"Kritiker der Elche" Unfugskünstler F.W. Bernstein wird 75

Die "Neue Frankfurter Schule" erfand in den 60er Jahren eine ganz neue Art von Humor. F.W. Bernstein gehört zu den Urgesteinen. Jetzt wird der "alte Zeichenzausel", wie er sich nennt, 75 Jahre.

Wenn es jemanden gibt, zu dem das Wort "urkomisch" passt, dann ist es F.W. Bernstein. Der Dichter, Maler und Zeichner kann albern, blödeln und Nonsens verzapfen, er kann aber auch hintersinnig, tiefgründig und philosophisch sein - und meistens alles zusammen. Legendär ist sein Spruch: "Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche." Zu seinem 75. Geburtstag, den der Wahlberliner am 4. März begeht, hat er schon vor Jahren das passende Gedicht geschrieben: "Gibt es später auch Beschwerden -/ Scheißegal, wir feiern heut!"

1938 mit dem bürgerlichen Namen Fritz Weigle in Göppingen im tiefsten Schwaben geboren, hatte Bernstein Anfang der 60er Jahre zusammen mit seinen Künstlerfreunden F.K. Wächter (1937-2005) und Robert Gernhardt (1937-2006) beim Satiremagazin "Pardon" und später bei der "Titanic" eine ganz neue Art von anarchischem Witz kreiert. Hochkomik, wie sie selbst flachsten. In ironischer Anspielung auf die "Frankfurter Schule" um Theodor W. Adorno bekam ihre Gruppe später den Namen "Neue Frankfurter Schule". Das Wappentier wurde - na wer wohl? - der Elch.

Er wurde Professur für Karikatur und Bildgeschichte

Bernstein ist vielleicht nicht der bekannteste, wohl aber der ungewöhnlichste Künstler aus dem Trio. Denn seinen Lebensunterhalt bestritt der begnadete Satiriker ganz bürgerlich aus seiner Arbeit als Lehrer. Nach einem Kunst- und Germanistikstudium unterrichtete er ab 1966 an verschiedenen Schulen und Hochschulen. 1984 wurde er auf die bundesweit erste und einzige Professur für Karikatur und Bildgeschichte an die heutige Universität der Künste in Berlin berufen, wo er bis zur Pensionierung lehrte.

"Unfugskunst" nennt Bernstein seine Arbeit. Mit viel Fantasie und Experimentierfreude hat er ein vielfältiges Werk von Zeichnungen, Bildern und Cartoons geschaffen - angefangen von seinen berühmten Wimmelbildern bis zu den wie flüchtig hingekritzelten Strichmännchen und -tierchen. "Ich werde einen Teppich aus Strichwerk weben und nichts weglassen außer dem Wesentlichen", erklärte er einmal.

Mit dem Satirepreis Göttinger Elch ausgezeichnet

Als "Cheflyriker" der Frankfurter Nonsense-Freunde brachte er daneben zahlreiche Gedicht- und Textbände heraus, die ihn als genialen Sprachkünstler ausweisen, etwa "Reimwärts" (1981), "Lockruf der Liebe" (1988), "Reimweh" (1994) und "Richard Wagners Fahrt ins Glück" (2002). Grundlage seiner Arbeit ist das Bernsteinsche Gesetz von den drei großen G der Karikatur: "Gritik, Gomik und Graphik".

Bis heute lebt der distinguierte Herr mit den feinen Manieren und dem sauber gezirkelten Schnauzbart mit seiner Frau Sabine im gutbürgerlichen Berliner Stadtteil Steglitz. 2003 wurde er für sein Lebenswerk mit dem nach seinem Bonmot benannten Satirepreis Göttinger Elch ausgezeichnet, der Münchner Verlag Antje Kunstmann brachte eine Sammelausgabe seiner Gedichte heraus.

Zum Geburtstag widmet das von ihm mitinitiierte caricatura museum in Frankfurt ihm vom 13. März an eine Sonderausstellung mit einer Auswahl wichtiger Werke. Wie sagte er gleich nochmal? "Scheißegal, wir feiern heut." In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch!

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Nada Weigelt, DPA

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