TV-Jahr 2004 Nicht nur Anke Engelke scheiterte

2004 war im Fernsehen das Jahr der großen Flops. Vor allem die Privatsender zielten mit vielen neuen Formaten am Geschmack des Publikums vorbei.

Nicht die wirklich kreativen Köpfe, sondern die Etatverwalter hatten das Sagen im deutschen Fernsehen 2004. Anders ist es kaum zu erklären, dass im zu Ende gehenden Jahr das Medium TV so viele Nackenschläge wie noch nie erleiden musste. Fast jeder Sender hatte Pleiten zu verkraften, vor allem aber die Privaten, die mit vielen neuen Formaten am Geschmack des Publikums vorbeizielten. Kritiker machen dafür die ausschließliche Fixierung auf die jungen, werberelevanten Zielgruppen im Programm verantwortlich. Und hinter dieser Entwicklung stehen die großen Konzerne und ihre Agenturen, die über die Verteilung der Werbeetats entscheiden.

Billig kam nicht gut an

Preisgünstige, serielle Ware sollte das Rezept des Erfolges werden - die Quittung kam prompt vom Zuschauer. Und dafür gab es viele Beispiele: Angefangen beim Sat.1-Format "Kämpf um Deine Frau", das das Publikum in eine unrealistische Welt mit Männern führte, die in einem Camp um die Gunst ihrer Verflossenen betteln mussten, dem Sender aber nur einen Marktanteil von fünf Prozent bescherte. Oder die ProSieben-Show "Hire and Fire", die den Betrachter in eine gleichfalls nicht wirklichkeitsnahe Situation versetzte, in der Arbeitssuchende um einen Job als Kreativdirektor im Medium Fernsehen buhlten.

Realityshows ohne Resonanz

Die Liste der vom Erfolg verlassenen Realityshows mit mehr oder minder realistischen Elementen lässt sich fortsetzen. Auch die ProSieben-Sendung "Tag der Entscheidung", in der ganz normale Menschen im Boxring gegeneinander antreten mussten, wurde schnell beendet. "Fear Factor" (RTL) mit kribbeligen Abenteuerspielen, die Psycho-Spielshow "Opas letzter Wille", das "Judas Game" und "Unser Bauernhof" (alle Kabel 1) erreichten nicht das gewünschte Publikum. Und das ZDF scheint sich selbst und Thomas Gottschalk - gemessen an den Quoten - mit der Reihe "Gottschalk zieht ein" keinen Gefallen zu tun.

"Im vergangenen Fernsehjahr ist zwar viel Neues entwickelt und ausgestrahlt worden, aber die meisten Formate waren abgekupfert, schlecht kopiert oder an den Bedürfnissen der hiesigen Zuschauer vorbeiproduziert", sagt auch Bernd Gäbler, Leiter des Adolf-Grimme-Instituts in Marl. "In Zukunft sollten die Sender mit mehr Liebe und mehr Geduld auf eigene, hochwertige Produktionen vertrauen." Dazu gehören sicher auch keine Sendungen rund um Schönheits-OPs wie "Alles ist möglich" und "Beauty Queen" (beide RTL).

ZDF-Telenovela wurde ein Erfolg

Reality muss bei so einer Forderung, wie Gäbler sie stellt, nicht außen vor bleiben: Die Reihen "Die Super-Nanny" (RTL) und die "Super Mamas" (RTL II) erfreuen sich hoher Beliebtheit, weil sie dicht an die Menschen heranrücken und den alltäglichen häuslichen Kleinkrieg mit dem Nachwuchs unter die Lupe nehmen. Zu den Publikumserfolgen zählen auch die RTL-Dschungelshow "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus", die ZDF-Telenovela "Bianca", die Sat.1-Neueinführung "Schillerstraße" und auch die ARD-Reihe "Abenteuer 1900". Die ARD setzt auch mit der Auswanderer-Realitysoap "Windstärke 8" fürs kommende Jahr auf den Zuspruch ihrer Zuschauer.

Anke Engelke scheitert

Ein großes Experiment ist im Jahr 2004 gescheitert: Anke Engelke waren die Fußstapfen eines Harald Schmidt im Late-Night-Gewerbe zu groß - sie musste im Oktober ihren Abschied verkünden. Schmidt hat indes mit der ARD nach einjähriger "kreativer Pause" eine neue mediale Heimat gefunden. Große Quoten werden von ihm nicht erwartet, aber gelungene Witze. Und Namen sind die halbe Miete: Mit Thomas Gottschalk als "Wetten, dass...?"-Präsentator (ZDF), Jörg Pilawa als Abend- und Vorabendunterhalter (ARD) und Günther Jauch (RTL) als Magazin-, Quiz- und Showgastgeber konnten die großen Sender sich auch im abgelaufenen Jahr auf einige wenige feste Größen verlassen.

Nur ein großer Name hat erst einmal ausgedient: Margarethe Schreinemakers. Ihr gescheitertes ARD-Comeback vom Januar 2004 dürfte auf absehbare Zeit erst einmal der letzte Versich der ehemaligen Talkkönigin gewesen sein, im Fernsehen wieder Fuß zu fassen.

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Carsten Rave/DPA

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