Krise Frankfurter Rundschau mit Berliner Mantel

Nach jahrelangen Millionendefiziten sind drastische Einschnitte bei der "Frankfurter Rundschau" geplant. Alle Anstrengungen der Mitarbeiter haben nichts genützt. Die 1945 gegründete Zeitung muss stark schrumpfen. Die Gewerkschaften protestieren.

Die traditionsreiche linksliberale Tageszeitung "Frankfurter Rundschau" wird künftig in wesentlichen Teilen in Berlin gemacht. Von den rund 190 Stellen in der Frankfurter Redaktion entfallen 44. Über diese dramatische Reaktion auf das andauernde Millionendefizit des Blattes informierte das Medienhaus M. DuMont Schauberg (MDS) die Mitarbeiter am Freitag. Verleger Alfred Neven DuMont bedauerte in einem "FR"-Beitrag (Samstag) die schmerzhaften Einschnitte, betonte aber: "Anders ist die Existenz der Zeitung nicht zu sichern."

Zunächst hatte es geheißen, es sollten 88 Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt werden. Ein Sprecher von M. DuMont Schauberg sagte am Nachmittag aber, es würden zwar 88 Stellen abgebaut, in wie vielen Fällen es dadurch zu betriebsbedingten Kündigungen komme, sei aber noch offen. Unterm Strich soll es am Ende 44 Stellen weniger geben als heute. Die Gewerkschaft Ver.di forderte Abfindungen und Altersteilzeitregelungen statt betriebsbedingte Kündigungen.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach von einem "schwarzen Freitag", die schlimmsten Befürchtungen seien bestätigt worden. "Die "Frankfurter Rundschau" wird zur Lokalausgabe der "Berliner Zeitung" degradiert", kritisierte DJV-Chef Michael Konken. Der stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Frank Werneke sieht das Ende der bisherigen "FR" und erklärte: "Dies ist eine Kampfansage an die Kolleginnen und Kollegen bei der "Frankfurter Rundschau" und die Pressevielfalt in Deutschland." Protestaktionen seien nicht ausgeschlossen, man halte sich alle Optionen offen. "Für die Beschäftigten war dies heute ein Schock", sagte "FR"-Betriebsratsvorsitzender Marcel Bathis der dpa. Mit solch massiven Einschnitten habe keiner gerechnet. "Es war fast wie auf einer Beerdigung", schilderte Moos. Es seien Tränen geflossen.

Nach Angaben von MDS-Vorstand Franz Sommerfeld hat die Zeitung 2010 rund 19 Millionen Euro Defizit gemacht. "Mit diesen Maßnahmen wollen wir bis 2013 aus den roten Zahlen sein." Der Verlag hält seit rund fünf Jahren die knappe Mehrheit an der Zeitung, die SPD-Medienholding DDVG 40 Prozent. Sommerfeld unterstrich: "Es ist keine Übernahme durch Berlin. Wir werden die "FR" als eigenständige Zeitung im Markt erhalten."

In Frankfurt sollen vor allem noch die Lokalredaktionen bleiben. Zugleich werden dort alle überregionalen digitalen Inhalte für die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau" hergestellt. Voraussichtlich von Sommer an werden die überregionalen Mantelseiten in Berlin produziert. Zu den rund 120 Redakteuren in der Hauptstadt werden 20 Kollegen aus Frankfurt hinzukommen und gemeinsam zwei unterschiedliche Mantelteile erstellen. Die Ressortleitungen würden doppelt besetzt mit Vertretern aus beiden Häusern. Neven DuMont betont: "Das, was die "Frankfurter Rundschau" in Ton und Meinung auszeichnet, bleibt auch unter diesen Bedingungen erhalten."

Außerdem ist eine gemeinsame Chefredaktion beider Titel geplant mit Uwe Vorkötter an der Spitze. Dazu gehören auch Brigitte Fehrle, die eine Redaktionsgemeinschaft mit rund 25 Autoren für die MDS-Titel leitet, sowie der bisherige "FR"-Chefredakteur Rouven Schellenberger, der die digitalen Inhalte verantwortet. Der andere "FR"-Chefredakteur Joachim Frank wird Chefkorrespondent aller Abo-Zeitungen der Gruppe. Zu MDS gehören unter anderem auch die "Mitteldeutsche Zeitung" und der "Kölner Stadt-Anzeiger".

Die "Frankfurter Rundschau" mit einstmals mehr als 1500 Beschäftigten befindet sich seit rund zehn Jahren in der Krise und wurde mit einer Landesbürgschaft gestützt. Die verkaufte Auflage sank auf knapp 130 000 Exemplare - vor zehn Jahren waren es noch mehr als 190 000. Seit Jahren verzichten die Mitarbeiter auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. 2007 wurde auf das kleine Tabloid-Format umgestellt.

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