Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller hat nach der Festnahme des regimekritischen Künstlers Ai Weiwei scharfe Kritik an der deutschen Ausstellung "Kunst der Aufklärung" in Peking geübt. "Es kommt mir vor, als würde die deutsche Kulturpolitik regelrecht winseln um Anerkennung durch China", sagte die 57-Jährige dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Ich verstehe nicht, weshalb es die Deutschen sein müssen, die als Allererste Werke für eine Ausstellung in diesem Museumsklotz liefern, der doch nur ein Prestigeobjekt des Regimes ist." Die Bilder seien nun "Dekoration für eine Propagandashow eines autoritären Regimes".
Die Ausstellung mit Werken aus den Staatlichen Sammlungen in Berlin, Dresden und München war am 1. April im Beisein von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) im renovierten Nationalmuseum von Peking eröffnet worden. Kurz darauf war der regimekritische chinesische Künstler Ai Weiwei festgenommen worden. Müller sagte: "Mit dieser Festnahme wurden der deutsche Außenminister und seine Delegation regelrecht vorgeführt: Kaum hatten sich die Flugzeugtüren hinter ihnen zum Rückflug geschlossen, wurden die Verhaftungen vorgenommen."
Die Schriftstellerin plädierte für einen entschiedenen Kurs den chinesischen Machthabern gegenüber: "Ich glaube, das Regime würde dann eher etwas lernen, wenn es dafür isoliert wird, wie es mit seiner Bevölkerung umgeht. Diktaturen lernen nur durch Druck. Was Deutschland derzeit mit China macht, ist das Gegenteil von Druck."
Es sei eine "Verhöhnung des Begriffs Aufklärung", wenn jetzt chinesische Regierungsstellen darüber entschieden, wer in Peking zu der Ausstellung Vorträge halten dürfe. "Die Machthaber werden also letztlich darüber entscheiden, was über Aufklärung in ihrem Land gesagt werden darf und was nicht. Das ist der blanke Zynismus."