M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Kontroverse um Roger Waters: Rock 'n' Groll

  • von Micky Beisenherz
Micky Beisenherz
© Illustration: Dieter Braun/stern
Die Diskussion um die Auftrittsabsage für den Musiker Roger Waters führt zu der Frage: Warum altern manche Helden so schlecht?

Es hätte alles so schön sein können. Der Mann ist reich, sieht im schwarzen T-Shirt trotz fast 80 immer noch gut aus, und sein Meisterwerk "The Dark Side of the Moon" feiert gerade 50-jähriges Jubiläum. Aber nein, manchen fällt ein leichter Weg so schwer, dass sie sich gern selbst reinstellen.

So ist Roger Waters, das einstige Mastermind von Pink Floyd, seit Jahren schwer aktiv in der BDS-Bewegung, die sich dafür einsetzt, Israel zu boykottieren. Und da "Israel boykottieren" ein wenig unpräzise daherkommt, ist der Vorwurf des Antisemitismus nicht weit. Das mag auch daran liegen, dass bei Waters-Konzerten oft eine gewaltige, aufgeblasene Sau über die Bühne schwebt, die einen Davidstern trägt. Wenn man in großen Hallen auch die letzte Reihe erreichen will, ist das Subtile wohl nicht das bevorzugte Mittel.

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Das wollten sich einige Städte nicht mehr antun und dessen Konzerte präventiv verbieten. Das wiederum mag Waters nicht hinnehmen und klagt sich jetzt in seine eigenen Konzerte hinein. Man gewinnt schnell den Eindruck, die ärmste Sau ist nicht die aufgepumpte über der Bühne.

Wo kommt das her? Warum werden manche so? Ist es ein Gen, das in einem wie Waters geschlummert hat und jetzt als "letztes Aufbäumen" gegen ein wie auch immer geartetes Establishment ausbricht? Ist es Rock 'n' Roll, gegen einen Mainstream aufzubegehren, der vielleicht die Siedlungspolitik ebenfalls kritisch sieht, aber nicht gleich Israel boykottieren würde?

Warum altern manche Helden so schlecht? Morrissey etwa war einst der große Pop-Avantgardist, Romancier, ein Neo-Elvis der britischen Arbeiterklasse. Warum klingt er nunmehr, als sei Gauland in ihn gefahren? Warum verstört er sein Publikum mit nationalistischen, islamfeindlichen, verschwörungsideologischen Tönen?

"The Queen is dead" – der Groll ist es nicht

Hat der Rocker, der Punk, der Mod von einst, der es gewohnt war, sich gegen "die da oben", gegen die blind-taub-tumbe Masse aufzulehnen, am Ende keine andere Wahl, als in uns genau das zu sehen: eine Gesellschaft, die seelenlos und stumpf in ihr Unheil marschiert?

Können Künstler, deren Triebfeder immer auch der Zorn auf die stoische Betriebsamkeit des weitestgehend gleichgültigen Plebs war, diesen Furor hinter sich lassen, wenn sie längst eigentlich altersmilde sein sollten? Sie können womöglich nicht anders als zu toben, wenn "der Staat" plötzlich so etwas wie Impfungen "befiehlt".

Mag sein, "the Queen is dead" – der fruchtbare Groll ist es noch lange nicht.

Manche haben die Gnade des frühen Todes erfahren. Was wäre Kurt Cobain heute für einer? Würde er uns verstören mit Islamophobie, den Rothschilds und Bill Gates' Chips? Oder wäre er so wie sein Drummer, der beispiellos coole Mittfünfziger Dave Grohl?

Was ist "in Würde altern"? Was ist "gut" altern?

Der Zorn hält zweifellos jung. Waters ist hervorragend in Form. Was hält jung? Ist es nicht die Neugierde, die einen aufgeschlossen auf Entwicklungen blicken lässt, die einem zunächst einmal fremd sind, ja, möglicherweise sogar Angst machen?

Es ist doch die Lässigkeit, so manches mit Wohlwollen und Sanftheit abzuwinken, wo man früher ausgerastet wäre. Ein entspanntes, unauffälliges Diffundieren ins baldige Jenseits.

Andererseits: Wenn andauernd Demonstranten vor dem Haus stehen, kommt einen im Alter immerhin immer jemand besuchen.

Ist ja auch was.

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