"Britischer Oskar Schindler" Nicholas Winton rettete 669 Kinder vor den Nazis und hielt es geheim – jetzt wurde sein Leben neu verfilmt

Nicholas Winton
Nicholas Winton an seinem 105. Geburtstag 2014, ein Jahr vor seinem Tod. Im neuen Film "One Life" wird er von Anthony Hopkins gespielt.
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Nicholas Winton organisierte kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die Ausreise von hunderten jüdischen Kindern aus Prag. So rettete er sie höchstwahrscheinlich vor dem KZ – und sprach jahrzehntelang mit niemandem darüber. Nun wird sein Leben neu mit Anthony Hopkins verfilmt.

Nicholas Winton wusste nicht, was passieren würde, als er 1988 in die BBC-Sendung "That's Life!" eingeladen wurde. Doch plötzlich stand der damals schon 78 Jahre alte Engländer im Mittelpunkt des Interesses. Denn die Verantwortlichen der Sendung hatten sich eine ganz besondere Überraschung überlegt: Im Publikum saßen Dutzende Menschen, denen Winton das Leben gerettet hatte, als sie noch Kinder waren.

Das Studio wäre wohl deutlich zu klein gewesen, um alle einzuladen, die ihr Leben Nicholas Winton zu verdanken haben. Er war kurz vor dem Zweiten Weltkrieg für die Rettung von insgesamt 669 jüdischen Kindern vor den Nazis verantwortlich – und am liebsten wäre ihm gewesen, niemand hätte je davon erfahren. Jahrzehntelang behielt Winton seine Heldentaten für sich. Erst 50 Jahre später fand seine Frau auf dem Dachboden einen Koffer mit Dokumenten, die die Rettungsaktion belegten.

Neue Verfilmung kommt nächstes Jahr in die Kinos

Die BBC-Sendung 1988 machte Nicholas Winton im Vereinigten Königreich und darüber hinaus schlagartig bekannt, seitdem wird er in den Medien gern als "britischer Oskar Schindler" bezeichnet. Queen Elizabeth II. schlug ihn 2002 zum Ritter, 2015 starb er im Alter von 106 Jahren. Nun zeigt eine neue Verfilmung sein Leben. Anthony Hopkins spielt dabei die Rolle des Nicholas Winton in seinen älteren Jahren. "One Life" soll im September beim Toronto International Film Festival Premiere feiern und Anfang 2024 zunächst in die britischen Kinos kommen.

Anthony Hopkins als Nicholas Winton
Anthony Hopkins als Nicholas Winton in "One Life"
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Winton war selbst jüdischer Abstammung, seine Eltern wanderten Anfang des 20. Jahrhunderts nach England aus. Er machte eine Lehre bei einer Bank und arbeitete später als Börsenmakler in London. 1938, kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, besuchte er über Weihnachten mit Freunden Prag. Die Situation der vielen – vor allem jüdischen – Flüchtlinge, die aus dem schon von den Nazis besetzten Sudetenland in die tschechoslowakische Hauptstadt strömen, bewegte ihn. Winton begann, sich vor Ort für ihre Hilfe zu engagieren.

Auch nach seiner Rückkehr nach England arbeitete er neben seiner Tätigkeit an der Börse weiterhin für eine Hilfsorganisation. Zumindest die Kinder wollte er vor der Gefahr durch die Nazis retten. Für sie vermittelte er Pflegefamilien in Großbritannien, sammelte Spenden für die anfallenden Kosten und organisierte insgesamt acht Züge, die Kinder aus der Tschechoslowakei nach London brachten. Darin befanden sich 669 Kinder, die ohne Wintons Engagement höchstwahrscheinlich von den Nazis, die sechs Wochen nach seiner Abreise aus Prag das gesamte Land besetzten, in Konzentrationslager deportiert worden wären.

Nicholas Winton rettete Hunderte Kinder vor dem KZ

Anfang September 1939 sollte der größte Transport mit 250 Kindern fahren. Doch mit dem deutschen Überfall auf Polen beginnt am 1. September der Zweite Weltkrieg, der Zug wird gestoppt. ""Keines der 250 Kinder wurde jemals wieder gesehen. 250 Pflegefamilien warteten bereits in London. Wenn der Zug Prag nur einen Tag früher verlassen hätte, wäre er auch angekommen. Was für ein schreckliches Gefühl", sagte Winton später.

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Welchen Anteil er an der Rettung von hunderten Kindern hatte, blieb lange ein Geheimnis. Winton sprach nicht darüber, auch die Kinder wussten bis weit ins Erwachsenenalter nichts davon. Sie glaubten, das Rote Kreuz hätte ihnen zur Ausreise verholfen. Erst Ende der Achtziger fand Wintons Frau Aufzeichnungen, die die Beteiligung ihres Mannes belegten – inklusive einer Liste der geretteten Kinder. Es folgten viel Aufmerksamkeit, die dem mittlerweile älteren Herrn überhaupt nicht recht war, und internationale Ehrungen. Nach Angaben seiner Tochter hätten zum Zeitpunkt seines Todes 7000 Menschen wegen seiner Rettungsaktionen überlebt beziehungsweise seien deswegen überhaupt auf die Welt gekommen.

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