Hollywood, Stars und Palmen - daran denken wir, wenn wir Los Angeles hören. Kunst? Eher nicht. Dass dort, im Schatten der Kunstmetropole New York, schon seit den 50er Jahren Großartiges entstand, zeigt nun eine Ausstellung in Berlin: "Pacific Standard Time. Kunst in Los Angeles 1950–1980".
Schon der erste Raum katapultiert uns mitten hinein ins südkalifornische Leben. Straßen, Autos, Palmen, Wellen, Häuser rauschen auf einer dreigeteilten Leinwand als Video über uns hinweg. Und dann dieses ganz besondere Licht: einzigartig und so "very California".
Gleich daneben: die Fotos von Dennis Hopper. Dass der Schauspieler auch Künstler und Sammler war, wissen nur wenige. Jane Fonda im Bikini, Künstlerfreund Ed Ruscha vor Palmen, die Sänger Ike und Tina Turner mit einer Riesen-Colaflasche - Hoppers Schwarz-Weiß-Porträts sind so kalifornisch wie nur möglich, gleichzeitig unterhaltsam und ganz große Kunst.
Aus den New Yorker Schatten heraus
Viele der Künstler, die schon in den 60ern dabei waren und die Pop Art mit erfanden, wurden später zu Stars: James Turrell mit seinen wunderbaren, farbigen Lichtinstallationen. Julius Shulman und seine Fotos von kalifornischen Häusern. Ed Ruscha, der ein schmales, lang gestrecktes Gemälde von Los Angeles zeigt, und es in "90 % Devil" und "10 % Angel" aufteilt. Oder Bruce Nauman und sein "Four Corner Piece". In dessen gekippten Bildschirmen kann man sich selbst sehen - allerdings nur dann, wenn man sich in eine der vier Ecken des Raumes presst. Ein erniedrigendes Spiel mit der Eitelkeit. Nach und nach wird klar, dass zwischen 1950 und 1980 in Kalifornien manches erdacht wurde, was erst später in New York zu Weltruhm gelangte. Attraktion der Ausstellung ist der "Berlin Room" von Sam Francis. Ein riesiges, acht mal zwölf Meter großes Bild, das der Künstler für die Neue Nationalgalerie Berlin zu einer Zeit malte, als die Stadt noch von der Mauer eingeschlossen war. Majestätisch schwebt es einen halben Meter über dem Boden - ein abstraktes Meisterwerk aus Farbe und Form. "Wahrscheinlich ist es das größte Bild, das je in Kalifornien entstand. Jackson Pollock ist dagegen ein Miniaturenmaler", sagt Peter Klaus Schuster, der die Ausstellung als Generaldirektor der Staatlichen Museen in Berlin angeschoben hat.
David Hockneys Vorbilder
Zehn Jahre lang erforschte Das Getty Research Institute unter der Leitung von Thomas Gaethgens, welche Künstler damals, zwischen 1950 und 1980, dabei waren und warum Westküstenkunst anders aussieht als die aus dem Osten: mehr Licht, mehr Ozean, mehr Landschaft.
Natürlich ist auch eins von David Hockneys wunderbar leichten Schwimmbadbildern dabei: "A bigger Splash" von 1967. Blauer Himmel, Bungalow, zwei Palmen, Pool, Sprungbrett und ein wenig aufspritzendes Wasser - mehr braucht er nicht, um das kalifornische Lebensgefühl darzustellen. Schade nur, dass die Ausstellung nicht zeigt, woher Hockney seine Anregungen bekam. Um das herauszufinden, sollte man sich unbedingt den großartigen Katalog kaufen (Verlag Hatje Cantz, 49,80 Euro). Darin ist unter anderem nachzuschlagen, wie Hockneys Bild "Domestic Scene" von 1963 entstand. Es zeigt einen nackten Mann unter der Dusche und einen anderen mit knapper, geblümter Schürze um die Hüften, der ihm den Rücken schrubbt. Das kuriose Vorbild stammt aus dem homoerotisch-schwülstigen Bodybuilder-Film "Gemeine Stiefbrüder". Hockney hatte sich wohl eines der Standbilder bestellt, die man als vergrößerte Einzelabzüge kaufen konnte. Auch das ist Sweet California.
"Pacific Standard Time. Kunst in Los Angeles 1950–1980", Martin-Gropius-Bau, 15. März bis 10. Juni 2012