In den Chroniken zur zwei Jahrtausende umfassenden Geschichte Regensburgs soll künftig der Juli 2006 als weiterer Höhepunkt vermerkt werden. Denn von diesem Samstag an beraten in Vilnius die Experten der Unesco darüber, ob die Regensburger Altstadt künftig als Weltkulturerbe firmieren darf. Bislang gibt es in Deutschland 31 Denkmäler, die den begehrten Welterbe-Titel tragen dürfen.
Regensburg
Regensburg wurde vor fast 2000 Jahren von den Römern gegründet, das Stadtzentrum wird dominiert von Patrizierburgen mit Geschlechtertürmen im Toskanastil. Im Sommer herrscht rund um die zahlreichen Cafés ein mediterranes Flair, weshalb Regensburg oft als "nördlichste Stadt Italiens" bezeichnet wird.
Die Altstadt Regensburgs gilt als besterhaltene mittelalterliche Großstadt Deutschlands. Auf engem Raum reihen sich rund 1400 geschützte Baudenkmäler aneinander. Früher zählte die Donausiedlung zu den wichtigsten Zentren Europas. Von der einstigen Macht zeugt insbesondere die mehr als 300 Meter lange Steinerne Brücke, die älteste Brücke Deutschlands. Das von 1135 bis 1146 errichtete Bauwerk, einst als "Weltwunder" bezeichnet, wurde zum Vorbild für die Prager Karlsbrücke sowie andere Brückenbauten.
Der Aufstieg Regensburgs begann im Jahr 179 nach Christus, als Kaiser Marc Aurel am Zusammenfluss von Donau und Regen das Legionslager "Castra Regina" (Lager am Regen) gründete und "Ratisbona" zu einem der wichtigsten Römerzentren jenseits der Alpen machte. Als die Römer abgezogen waren, übernahmen die Bajuwaren das Kastell und machten es zur Hauptstadt Bayerns.
Nach der Jahrtausendwende entwickelte sich Regensburg zu einer wohlhabenden Handelsmetropole. Ab 1663 wurde Regensburg Sitz des damaligen deutschen Parlaments, des Immerwährenden Reichstags. Nach Auflösung des Reichstags verlor Regensburg zunehmend an Bedeutung. Doch nach der Gründung der Universität in den 1960er Jahren und der Ansiedlung Industriekonzerne wurde die heute 150.000 Einwohner große Stadt zu einem der am schnellsten wachsenden Wirtschaftszentren Bayerns.
Bereits seit rund 20 Jahren bemüht sich die Donaustadt um das Prädikat, das auch beim Tourismus werbewirksam ist. Doch nach der Wiedervereinigung wurden zunächst ostdeutsche Projekte gegenüber denen aus dem Westen bevorzugt. Erst 1998 wurden die Pläne wieder konkret, als die deutschen Kultusminister den historischen Kern Regensburgs auf die Liste der in den nächsten Jahren bei der Unesco anzumeldenden Kulturgüter setzten.
Ausgang ist offen
"Die Aufnahme der Altstadt von Regensburg in die Unesco-Liste wäre eine Auszeichnung von weltweiter Bedeutung und damit ein großer Gewinn auch für Bayern und Deutschland", sagt Bayerns Kunstminister Thomas Goppel (CSU). Die Stadt würde sich dann "auch offiziell in die Elite kultureller Hochburgen einreihen", ergänzt Regensburgs Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU). Der ganze Prozess ist nicht nur eine langwierige, sondern mittlerweile auch eine schwierige Angelegenheit. Ob Regensburg tatsächlich bei der bis 16. Juli dauernden Sitzung in Litauen als einziger Kandidat aus der Bundesrepublik das begehrte Prädikat neu erhält, ist noch völlig offen.
Die Zeiten, in denen die von den Mitgliedstaaten vorgeschlagen Denkmäler von der Unesco "durchgewunken" wurden, sind längst vorbei. "Das Welterbekomitee zieht die Zügel an und legt die Latte höher", sagt auch die deutsche Welterbe-Delegierte Birgitta Ringbeck. Europa sei auf der Liste bereits gut vertreten und werde daher umso strenger behandelt. Dies hatten zuletzt bereits andere Vorschläge aus der Bundesrepublik zu spüren bekommen. So wurde 2005 die Bewerbung Heidelbergs abgelehnt, zuvor war das Bremer Rathaus erst im zweiten Anlauf vom Komitee angenommen worden. "Es ist vor einigen Jahren deutlich einfacher gewesen als, europäischer Bewerber den Welterbe-Titel verliehen zu bekommen", weiß auch Schaidinger.
3000 Seiten starke Bewerbungsschrift
Dennoch hat der Rathauschef grundsätzlich keinen Zweifel daran, dass der historische Kern der Donaustadt die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Unesco-Liste erfüllt. Der Kommunalpolitiker setzt auf die Qualität der rund 3000 Seiten starken Bewerbungsschrift, in der der gotische Dom, die 860 Jahre alte Steinerne Brücke und die etwa 1400 anderen denkmalgeschützten Bauten Regensburgs detailliert vorgestellt werden. Welterbe-Expertin Ringbeck will die Bewerbungsschrift aus der Oberpfalz zwar nicht direkt bewerten, sie sagt aber diplomatisch: "Regensburg hat auf jeden Fall Potenzial."
Nach außen will sich Regensburg nicht nur als ein riesiges Museum präsentieren. Für viele Menschen ist die Stadt ein Musterbeispiel dafür, dass ein historischer Ort nicht automatisch Patina ansetzen muss. In den Sommermonaten wirkt Regensburg südländisch, Open-Air-Konzerte locken dann an fast jedem Wochenende tausende Menschen an. Die Verbindung von jungem Leben in alten Mauern fasziniert viele Einwohner und Besucher. Die Ausstrahlung der Stadt wird auch vom OB betont. "Regensburg verbindet auf äußerst reizvolle Art Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft", sagt der bayerische Städtetagsvorsitzende.
Ulf Vogler/DPA