Wenn man nicht so genau hinschaut, dann sieht Jeff Koons aus wie immer. Wie der strahlende Sonnyboy, der Anfang der Neunziger Jahre von New York aus die Galerien und Museen stürmte und mit seiner Geliebten, dem Pornostar Cicciolina ("Schmuckelchen"), den Kunstmarkt aufmischte. Frech, provokant, dynamisch und immer so nett, dass niemand ihm böse sein konnte. Selbst wenn er schwer pornografische Fotos von sich und seiner Liebsten zur Schau stellte oder eine überlebensgroßen Holzskulptur präsentierte, die sie beide beim Liebessakt zeigte und von Oberammergauer Herrgottsschnitzern gefertigt worden war. Der Broker und die Pornokönigin – eine Sensation.
Aber heute, in Berlin, ist alles anders. Im dunklen Anzug mit weißem Hemd und schwarzer Krawatte steht Jeff Koons da, und nichts ist strahlend an ihm. Gut, er ist jetzt nicht mehr 35, sondern 53. Klar, dass sich da ein paar Falten zwischen Nase und Mund gemogelt haben. Aber das ist es nicht. Eher schon irritiert diese seltsame, pinguinartige Körperhaltung, wenn er sich seinem Gegenüber zuwendet. Wie ein alter Mann mit Rückenschmerzen. Die Lesebrille macht auch nicht grade jünger, die er jetzt hervorholt und auf die Nase setzt. Aber das Verstörendste ist der melancholische Zug um den Mund. So eine Art Trauer, ganz versteckt, fast als wüsste er selbst nichts davon.
Jeff Koons ist nach Berlin gekommen, um seine Ausstellung "Celebration" in der Neuen Nationalgalerie am Potsdamer Platz zu eröffnen. Es gab schon vorher ziemlich viel Unkerei. Nur "auf Hochglanz polierte Langeweile" werde da zu sehen sein, "Netzhauttäuschung" und rein spekulative "Dax-Kunst". Man kann das so sehen. Man kann sich auch Peter Klaus Schuster anschließen, dem demnächst scheidenden Generaldirektor der Berliner Museen. Er hat sich diese Ausstellung zum Abschied geschenkt, weil er Koons für ein "Genie der Oberfläche" hält und dessen "überirdische Perfektion" bewundert.
Orangefarbener Elefant, roter Pudel
Tja, was ist es nun? Kitsch oder Kunst? Geniale Erfindung oder berechnende Scharlatanerie? Ganz objektiv gesehen stehen da elf quietschbunte Riesenskulpturen aus glänzend poliertem Stahl. Tonnen schwer, Millionen wert. Das glänzende, lilafarbene Herz etwa, das von der Decke baumelt und aussieht wie aufgeblasener Christbaumschmuck, wiegt 1590 Kilo und wurde vor wenigen Monaten für 23,6 Millionen Dollar versteigert. Deshalb sind hier alle Skulpturen schwer bewacht. Wehe, man streckt auch nur die Hand aus: Berühren verboten!
Ein knallgrünes Osterei mit lila Schleife ist da. Ein gelber Diamant. Ein roter Pudel. Ein orangefarbener Elefant. Alle meterhoch und auf Hochglanz poliert. Schön? Ja, das schon. Zu schön, zu schillernd und viel zu perfekt. Und doch: Die Dinger sehen verdammt gut aus in den heiligen Hallen der Neuen Nationalgalerie. Als hätte Architekt Mies van der Rohe sein Museum genau für diesen amerikanischen Wahnsinn gebaut.
Der Gruß an den verlorenen Sohn
Schuld an den Superskulpturen, deren teure Herstellung Koons beinahe in den Ruin getrieben hätte, ist Sohn Ludwig, heute 16 Jahre alt. Um das heiß geliebte Wunschkind von Koons und Cicciolina gab und gibt es Streit. Es geht um 1,5 Millionen Dollar, um Macht und um Rechthaben. Die Mutter will nicht, dass der Vater sein Kind trifft. Koons weiß nicht mal genau, wie der Junge heute aussieht. Und obwohl der Künstler wieder geheiratet und vier weitere Kinder bekommen hat, lässt ihm die Sache mit Ludwig keine Ruhe. "Celebrations" ist sein Gruß an den verlorenen Sohn, und wenn man das weiß, sieht man die Kunstwerke ein wenig anders. Irgendwie rührend bemüht und doch vergeblich und traurig.
Wenn Jeff Koons spricht, dann geht es immer um Großes. Kunst macht er, weil sie "unermesslich" ist und weil sie "Ängste abbaut". Kunst ist herrlich und erhebend, ein "der Menschheitsgeschichte eingewebter Dialog". Ja, so redet er, und manchmal wird's richtig esoterisch. Dann erzählt er, wie er Dinge umarmt, wie er auf der Erde liegt und den Duft von Gras einatmet und den "Dialog mit den höchsten Seinszuständen" sucht.
Die Franzosen vergrätzt
Deutsche Kultur findet er "überwältigend ", vor allem Weißbier, geräucherte Forellen und Schnitzel, erstaunlich handfest also. Nun gut, das ist vielleicht seine Art, heftiger Kritik vorzubeugen. In Frankreich hat er nämlich grade schlechte Erfahrungen gemacht. Mitten in der barocken Pracht von Versailles sind 17 seiner Skulpturen zu sehen, darunter ein silbernes Playboy-Häschen. Eigentlich passt es gut da hin. Aber die Franzosen sind empört und einige protestierten: Koons Werke würden "das Allerheiligste unseres Erbes" beleidigen, diesen "magischen, heiligen Ort Versailles". Übergroß ist bei ihm eben auch die Kritik, es geht offenbar nicht anders.
Der XXL-Künstler und die Fließbandarbeit
"Alles scheint bei diesem Künstler 'bigger than life' zu sein", sagt Anette Hüsch, die die Berliner Ausstellung organisiert hat. "Sein Perfektionsanspruch, die Werke, die Aufmerksamkeit, mit der ihn die Öffentlichkeit bedenkt, sein Atelier von der Größe eines mittelständischen Unternehmens und die Preise, die seine Arbeiten gegenwärtig auf dem Kunstmarkt erzielen." Manche finden, so einer ist kein Künstler mehr, der um die hundert Leute beschäftigt und sie bis zu fünf Jahre lang an einem einzigen Kunstwerk arbeiten lässt, selbst aber nur Ideen liefert und den "Mister Nice" gibt.
Aber das gab's schon früher. Auch Rubens und Rembrandt arbeiteten mit Dutzenden von Helfern und lieferten oft nur Entwürfe und den letzten Schliff. Das stört weder seine Sammler, noch die Museumsleute. Auch die neuen Bilder, die jetzt in der Berliner Galerie Max Hetzler zu sehen sind, hat Koons nur entworfen: riesige Collagen aus nackten Körpern, Blumen und Farbschlieren. Sie werden ihre Liebhaber finden, wie alle seine Werke. Dafür wird schon die enorme Publicity sorgen, die der Künstler unweigerlich provoziert, wenn er nur irgendwo auftaucht. Anette Hüsch fühlte sich bei der Arbeit mit Jeff Koons "wie im Auge eines Orkans: Drum herum ein wahnsinniger Wirbel, aber innen drin ganz ruhig und zuverlässig."
Die Ausstellung "Celebration" von Jeff Koons ist ab dem 31. Oktober bis zum 8. Februar 2009 in der Neuen Nationalgalerie zu sehen.