BROTHERS KEEPERS »Wir wollen aufrütteln«

Sie sind schwarz, sie sind deutsch, und sie haben die Nase voll vom alltäglichen Rassismus: Die Formation Brothers Keepers macht sich stark gegen Vorurteile.

Samy Deluxe, Adé, Sie haben mit anderen afrodeutschen Rappern wie Xavier Naidoo die Band »Brothers Keepers« gegründet. Was wollen Sie damit erreichen?

Adè: Die Idee ging mir schon seit Jahren im Kopf herum. Doch erst nach der Ermordung von Alberto Adriano war mir klar, dass es höchste Zeit ist, ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit zu setzen.

Bisher waren deutsche Rapstars eher für egozentrische Alleingänge bekannt. Wie viele Mitstreiter konnten Sie gewinnen?

Deluxe: Brothers Keepers besteht aus 53 Rappern, Musikern, Produzenten, Sängern. Was sie verbindet, ist ihre schwarze Hautfarbe. Sie kommen aus Nigeria, Ghana, Kenia, Sudan und Amerika, doch sie alle sind in Deutschland aufgewachsen.

Gleich die erste Single, »Adriano (Letzte Warnung)«, wurde ein Hit. Darin heißt es: »Das ist eine letzte Warnung, denn unser Rückschlag ist längst in Planung.«

Adé Egal, ob das abschreckend klingt: Es soll aufrütteln. Alberto wurde zusammengeschlagen, 30 Leute haben es mitbekommen, nur einer ruft an, weil er sich in seiner Nachtruhe gestört fühlt. So etwas Unmenschliches kann nicht einfach hingenommen werden.

Deluxe: Wir wollen für Afrodeutsche sprechen, die sonst keine Stimme haben. Für mich ist Brothers Keepers eine Art Therapie, ich kann in der »Wir-Form« sprechen, was sonst nicht möglich ist. Wenn ich morgen von Nazis getötet werde, gibt es Freunde, die einen Song für mich machen.

Fühlen Sie sich in Deutschland zu Hause?

Adé: Ja, dies ist meine Heimat. Ich würde sogar sagen, dass ich stolz darauf bin, Deutscher zu sein. Nur will ich eine Ebene, wo man sich gleichberechtigt begegnet.

Was heißt das?

Deluxe: Klischees über Schwarze sind hartnäckig: »Ihr habt es gut, ihr könnt toll tanzen und bekommt die besten Mädchen.« So ein Schwachsinn! Ich kann mir zum Glück aussuchen, ob ich in die Disco gehe, um mir so blöde Sprüche anzuhören. Im Alltag aber ist es schwieriger. Ich muss jeden Tag meine Brötchen und meine Milch einkaufen. Und da spüre ich, wie ich anders behandelt werde als Frau Meier von nebenan. Ich bin genauso nett und zahle mit dem gleichen Geld. Aber die Blicke hinter der Theke sind herablassend und mißtrauisch. Besonders bei Schwarzen. Türken haben es da leichter.

Warum?

Deluxe: Türken haben Netzwerke, ihre Läden, ihre Vereine, ihre Schulen. Damit will ich nicht sagen, dass sie es einfach haben, aber sie haben ihre Community, die sie auffängt. So etwas fehlt Schwarzen, weil sie sich nicht über ein Volk definieren, sondern über ihre Hautfarbe.

Gibt es Politiker, die Ihnen Vertrauen einflößen?

Adé: Politik besteht nur aus Kompromissen und Heuchelei. Aber es gibt überraschend positive Begegnungen. Am Tag der Deutschen Einheit traf ich Gregor Gysi in Berlin. Er war wirklich interessiert, hörte mir lange zu. Er wird Brothers Keepers unterstützen, wenn wir im nächsten Jahr eine Tour durch ostdeutsche Jugendheime und Schulen machen.

Seit diesem Jahr spielt mit Gerald Kwabena Asamoah seit langem wieder ein Schwarzer in der Fußballnationalmannschaft - ein Zeichen für bessere Integration?

Adé: Wenn man daran denkt, dass einige Leute immer noch Bananen werfen oder Affengeräusche machen, wenn ein schwarzer Spieler aufläuft, ist Gerald Kwabena natürlich ein Glücksfall. Aber es wird noch Jahre dauern, bis wir einen führenden schwarzen Politiker in Deutschland haben, der die Interessen der Schwarzen vertritt. Ich erinnere mich, wie ich als kleiner Junge in der Schule in Nigeria zu meinem Lehrer sagte: »Ich will Präsident werden!« »Das kannst du schaffen, wenn du es wirklich willst«, hat er geantwortet. Als ich mit 17 in eine deutsche Schule kam, war die erste Frage meines Lehrers: »Bist du Asylbewerber?«

Samy Deluxe, Sie sind Vater eines kleinen Sohnes. Glauben Sie, dass er sich später Ähnliches anhören muss?

Deluxe: Die Vorurteile sitzen tief. Als mein Sohn geboren wurde, fragte mich eine Ärztin: »Wurde bei Ihnen schon ein Aidstest gemacht?« Ich habe das erst nicht verstanden. Das sei, sagte sie, eine Standarduntersuchung für alle Schwarzen. Wenn hier die Gleichung gilt »Schwarz gleich Aids«, möchte ich Deutschland eigentlich verlassen.

Würden Sie das wirklich tun?

Mein Sohn wächst zweisprachig auf, seine Mutter ist Amerikanerin, wir könnten in die USA gehen. Aber das hier ist auch mein Land. Irgendwann werden das die Menschen hoffentlich begreifen.

Interview: Hannes Ross/Sven Stillich

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