestaltet. Es geht um Menschen, die vielleicht behaupten, irgendwo angekommen zu sein, und gleichzeitig feststellen, dass das nur eine Behauptung ist. Es ist eben oft viel fragiler, als man sich das gedacht hat. Die Idee des Ankommens trägt ja oft auch etwas Bedrohliches in sich: Immerhin wird damit postuliert, dass man nicht mehr experimentieren kann, dass man mit seiner Neugier zu Hause bleiben muss und dass das triebhafte, suchende Leben verboten ist. Da geht der Film ein bisschen dagegen."
Warum haben Sie sich entschieden, wieder einen Film in Deutschland zu drehen?
Tykwer: "Ich habe mich nicht bewusst entschieden: "Jetzt will ich wieder einen deutschen Film machen". Es war vielmehr so, dass ich den Stoff schon lange im Kopf hatte und lange Zeit entwickelt habe. Irgendwann habe ich gemerkt, dass er reif ist, bereit gemacht zu werden. Ich wollte auch gerne wieder in Deutschland drehen, aus Gründen des Heimatgefühls. Es ist das Land, in dem ich lebe und mich wohl fühle - da bilde ich gerne Teile davon ab."
Wie wichtig war es, auf Deutsch zu arbeiten?
Tykwer: "Die Sprache ist ein wirkliches Thema für mich. Es ist ein Unterschied, ob ich im Englischen inszeniere oder im Deutschen. Ich spreche zwar sehr gut Englisch; und doch gibt es dabei immer einen Umweg über die innere Übersetzung. Ich muss vorher immer kurz überlegen und muss dem Gesagten die richtige Bedeutung geben. Das ist im Deutschen nicht so, da kann ich mich mit den Schauspielern leichter gemeinsam auf die Suche nach der Sprache machen. Diese suchende Form ist mir persönlich viel lieber."
Sie sagten, die Idee sei über Jahre gewachsen. Sind dadurch autobiografische Elemente enthalten?
Tykwer: "Natürlich sind dort zum Beispiel Situationen enthalten, die ich vielleicht in ähnlicher Weise mal erlebt und jetzt abgewandelt habe. Es ist keine Welt, die ich nicht kenne - auch wenn es nicht meine ist. Es sind aber Menschen ungefähr meines Alters, aus der Stadt, in der auch ich lebe, die am kulturellen und wissenschaftlichen Leben teilnehmen, so wie ich auch. Daher weiß ich, wovon ich rede. Alles andere sind fragmentierte Elemente, die ich dann irgendwann in einen narrativen Fluss gebracht habe. Erfundene und erlebte Elemente halten sich die Waage."
Was ist das Besondere am Filmfestival in Venedig, auch im Hinblick auf diesen Film?
Tykwer: "Ich bin zum dritten Mal hier und mag das sympathische Chaos, das hier herrscht. Ich glaube auch, dass genau das den Blick auf die Filme in gewissem Sinne lockert. Das empfinde ich bei einem Film wie "Drei" als Erleichterung, weil ich mir wünsche, dass man ihn mit einer gewissen Entspanntheit guckt. Dass man nicht so sehr versucht, die These des Films herauszukristallisieren, sondern mehr die Stimmung und das Spielerische zu entdecken bereit ist. Ich hoffe, dass das Festival mit seiner entspannten Atmosphäre dazu beiträgt."