Durch die beinahe neun Millionen Einwohner:innen in Mexikos Hauptstadt verläuft ein tiefer gesellschaftlicher Graben. Während die junge Generation als liberal und aufgeschlossen gilt, trägt der ältere Teil der Bevölkerung die Last einer ruhmreichen Geschichte mit sich. Dieser Generationenkonflikt brodelt bereits seit etlichen Jahren, doch nun scheint es, als hätte er seinen Höhepunkt erreicht. Der Auslöser: Der Stadtkongress der Hauptstadt stimmt in wenigen Wochen über ein allgemeines Verbot des Stierkampfes ab.
Bisher ist der Volkssport von dem Verbot für Tierquälerei und illegalem grausamen Verhalten gegenüber Tieren ausgenommen. Nach dem neuen Gesetzentwurf wären allerdings alle öffentlichen Veranstaltungen, bei denen "Bullen, Stiere und Kälber misshandelt, gefoltert oder getötet werden“ verboten. Bei einem Vergehen droht eine Strafe von gut 230.000 US-Dollar.
Im Stadtkongress der mexikanischen Hauptstadt scheint die große Mehrheit der regierenden Morena Partei das Gesetz zu befürworten. Das Verbot der Tierquälerei lasse sich nicht mehr mit dem Stierkampf unter einen Hut bringen, meinten die Abgeordneten, die den Entwurf im Tierschutz-Komitee auf den Weg gebracht hatten. Es gilt als unwahrscheinlich, dass ihre Parteikolleg:innen im Stadtkongress bei der Abstimmung eine andere Meinung vertreten werden.
Letzter Showdown im Plaza de Toros México
Auch wenn ein Verbot immer näher rückt, ließen sich am Sonntag 40.000 Zuschauer:innen nicht von ihrer Liebe zum Sport abbringen. Alle Plätze in der traditionellen Stierkampf-Arena Plaza de Toros México waren besetzt. Viele von ihnen wollten den möglicherweise letzten Stierkampf in der mexikanischen Hauptstadt mit eigenen Augen verfolgen. Vor dem Stadion versammelten sich etliche Gegendemonstrant:innen. Einer von ihnen stürmte sogar in den Innenraum des Plaza de Toros México, um auf die leidenden Tiere aufmerksam zu machen.
Seit 1526 werden hier Stierkämpfe ausgetragen. Bereits im nächsten Monat könnte mit dem kontroversen Schauspiel Schluss sein. Mit dem Verbot würde die Hauptstadt Spanien, Ecuador und kleineren mexikanischen Provinzen folgen. Mit Madrid und Sevilla sind bereits zwei der drei größten Stierkampf-Zentren gefallen. Das Ende des Volkssports in Mexiko-Stadt würden nun auch in Mittelamerika ein endgültiges Aus einläuten.
Generationenkonflikt spitzt sich zu
In der Stadt gibt es derzeit kaum ein anderes Gesprächsthema. Viele Menschen aus den älteren Generationen orientieren sich noch immer zu großen Teilen am traditionellen Wertesystem des katholischen Glaubens. Durch liberale Gesetzesänderungen wie das Recht auf Abtreibung 2007 und die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen 2009 fühlen sie sich vor den Kopf gestoßen. Nun soll nicht auch noch der geliebte Volkssport dran glauben müssen.
Stierkampf wurde erstmals mit den spanischen Konquistadoren nach Mittelamerika gebracht. Über die zweite Hälfte des vergangenen Jahrtausends verbreitete sich der Sport daraufhin wie ein Lauffeuer in der gesamten Nation. Heutzutage ist Mexiko eines der wenigen Länder, in denen der Stierkampf weiterhin erlaubt ist.
Stierkampf-Vereinigung wehrt sich gegen ein Verbot
Während Tierschützer:innen bereits seit langer Zeit auf ein Verbot drängen und den oft qualvoll langsamen Sterbeprozess der Tiere anprangern, sehen Anhänger:innen in dem Gesetzesentwurf einen erneuten Affront gegen ihre Lebensweise. Sie fühlen sich ungerecht behandelt und in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt.
Auch die Stierkampf Vereinigung Tauromaquia Mexicana bemängelt das geplante Gesetz. Aus ihrer Sicht plant die Regierung, eine jahrhundertelange Tradition wegen einer kleinen liberalen Minderheit aufzugeben. Auch wirtschaftliche Aspekte seien zu bedenken. Die Industrie würde dem Staat jährlich 800 Millionen Pesos einbringen. Zudem würden bei einem Verbot bis zu 80.000 Arbeitsplätze wegfallen.
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Längst hat sich der Konflikt auch auf die sozialen Medien ausgeweitet. Unter den Hashtags "TortureNotCulture" und "ProhibitTheProhibition" formieren sich seit Wochen Gegner:innen und Befürworter:innen auf Twitter. Der Ton zwischen den Lagern wird rauer und die Fronten verhärten sich. Sollten die Politiker:innen bis zum nächsten Kampf keine Einigung erzielt haben, werden sich Fans und Demonstrant:innen wohl auch im echten Leben erneut gegenüberstehen.
Quellen: The Washington Post, Mexico News Daily